Kinderzoo-Direktorin aus dem Grüt: «Es braucht mehr mutige Menschen»
Zwischen Elefanten und Giraffen
Im Januar trat Sibylle Marti ihre neue Stelle in Knies Kinderzoo an. Nun blickt die Grütnerin auf Hochs und Tiefs ihres ersten Jahrs als Chefin zurück.
Sibylle Marti kann sich nicht recht erinnern, wann sie als Kind einmal im Kinderzoo war. «Vielleicht mal auf einer Schulreise.» Sie wuchs im Kanton Schwyz auf einem Bauernhof mit vielen Tieren auf, half misten, heuen, käsen oder auch melken auf der Alp im Glarnerland. «Im Zoo waren einfach andere Tiere, die wir aber nicht extra anschauen gingen.»
Heute ist der Hof verpachtet, die 52-Jährige lebt im Gossauer Ortsteil Grüt. Und ist seit einem Jahr Direktorin von Knies Kinderzoo in Rapperswil-Jona. Die Zootiere hat sie sofort in ihr Herz geschlossen. «Ich habe unterschätzt, wie wunderbar es ist, sich mit den Tieren zu beschäftigen, wie viel sie mir geben.»
Mittlerweile habe sie zu ein paar Tieren auch ein spezielles Verhältnis aufgebaut. «Unser Elefantenbulle Thisiam kommt meist angelaufen, wenn ich ihn rufe.» Doch die Giraffen sind ihre Favoriten. «Sie sind so majestätisch, herzig, ästhetisch, neugierig – eine unschlagbare Mischung.»

Ihr erstes Jahr als Zoodirektorin sei sehr intensiv, aber auch spannend und lehrreich gewesen. Sie habe jetzt eine Vorstellung davon, was sie in den nächsten Jahren erwarte. Das Fundament des Zoos sei «super», auch wenn bei der Infrastruktur einige Sanierungen anstünden. Man müsse aber vor allem die sich wandelnden Werte in die Strategie miteinbeziehen und die Tierhaltung auf dem höchsten Niveau halten.
Doch im Gegensatz zum Zoo Zürich, der seit Jahren kontinuierlich wächst, ist eine Vergrösserung der heutigen Fläche von 4,2 Hektaren in Rapperswil nicht möglich. «Ausser wir bauen in den See hinaus», scherzt Marti. Aber man müsse die Wirtschaftlichkeit des Zoos sicherstellen und dabei gleichzeitig immer wieder neue Angebote schaffen, um die Besucher zu erfreuen. «Die spezielle Nähe zum Tier ist unser Alleinstellungsmerkmal.»
Dabei sei es wichtig, auch die Traditionen zu bewahren. So sei klar, dass etwa die Mauer am Zooeingang mit den Aussparungen in Form von Eltern und Kindern unantastbar sei. «Stillstand kommt nicht infrage, aber alles Traditionelle abzuschaffen, auch nicht.»
Tierbabys als Highlight
Ihre Position beinhaltet rund ein Dutzend Berufe in einem: Management, Marketing, Projektbegleitung, Finanzen, Personal, Sponsoring, Social Media … «Eine Vielseitigkeit, die den Job so toll macht.» Jetzt in der Winterpause komme sie endlich dazu, vieles abzuarbeiten, das während des Jahrs liegen geblieben sei – zusätzlich zur Vorbereitung der neuen Saison, die am 1. Februar 2025 startet.
Sie sei froh, nun das ganze Jahresprogramm einmal erlebt zu haben. Dabei seien viele Highlights gewesen: die Eröffnung der Giraffenlodge, Hologramm- und Seifenblasenshows sowie weitere Veranstaltungen im Zauberhut wie etwa das Pippi-Musical oder Auftritte von Peach Weber.
Aber: «Wie bereits früher auf dem Bauernhof ist es das Schönste, wenn ein Tier auf die Welt kommt, gesund ist und sich erfolgreich in die Gruppe integrieren kann.»
Die Giraffen, die ihr sonst so viele erfüllende Momente schenken, sorgten allerdings auch für die schwierigsten Momente im vergangenen Jahr. Zwei Jungtiere wurden geboren, eines starb im August, noch bevor es vier Monate alt wurde. Und auch seine Giraffenmutter, die selbst 1999 im Kinderzoo zur Welt kam, starb kurz darauf an Altersschwäche.
