Kultur

Kultur im Tösstal

Kulturverein lanciert Konzertreihe in historischem Gebäude in Rikon

Mit «Musik im Gwölb» ruft der Verein AbisZell Kultur eine Konzertreihe ins Leben. Damit will er nicht nur die lokale Kulturszene wachküssen.

Die Zehntenscheune in Hinter-Rikon hat eine lange Geschichte – jetzt kommt ein neues Kapitel dazu.

Foto: Noah Salvetti

Kulturverein lanciert Konzertreihe in historischem Gebäude in Rikon

Mit «Musik im Gwölb» ruft der Verein AbisZell Kultur ein niederschwelliges Kulturangebot ins Leben. Zum Auftakt tritt ein bekanntes Gesicht aus der regionalen Musikszene auf. Die Location spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.

1627 war ein schreckliches Jahr für Zell. Während in Europa der Dreissigjährige Krieg wütete, radierte die Pest grosse Teile der lokalen Bevölkerung aus. Doch es gab auch Profiteure: Mitten in der krisengebeutelten Zeit baute ein Müller die Zehntenscheune in Hinter-Rikon mit ihrem imposanten Gewölbekeller – heute gehört sie zum Komplex der Pfannenfabrik Kuhn Rikon.

Erwin Eugster kennt das Gebäude und dessen Geschichte – denn das Vorstandsmitglied des Kulturvereins AbisZell ist nicht nur Musiker, sondern auch Historiker. Nun kann er die beiden Welten gewissermassen verbinden.

Mit «Musik im Gwölb» lanciert der Verein Anfang September ein neues Konzertformat im Keller der Zehntenscheune. Einmal im Monat soll dort künftig eine musikalische Kleinformation auftreten.

Innenraum eines Gewölbekellers
Der historische Keller wird von der Pfannenfabrik Kuhn Rikon aktuell für Schulungen genutzt.

Die Idee dazu kam Eugster nach einem Tango-Argentino-Auftritt in der Schalthalle in Eglisau. Dort finden immer wieder Musikveranstaltungen statt. «Für uns Spielende war es sehr schön, dort vor vollem Saal auftreten zu können», erinnert er sich.

Schnell erkannte er: Ein wiederkehrendes Gefäss wie in Eglisau, das gibt es in der Gemeinde Zell bisher nicht – und auch nicht in den umliegenden Orten. «Ab und zu spielen Ländlerformationen, aber ansonsten ist das Tösstal in dieser Hinsicht etwas ‹tot›», meint Eugster. So reifte bei ihm die Idee eines regionalen Pendants.

Neues Leben für alten Keller

Doch es fehlte eine Location. Zunächst hatte der Initiant, wie beim Unterländer Vorbild, ein stillgelegtes Bahnhofgebäude im Visier. Nach Absagen vonseiten der SBB kam er auf die Idee, bei der Kuhn Rikon AG anzuklopfen.

Der historische Keller erwies sich als Volltreffer – sowohl für Eugster als auch für Chorleiterin Charlotte Joss Deissler, die er zurate zog. «Dann war klar – die Chance packen wir.»

Trotz seiner Geschichte dürfte das Gebäude wenigen ein Begriff sein – der erste Stock beherbergt die Betriebskantine, der Gewölbekeller dient als Schulungsraum und steht oft leer. Der Verein darf ihn ausserhalb der Betriebszeiten gratis nutzen. «Das ist unglaublich zuvorkommend und ein absoluter Glücksfall», schwärmt Eugster.

Zwei Männer vor einem Gewölbe
Mit der Hilfe lokaler Künstler wie Kilian Deissler (rechts) will Erwin Eugster daraus eine Kulturinstitution machen.

Den Auftakt machen der Langenharder Multiinstrumentalist Kilian Deissler und seine Frau Lisa Weiss – gemeinsam bilden sie das Duo Flatwhite.

Eugster und Deissler kennen sich «schon ewig» – unter anderem vom Zeller Chortheater, dessen Leitung Deisslers Mutter innehat. «Wir kamen ins Gespräch, und ich habe ihm gezeigt, was wir aktuell in petto haben», sagt er.

