Keine kritische Berichterstattung mehr in der «Maurmer Post»
Strategie für das Gemeindeblatt
Die «Maurmer Post» wird zur reinen Gemeindepublikation – kritische Berichterstattung ist künftig tabu. Für den Gemeinderat ist das der einzig gangbare Weg.
Vor gut einem Jahr erschütterte ein mutmassliches Tötungsdelikt die Gemeinde Maur. Und die Berichterstattung darüber stürzte die Gemeindezeitung «Maurmer Post» vollends in die Krise.
Im Text «Tod im Sponstürli» erhob die Schwester des Verstorbenen schwere Vorwürfe gegen die Gemeinde – ohne dass die Zeitungsverantwortlichen den Behörden die Möglichkeit zur Stellungnahme gaben.
Als Folge wurde der Verfasser des Texts, der ehemalige stellvertretende Chefredaktor, freigestellt – und auch der Vertrag mit Chefredaktor ad interim Thomas Renggli wurde nicht verlängert.
Die Vorkommnisse sorgten dafür, dass mehrere Aufsichtsbeschwerden beim Bezirksrat eingereicht wurden. Dieser sah im Handeln der Gemeinde keine klaren Rechtsverletzungen. Er forderte sie aber auf, einen «gangbaren Weg» für die Herausgabe der Gemeindezeitung zu finden.
Kritisch geht nicht
Grund für diese Aufforderung war eine Auskunft des Zürcher Gemeindeamts. Dieses hilft den Gemeinden, sich in Übereinstimmung mit dem kantonalen Recht zu organisieren.
In einer Stellungnahme hielt es fest, dass eine Gemeinde keine investigative Zeitung herausgeben könne, die kritisch über Vorgänge und die Gemeindebehörden berichtet. Zudem könnten Journalisten, die investigativ über die Gemeinde und die Behörden schreiben, nicht Angestellte der Gemeinde sein. Fazit des Amts: Die aktuelle Struktur der «Maurmer Post» ist rechtswidrig.
Diese Einschätzung aus Zürich ist zwar rechtlich nicht bindend – trotzdem hat sie beim Gemeinderat Gewicht. «Mit den Anpassungen, die der Gemeinderat nun vornimmt, sind die Empfehlungen des Gemeindeamts nicht ‹exakt›, sondern nur teilweise eingelöst», hält Gemeindepräsident Yves Keller (FDP) fest. «Und zwar so, dass die Herausgabe der ‹Maurmer Post› auf einem rechtlich zulässigen Fundament steht, so, wie das vom Bezirksrat angeordnet worden ist.»
Konkret bedeutet dies, dass die «Maurmer Post» künftig zur «klassischen Gemeindepublikation mit Forumscharakter» wird, wie der Gemeinderat mitteilt.
«Wie bis anhin berichtet die Zeitung über relevante gesellschaftliche und politische Themen in der Gemeinde, bietet Hintergrund- und Serviceinformationen, und sie druckt auch weiterhin Leserbriefe ab», schreibt er. Der redaktionelle Leistungsauftrag ändert sich jedoch.
Die Redaktion muss auf selbst verfasste, meinungsbildende Inhalte zu politischen Geschäften verzichten. Kritische Artikel über die Arbeit des Gemeinderats, wie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Generationenprojekt Looren, haben künftig keinen Platz mehr in der Gemeindezeitung.
«Dies, weil die Berichterstattung über die Arbeit von Behörden und Verwaltung in einer durch Steuergelder finanzierten Zeitung stets ausgewogen und sachlich zu erfolgen hat», kommt der Gemeinderat zum Schluss. So, wie es beispielsweise auch für Texte im Abstimmungsbüchlein gilt.
Grosse Änderungen erwartet er aber nicht: «Die ‹Maurmer Post› bleibt inhaltlich im Wesentlichen das, was sie war und ist: eine lokal verwurzelte Zeitung, die das Leben in Maur in allen Facetten spiegelt und der Bevölkerung darüber hinaus einen Kanal für eigene Beiträge und Meinungen bietet.»
Verantwortung zurück bei Kommission
Für den Gemeinderat ist diese «Schärfung des Leistungsauftrags» eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Herausgabe der «Maurmer Post» in den Händen der Gemeinde bleiben kann, wie vom Volk gewünscht.
Der Gemeinderat hätte die Zeitung vor zwei Jahren gerne privatisiert. Doch das Anliegen kam bei den Maurmerinnen und Maurmern nicht gut an, sie schmetterten die Idee im Sommer 2023 an der Gemeindeversammlung mit 106 Nein- zu 46 Ja-Stimmen deutlich ab.
In der Folge übertrug der Gemeinderat Anfang 2024 die redaktionelle Hoheit an die bereits bestehende Redaktionskommission. Sie sollte das letzte Wort bei Unstimmigkeiten zum Inhalt der Zeitung haben.
Doch die vermeintliche Unabhängigkeit hielt nicht lange Bestand. Bereits im April setzte der Gemeinderat nach den Querelen um den umstrittenen Artikel die Kommission wieder ab. Das letzte Wort hatte wieder der Gemeinderat.
Diese Kompetenz will er aber wieder abgeben. Die Überwachung der redaktionellen Vorgaben soll wieder die Kommission «Maurmer Post» übernehmen – aber mit fünf neuen Mitgliedern.
Die Ausschreibung soll bis Ende März 2025 erfolgen. Dann beginnt auch die Suche nach einer neuen Chefredaktorin oder einem neuen Chefredaktor. Seit Anfang Jahr obliegt diese Aufgabe Gerold und Sybille Brütsch von der Zürcher Textagentur Wortstark.
Initiative ist ungültig
Die Auskunft des Zürcher Gemeinderats hat indessen nicht nur Auswirkungen auf die Struktur der «Maurmer Post», sondern auch auf die «Maurmer Zeitung». Das Konkurrenzprodukt erscheint seit Juni monatlich.
Die Zeitung, herausgegeben von einem Verein, sieht sich als unabhängige Stimme in der Gemeinde. Verantwortlich für die Redaktion ist Thomas Renggli, der ehemalige Chefredaktor ad interim der «Maurmer Post».
Der Verein forderte in einer Einzelinitiative, dass er die Gemeindezeitung künftig selber herausgibt. Das sollte die Unabhängigkeit der Publikation sicherstellen. Die Gemeinde hätte zur Deckung der Kosten aber jährlich einen Betrag von 275’000 Franken zahlen müssen. Zum Vergleich: Im Budget 2025 der Gemeinde Maur ist für die «Maurmer Post» ein Betrag von 455’000 Franken vorgesehen.
Für den Gemeinderat steht aber auch dieses Konstrukt mit der «Maurmer Zeitung» im Widerspruch zu geltendem Recht. «Die journalistischen Ansprüche und Ziele, wie sie in der Initiative beschrieben sind, dürfen nicht mit öffentlichen Geldern finanziert werden», hält er fest. Er hat die Initiative deshalb für ungültig erklärt. Dieser Entscheid ist noch nicht rechtskräftig.
Dass die Massnahmen für die «Maurmer Post» etwas mit der Initiative zu tun haben, streitet Gemeindepräsident Keller ab. «Die Anpassungen waren nötig, um die Rechtsunsicherheiten bezüglich der Herausgabe der ‹Maurmer Post› auszuräumen», sagt er. «Sie stehen in keinem Zusammenhang mit der Einzelinitiative.»