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Kultur

«Örbn Ländler» im Oberland

«Viele verstehen unsere Musik nicht auf Anhieb»: Stubete Gäng im Interview

Vor ihren Konzerten in Uster und Gossau verraten die Zuger Musiker, weshalb sie das (Fest-)Zelt dem Stadion vorziehen und warum ihre Songs nur auf den ersten Blick unpolitisch sind.

Eine Karriere zwischen Dorffest und Arena: Moritz (links) und Aurel Hassler mit ihrer Stubete Gäng.

Foto: Beusch Photography

«Viele verstehen unsere Musik nicht auf Anhieb»: Stubete Gäng im Interview

Die Stubete Gäng um Aurel und Moritz Hassler gehört zu den erfolgreichsten Bands der Schweiz – und tritt am Freitag in Turbenthal auf. Ein Gespräch über den neuen Volksmusik-Hype, Stilbrüche und Alkohol auf der Bühne.

Zwei Swiss Music Awards, ein Nummer-eins-Album und die meistgebuchte Band des Lands: Die sechsköpfige Stubete Gäng, die unter anderen aus den Brüdern Aurel und Moritz Hassler sowie deren Vater und deren Onkel besteht, verbindet erfolgreich Ländlermelodien mit Pop- und Hip-Hop-Einflüssen. Jetzt kommen die Zuger in die Region: Nach ihrem Auftritt am Jubiläumsdorffest in Turbenthal spielen sie am 5. September am Ustermer Stadtfest.

Aurel, Moritz, Ihr seid ja schon mehrmals in der Region aufgetreten, so auch in Fehraltorf, das im Lied «Willisau» sogar vorkommt. Wie laut war es im Publikum, als Ihr das Lied performt habt?

Aurel Hassler: In Dezibel?!

Moritz Hassler: Ich glaube, wir hatten den Song da noch gar nicht. Aber in unseren Liedern gibt es ja so manchen Ortsnamen. Und wenn man die dann genau in so einem Ort spielt, ist es natürlich jeweils besonders laut – darauf warten die Leute dann fast schon.

Jetzt steht Ihr bald in Uster auf der Bühne. Was macht das Publikum im Zürcher Oberland besonders?

Aurel: Die Zürcher Oberländer sind gerne eigenständig. Das sieht man schon daran, dass fast jedes Dorf für sich einen «Kosenamen» hat. Interessant finde ich auch das Einzugsgebiet: urban geprägt und doch nah am Land. Ich glaube, in diesen «hybriden» Orten sind wir daheim.

Wenn man Euer Konzertprogramm anschaut, fällt auf, dass Ihr an vielen kleinen Festen spielt, wie auch das in Turbenthal eines war. Und das, obwohl Ihr problemlos grössere Hallen füllen könnt. Woher kommt diese Präferenz?

Moritz: Das entspricht dem Weg, den wir in den letzten sieben Jahren gemacht haben, und wahrscheinlich sind das auch wir. Klar hätte man sich nach so vielen Erfolgen sagen können: «Jetzt spielen wir einfach nur noch die grossen Hallen und Stadien.» Aber diese Feste machen uns extrem viel Freude. Gerade in den kleinen Dörfern entstehen sie nur, weil die Leute zusammen anpacken. Diese Wärme und Herzlichkeit spürt man auch auf der Bühne.

Aurel: Es ist auch unser Anspruch, mit unserer Musik zu verbinden. Und da reicht es eben nicht, wenn man ein-, zweimal im Hallenstadion auftritt. Wenn wir nur so einen auf Gross machen würden, würden wir das nicht hinbekommen, dass alle mitsingen und sich angesprochen fühlen.

In Euren Songs geht es viel um Anziehung. Politische Messages oder Tiefsinniges wie bei anderen Künstlern hört man kaum heraus. Seid Ihr bewusst unpolitisch, oder überhört man das?

Aurel: Man kann sich sehr einfach hinter einer politischen Aussage verstecken. Aber um dazu beizutragen, dass es allen besser geht, muss man wirklich zusammensitzen und in einen Diskurs treten. Und ich glaube, das tun wir sehr fest.

Moritz: Eine politische Ebene findet man vielleicht eher auf den zweiten Blick. Da findet man unsere Haltung: Man darf verschiedene Meinungen haben, aber es ist wichtig, dass man sich irgendwo trifft und sich darüber austauscht. Und so ist es auch beim Publikum: Wichtig ist, dass wir zusammen Freude haben.

Aurel: Unser Song «So lang wie breit» beschreibt das ganz gut – ich sage die Nummer jeweils explizit als «politischen Song» an. Und sage dann: «Jetzt gehen wir mal alle ein wenig links, alle ein wenig rechts, aber den Standpunkt haben wir immer schön in der Mitte.»

An den Festen, die Ihr bespielt, wird ausgelassen gefeiert – und gerne getrunken. Gleichzeitig beobachtet man, wie das Thema «Awareness», also ein erhöhtes Bewusstsein für übergriffiges Verhalten, an Festivals und Konzerten immer wichtiger wird. Wie seht Ihr da Eure Verantwortung als Künstler, die Ihr immerhin die Stimmung anheizt?