Musikalisch erwarten die Besucher Coverversionen bekannter Lieder – von Mundartstücken wie «Am Himmel staht es Sternli z’Nacht» bis hin zu einer Interpretation von «Let It Go», dem Titelsong des Disney-Films «Die Eiskönigin».

Gage trotz Gratiseintritt

«Kili ist mein Wunschgast, ich wollte mit ihm starten», sagt Eugster. Deissler ist aber auch ein Stück weit Testperson. Denn: Welche Instrumente im nicht mit Musik erprobten Gewölbekeller wie klingen, muss sich zuerst zeigen. Eugster ist aber optimistisch, dass der Klang überzeugen wird.

Die nötige Flexibilität bringen Kilian Deissler und Lisa Weiss zweifellos mit: «Wir haben sowieso zu viele Stücke. Wenn nötig, ändern wir das Programm in der Pause ab», sagt er.

Vorerst steht das Programm für sieben Ausgaben – nach der Premiere folgt die Gruppe Trio d’Accordo. Den Abschluss der ersten «Staffel» bildet das Zeller Chortheater mit der Aufführung «Heiligi Nacht» – für die ebenfalls Kilian Deissler die Musik schrieb. Weil der Verein bei diesem Konzert mit mehr Publikum rechnet, als der Saal fassen kann, sind vier Aufführungen geplant.

Innenraum eines historischen Gewölbekellers.
Im Gewölbekeller haben 20 bis 50 musikinteressierte Besucher Platz.

Ideal ausgelastet ist das «Gwölb», wenn 20 bis 50 Leute im Publikum Platz nehmen – eine familiäre Grösse, die auch Deissler zusagt. Eintritt verlangt AbisZell Kultur keinen, es gibt lediglich eine Kollekte.

Trotzdem erhalten die Künstler eine Gage. Ein zufriedenes Publikum spende gerne einen Beitrag, der ähnlich hoch sei wie der Preis eines Tickets, ist Eugster überzeugt.

Möglich ist das auch deshalb, weil der Verein innerhalb der Gemeinde die Funktion einer Kulturkommission einnimmt – und daher auch ein Budget hat. Und doch: Ob die Veranstaltung eine Zukunft hat, muss sich nach dem zweiten Konzert zeigen. «Dann entscheide ich, ob ich für den Frühling nach weiteren Künstlern suche.»

Lokale Musiker haben Vorrang

Für nächstes Jahr hofft Erwin Eugster auf einen weiteren lokalen Musiker: Akkordeonist Mario Strebel, ebenfalls aus Langenhard. Eugsters Vision: Innert eines Jahrs soll «Musik im Gwölb» zu einer Art Institution werden. «In Eglisau haben sie ein Jahr gebraucht, dann klopften die Formationen von sich aus an.»

So wünscht es sich der Organisator auch für Rikon. Während lokale Musiker Vorrang geniessen, sollen später auch Gruppen aus anderen Regionen auftreten können.

Erreichen will AbisZell Kultur damit vor allem ein Publikum mittleren Alters. Entsprechend sieht das Format keine jungen Bands vor. Man könne keine Jugendförderung betreiben. «Das würde auch nicht zum Raum passen», ist Eugster überzeugt.

«Am ehesten kann man es wohl mit einem Wohnzimmerkonzert vergleichen», ergänzt Deissler. Nach dem Motto: beieinandersitzen und geniessen – und wenn man will, an der Bar etwas trinken. Als Konkurrenz zu anderen, neueren Kulturbetrieben wie der Villa Wellentanz in Wila sieht sich «Musik im Gwölb» nicht. «Man hat dort offenbar dasselbe Defizit wahrgenommen wie wir hier.»

In der neuen Veranstaltungsreihe sieht Kilian Deissler auch eine Chance für die lokale Kulturszene. «Als Musiker in der Region zieht es dich nach Winterthur, aber wenn es hier mehr Angebote gibt, kann sich das auch wieder in diese Richtung entwickeln.»

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