«Der Tod ist ein wichtiger Teil des Lebens, auch damit muss man umgehen können», sagt Marti. Doch nicht nur für Besucher, sondern auch für das Team des Kinderzoos seien dies sehr traurige Momente gewesen.
Und auch mit Kritikern muss sich Sibylle Marti herumschlagen. «Es sind wenige, aber manchmal heftige negative Reaktionen, die wir primär von Personen erhalten, die sich prinzipiell gegen die Institution Zoo richten.» Dabei sei ihr in diesem Jahr besonders bewusst geworden, was für eine wichtige Rolle Zoos bei der Aufklärung der Menschen in Sachen Biodiversität und Artenschutz spielten.
«Hier können wir auf emotionale Weise ganz nahe am Tier aufzeigen, wie wichtig Natur- und Artenschutz ist – vor allem können wir schon die Kinder dafür begeistern.» Gerade in Zeiten der Digitalisierung sei es wichtig, die Leute von «ihren Gärtli» wegzuholen und ihnen die Schönheit der Natur und der Tiere aufzuzeigen, die es zu schützen gelte. «Das ist für mich Daseinsberechtigung genug.»
«Tiere erfahren. Biodiversität bewahren», so lautet denn auch der Slogan des Kinderzoos. Ein weiterer Ausbau des Angebots von Tierpräsentationen und Wissensvermittlung sei auf nächste Saison geplant.
Ein «Gspüri» dafür, was das Publikum will
Vor ihrer Zeit im Kinderzoo war Marti bei den «Obersee Nachrichten», bei Tele Züri, dem Radio und dann lange Zeit beim Schweizer Fernsehen tätig, produzierte Formate wie «Donnschtig-Jass», «Benissimo» oder «1 gegen 100». Danach machte sie sich vor fünf Jahren mit einer eigenen Marketingfirma selbständig.
Sie sei für ein Mandat für den Zauberhut im Kinderzoo in Verhandlungen gewesen, als man ihr empfohlen habe, sich für die frei werdende Stelle der Zoodirektion zu bewerben. «Hier kann ich das ganze Paket meiner Fähigkeiten zusammenführen.»
Sie ist eine Macherin, will etwas bewegen. «Ich hatte schon immer einen guten Draht zu den Menschen und ein ‹Gspüri› dafür, was gut ankommt.» In ihrer Zeit beim SRF seien noch «mehr Ressourcen und mehr Mut» da gewesen. «Heutzutage wagt man oft zu wenig aus Angst vor allen möglichen Folgen. Dabei braucht es mehr mutige Menschen auf dieser Welt, damit sich etwas verändern kann.» Trotzdem bleibt sie am liebsten im Hintergrund des Geschehens.
Arbeitstag beginnt früh
Sibylle Martis Arbeitstage sind lange. Sie sei schon immer eine Frühaufsteherin gewesen, beginne dann jeweils zu Hause zu arbeiten und gehe gegen 7 Uhr in ihr Büro. «Wenn dann um 9 Uhr die Besucher kommen, bin ich bereit.»
Je nachdem, ob in Knies Zauberhut noch Veranstaltungen anstehen, kommt sie auch mal spät am Abend nach Hause. «Mein Sohn sagt immer, ich sollte mein Leben neben der Arbeit mehr pflegen», meint Marti halb zerknirscht, halb lachend. «Ein Teil meiner Arbeit ist eben auch Hobby.»


Noch wohnt ihr 21-jähriger Sohn, der aus einer langjährigen Beziehung mit dem Mundartrocker Gölä stammt, mit ihr im Grüt. Gemeinsame Hobbys wie etwa Schachspielen oder Jassen verbinden sie. Ansonsten findet Marti im Sport einen Ausgleich zur Arbeit, so ist sie etwa Mitglied im Tennisclub Gossau.
Um «den Kopf zu lüften», joggt sie auch oder zieht sich an schönen Sommerabenden an ihren Lieblingsplatz im Zoo zurück: zwischen Zauberhut und Gepard-Anlage. «Dort auf der Treppe haben wir eine Lounge eingerichtet. Wenn der Zoo zu ist, sitze ich gerne dort und sinniere noch etwas über den Tag und geniesse den wunderschönen Sonnenuntergang.»