Israelische Firma will im Valley Steaks aus Kuhzellen züchten
In Kemptthal soll ein neues Zentrum für kultiviertes Fleisch entstehen. Unternehmen wie die Migros investieren – die Politik rechnet mit einer baldigen Zulassung.
Fleisch aus dem Labor, made in Switzerland: Unter dem klingenden Namen «The Cultured Hub» werden seit Ende vergangenen Jahres junge Unternehmen im Kemptthal zwischen Zürich und Winterthur dabei unterstützt, eine industrielle Produktion für künstliches Fleisch zu errichten.
Am Dienstag wurde bekannt, dass sich dort ein dafür bekanntes Unternehmen niederlässt: die israelische Firma Aleph Farms, die zu kultiviertem Rindfleisch forscht.
Das Unternehmen unterzeichnete an diesem Tag mit The Cultured Hub, hinter dem die Unternehmen Givaudan, Bühler und Migros stehen, feierlich eine Absichtserklärung. Das Unternehmen will im Kemptthal eine europäische Produktionsbasis errichten, um von dort aus eine zukünftige Expansion in weitere europäische Märkte voranzutreiben.
Kultiviertes Fleisch besteht aus Tierzellen, die zu Fleisch weiterverarbeitet werden – im Fall von Aleph Farms Rinderzellen. Die Hersteller werben neben «kulinarischen Erlebnissen» vor allem mit dem Tierwohl und geringeren Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Zulassung für Aleph Farms steht noch aus
Dass Aleph Farms seine Europa-Produktion nach Zürich verlegt, bedeutet nicht, dass es bald Laborfleisch in der Migros zu kaufen gibt. Denn bisher ist dieses in der Schweiz nicht zugelassen. Die Migros und Aleph Farms stellten vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) für ein kultiviertes Rindersteak. Noch hat das Produkt die Zulassung nicht erhalten.
Das könnte sich allerdings bald ändern: Carmen Walker Späh, Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich, sagte an der Medienkonferenz am Dienstag, sie glaube, dass die Zulassung «in den nächsten Monaten» erfolgen könnte. Sie habe sich in Bern für das Projekt stark gemacht und sei auch an die zuständige Bundesrätin gelangt. «Ich bin sehr optimistisch, dass eine Zulassungsbewilligung bald erfolgen wird.»

Im Kemptthal stehen die Maschinen bereits startklar. In einem ersten Schritt wird derzeit an der Qualität der Zellen geforscht, die den Tieren per Biopsie entnommen werden. In einem weiteren Laborraum werden diese Zellen gefüttert und wachsen.
Schliesslich steht in einem dritten Raum eine Anlage, mit der – je nach Fleischsorte – 10 bis 100 Kilogramm Fleisch pro Woche hergestellt werden. Neben Aleph Farms nutzen diese Anlagen auch die Firmen Innocent Meat und Roslin, die unter anderem an Schweine- und Lammfleisch sowie Fisch forschen.
Die Kapazitäten der Anlage, so The Cultured Hub, reichen fürs erste völlig aus. Schliesslich soll das kultivierte Fleisch – sofern die Zulassung erfolgt – nicht sofort in den Massenverkauf kommen. Die Migros plant, die Produkte erst in ausgewählten Restaurants zu testen. Auch der Preis sei derzeit nicht wettbewerbsfähig für den Verkauf im Supermarkt, so The Cultured Hub.

Die Hoffnungen sind gross
Doch mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten soll langfristig auch der Preis sinken – und das kultivierte Fleisch massentauglich werden. Die Migros ist seit 2019 ein strategischer Partner von Aleph Farms und hat auch in das israelische Unternehmen Supermeat investiert, das sich auf kultiviertes Hühnerfleisch fokussiert.
Als Givaudan, Bühler und Migros sich vergangenes Jahr zusammengeschlossen hatten, versprachen die Gründer des Cultured Hubs nichts weniger als eine Revolution in der Lebensmittelbranche: Die Eröffnung sei ein entscheidender Moment für die weltweiten Anstrengungen in der nachhaltigen Lebensmittelproduktion, liess sich Firmenchef Yannick Gächter bei der Eröffnung zitieren.
Givaudan ist der grösste Akteur im Konsortium und weltweit einer der grössten Hersteller von Aromen, Duftstoffen und kosmetischen Wirkstoffen. Der Industriekonzern Bühler baut Anlagen für die Lebensmittelindustrie.

Die Unterstützung der Politik hat das Konsortium. Carmen Walker Späh versprach am Dienstag, der Kanton werde auch künftig dafür sorgen, die Rahmenbedingungen für Forschung in der Biotechnologie sicherzustellen.
Die Ansiedlung von Aleph Farms sei kein Zufall, sondern Teil einer langfristigen wirtschaftlichen Diversifizierungsstrategie. «Wir bieten die idealen Bedingungen für innovative Unternehmen. Europa und die Schweiz haben die Aufgabe, eine bezahlbare, sichere und nachhaltige Versorgung sicherzustellen.»
Die Niederlassung dieser Firmen bringe auch Arbeitsplätze, betont Walker Späh. Aleph Farms will in einem ersten Schritt 15 Personen im Kemptthal anstellen – eine Zahl, die in den nächsten Jahren deutlich wachsen dürfte, wie Schweiz-Chef Thomas Patzko betont.
Kemptthal: Alles begann mit Maggi
Im Kemptthal hat Lebensmittelproduktion eine lange Tradition. Vielen ist es noch als ehemaliges Maggi-Areal geläufig, die bekannte Würze wurde 1886 erfunden. 1947 fusionierte Maggi mit Nestlé, 2002 verkaufte Nestlé die Fabrik in Kemptthal an Givaudan.
Im Kemptthaler Valley ist mit Planted eine weitere Firma angesiedelt, die mit Fleischersatzprodukten in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist. Im vierten Jahr nach ihrer Gründung (2019) zählte die Firma bereits über 200 Mitarbeitende.

Ob das Wachstum bei Aleph Farms und dem Cultured Hub genauso gross sein wird, hängt vor allem von den Konsumentinnen und Konsumenten ab. Laut einer Onlinebefragung des zur Migros gehörenden Gottlieb-Duttweiler-Instituts vom letzten Jahr halten es 66 Prozent der befragten Schweizerinnen und Schweizer für unwahrscheinlich, dass sie Laborfleisch probieren würden.
Wie wichtig der Geschmack der Kundinnen und Kunden ist, erfuhr die Migros vor einigen Jahren, als sie Produkte aus Insekten auf den Markt bringen wollte, wie Riegel und Burgerpattys. Mehlwürmer, Wanderheuschrecken und Hausgrillen wurden zwar schon 2017 in der Schweiz als Lebensmittel zugelassen – doch die Vorstellung, diese als Burger zu verspeisen, ist den meisten zu abwegig. Die Produkte sind nach wie vor nur für ein Nischenpublikum interessant.