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«Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, freue ich mich auf den nächsten Tag»

Wer in und um Uster ein Instrument spielt, kam an André Nussbaumer nicht vorbei. Seit mehr als 50 Jahren steht der 77-Jährige täglich in seinem Laden.

Seit mehr als 50 Jahren gibt André Nussbaumer den Rhythmus in Andy's Music Shop an. Doch in drei Jahren soll Schluss sein.

Foto: Sandro Compagno

«Jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, freue ich mich auf den nächsten Tag»

Andy’s Music Shop in Uster

Nein, die 77 Jahre sieht man André Nussbaumer nicht an. Seit mehr als 50 Jahren steht das Ustermer Original täglich in seinem Laden an der Seestrasse.

Für das Foto nimmt André Nussbaumer die Drum-Sticks nochmals in die Hand, setzt sich hinter ein Schlagzeug in seinem Geschäft in Uster und spielt ein paar Takte: «Aber Musik mache ich heute nicht mehr.» Dabei hatte mit den Sticks alles angefangen. Mit dem Tambourenverein der Stadt Uster, um genau zu sein.

Rhythmusinstrumente haben das Leben von André Nussbaumer geprägt. Als Autodidakt brachte er sich das Trommeln bei. Später spielte er in verschiedenen Bands. «Immer Unterhaltungsmusik. Nur damit liess sich Geld verdienen.»

Es waren Zeiten, als es noch keine Clubs gab, sondern Dancings, wo die jungen Leute am Wochenende das Tanzbein schwangen. Foxtrott, Cha-Cha-Cha und Jive statt House oder Hip-Hop. Jahrelang gab André Nussbaumer in der Terry Kunz Band den Takt an. Die Tanz- und Unterhaltungsmusiker hatten weit über die Region hinaus einen guten Namen.

Ich darf gar nicht sagen, was ich schon alles gemacht habe.

Musik war schon damals das Leben von André Nussbaumer – doch leben konnte der Familienvater davon nicht. «Ich darf gar nicht sagen, was ich schon alles gemacht habe», sagt er mit einem Lachen und beginnt mit der Aufzählung: «Ich habe im Akkord auf Baustellen gearbeitet, in einer Wäscherei Hemden gebügelt, einen Gemüseladen geführt, Zigaretten und Marroni verkauft …» Er sei immer clever gewesen, sagt der 77-Jährige über sich: «Ohne genau zu wissen, wie und wieso.»

Gleichzeitig zu seinen verschiedenen Broterwerben hat er Musikschülerinnen und -schülern rund um Uster das Schlagzeug- und Gitarrespielen beigebracht. Und damit begann auch seine Geschichte als Geschäftsmann. Denn seine Schüler brauchten Instrumente, und André Nussbaumer konnte sie besorgen.

1972 bezog er seinen Laden an der Zürichstrasse, wo er 40 Jahre lang blieb. Vor neun Jahren folgte der Umzug an die Seestrasse, weil am alten Standort zwei Hochhäuser mit Seniorenresidenz entstanden. «Am Anfang machte ich mir Sorgen, nicht mehr im Zentrum zu sein», erzählt er. Seine Befürchtungen waren unbegründet: «Der neue Standort mit sieben Parkplätzen direkt vor dem Haus entpuppte sich als Glücksfall. Wir machen hier 30 Prozent mehr Umsatz.»

An der Seestrasse verkauft und vermietet André Nussbaumer Schlagzeuge, E-Pianos, Gitarren und entsprechendes Zubehör: Er gehört damit zu den Letzten seiner Art. Das Musikhaus Jecklin in Zürich gibt es nicht mehr, der Seedamm Music Store in Pfäffikon SZ ist ebenfalls am Ende, und Musik Hug hat die Vermietung von Instrumenten aus dem Angebot gestrichen.

Der Mieter von heute ist der Käufer von morgen.

«Miete lohnt sich erst ab zwei Jahren», sagt auch André Nussbaumer. Aber er weiss genau: «Der Mieter von heute ist der Käufer von morgen.» Zu seinen Kunden gehören neben Privaten vor allem auch Schulen und Kirchgemeinden.

Seit mehr als 50 Jahren führt André Nussbaumer nun schon seinen Music Shop in Uster. «Und jeden Abend, wenn ich ins Bett gehe, freue ich mich auf den nächsten Tag.» So, wie er die Musik braucht, so braucht er die Menschen in seinem Laden.

Und doch: Mit 80, also in rund drei Jahren, soll Schluss sein. Eine mögliche Nachfolgelösung steht seit mehr als 20 Jahren an seiner Seite. Marcel Munz hatte schon die Lehre als Detailhandelsfachmann bei André Nussbaumer absolviert und ist heute seine rechte Hand.

Ein älterer und ein junger Mann stehen in einem Musikgeschäft vor einer Wand, an der zahlreiche Gitarren hängen.
André Nussbaumer mit seinem designierten Nachfolger Marcel Munz.

Bleibt die Frage, wie es André Nussbaumer geschafft hat, noch mit 77 Jahren auszusehen wie ein knapp 60-Jähriger: «Viel Bewegung. Früher bin ich im Sommer Rad und im Winter Ski gefahren.» Heute hält ihn sein Langhaardackel auf Trab. Und noch etwas: «Ich habe nie geraucht und nie getrunken.» Clever halt.

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