Aurel: Wir können es einfach vorleben – das ist mein Job, und ich würde das nicht hinbekommen, wenn ich Alkohol intus hätte. Und ich bitte die Besucher jeweils, links und rechts Grüezi zu sagen – wenn man sich kennt, ist es auch weniger schlimm, wenn man nachher den Schweiss aneinander abstreicht (lacht).

Moritz: Wir haben mit unserer Musik auch viele Schnittmengen zu anderen Musikstilen, und so gab es auch schon Anfragen vom Ballermann in Mallorca. Ich urteile da gar nicht drüber, aber was wir nicht machen, ist, unser Publikum zum Alkoholkonsum aufzurufen. Klar hat es schon Situationen gegeben, wo wir «Stopp!» sagen mussten, etwa wenn jemand an der Bar die Ausfahrt verpasst und dann ständig zu uns auf die Bühne will – da sind wir dann quasi das Awareness-Team. Aber nach 370 Konzerten kann man wirklich sagen: Es ist erstaunlich zu sehen, wie gut die Leute aufeinander achtgeben, auch wenn es mal wild und gäch ist.

Ihr bezeichnet Euren Stil ja als «urbanen Ländler». Werdet Ihr mit dieser Mischung aus traditionellen und modernen musikalischen Einflüssen in der Schweizer Musikszene nicht auch kontrovers angesehen?

Aurel: Kontrovers angeschaut wird es vielleicht schon, am Anfang gab es sicher den einen oder anderen Rocker, der die Nase gerümpft hat. «Bad Vibes» oder so habe ich jetzt nie gespürt. Was ich, unter anderem bei der Fernsehsendung «Sing meinen Song», erlebt habe, ist, dass viele unsere Musik auf Anhieb nicht so recht verstehen. Spätestens wenn sie dann an einem Konzert waren, checken sie: Da geht es ums Verbinden von Alt und Jung – und von verschiedenen Musikstilen.

Moritz: Schön ist ja auch, dass die Geschmäcker verschieden sind und unsere Musik nicht allen gefallen muss. Ich hatte in meiner Jugend auch Phasen, in denen ich Hip-Hopper durch und durch war und alles andere schlecht fand, aber daraus konnte ich herauswachsen. Unter Musikern überwiegt meist der Respekt vor der Arbeit – das haben wir auch gemerkt, als wir letztes Jahr am «Hiking Sounds» auf die Hip-Hop-Urgesteine von Chlyklass trafen.

Neben Euch erfreuen sich gerade viele junge Ländlerbands wie die Rusch-Büeblä zunehmender Beliebtheit. Seht Ihr Euch auch als Wegbereiter für eine neue Generation von Volksmusikern?

Aurel: Vielleicht nicht gerade Wegbereiter, ich denke aber schon, dass wir einigen Leuten die Ohren für Ländler & Co. geöffnet haben, die das zuvor ganz weit von sich weg geschoben haben.

Moritz: Gerade die Hitparaden und Musikpreise sind in der Vergangenheit schon eher urban diktiert worden. Deshalb finde ich es auch schön, können wir im Zürcher Oberland spielen, das gibt einen schönen Kontrast zu Zürich als Grossstadt. Dass Gruppen wie wir, die Rusch-Büeblä oder die Genderbüebu an den Swiss Music Awards Erfolge erzielen, zeigt, dass sich das immer mehr öffnet. Zu dieser Präsenz haben wir sicher auch stark beigetragen.

Neben Euren Erfolgen an den Swiss Music Awards seid Ihr die meistgebuchte Band des Lands und tretet sogar in Deutschland und Österreich auf. Was wollt Ihr noch erreichen?

Aurel: Genau, auf diese Tour arbeiten wir aktuell hin – wir haben eine neue Bühne und ein neues Set mit neuen Songs. Und dieses Mal sind wir die Gastgeber, wir laden die Leute also zu uns ein. Das alles gibt mega viel Arbeit, aber es macht mega Spass.

Moritz: Die Musik, die darf natürlich immer weitere Kreise ziehen. Dass sogar unsere deutschen und österreichischen Nachbarn mitsingen, von denen wir dachten, die verstehen uns gar nicht – das hätten wir uns nie träumen lassen. Ich habe mich schon gefragt, ob es mein Zenit wäre, wenn wir mal noch in Amerika auftreten würden. Aber es ist ja auch gut, wenn man nicht vor jedem Konzert ins Flugzeug steigen muss.

Wenn man jetzt noch unentschlossen ist: Warum sollte man an Euer Konzert kommen?

Aurel: Wenn ich an all das denke, was schon auf unserer Bühne passiert ist – Pärchen zum Beispiel, die sich verlobt haben und jetzt mit dem Kind an unsere Konzerte kommen. Wenn du einfach ein wenig loslassen willst, dich gehen lassen willst, aber ohne den Boden unter den Füssen zu verlieren, dann komm doch vorbei und mach mit uns eine geile Party.

Die Stubete Gäng spielt am 5. September um 22:30 Uhr am Stadtfest Uster und am 22. November im Rahmen der «Samichlaus-Tour» in der Gossauer AL-Arena.

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