Gesellschaft

Bäckereiunternehmer zeigt Betrieb

«Ich war wenig begeistert von einer Konditorlehre»

Die Bäckereien von Ernst Hotz sind über die gesamte Region verstreut. Bei einem Rundgang durch sein Hauptquartier redet der Dübendorfer Patron über Diebstähle, Foodwaste und die schwierige Suche nach einem Nachfolger.

«Jetz muess i au no schaffe», meinte Bäckereibesitzer Ernst Hotz, als er für dieses Foto die Harasse heranschleppen musste.

Foto: Christian Merz

«Ich war wenig begeistert von einer Konditorlehre»

Bäckereiunternehmer zeigt Betrieb

Die Bäckereien von Ernst Hotz sind über die gesamte Region verstreut. Bei einem Rundgang durch sein Hauptquartier redet der Dübendorfer Patron über Diebstähle, Food-Waste und die schwierige Suche nach einem Nachfolger.

Im Flur, der zu den Büros der Bäckerei Hotz an der Neuhausstrasse in Dübendorf führt, steht der Chef. Ernst Hotz, Inhaber von neun Filialen im Kanton, referiert im karierten Hemd, in braunen Hosen und Turnschuhen vor eingerahmten Fotos. Sie zeigen die Historie des Familienunternehmens. Man merkt, dass Hotz den Vortrag schon zigmal für andere Besucher gehalten hat. «Das ist die Geschichte der Familie Hotz. So hat der Urgrossvater angefangen: mit Ross und Wagen.»

In der Backstube des Hauptgeschäfts pfeift eine Maschine, in einer Ecke formen zwei Mitarbeiter Gipfeli. Hotz geht zu den beiden hin und nimmt ein missratenes Gipfeli in die Hand, welches von einem Mitarbeiter ausgesondert wurde und später zu einem anderen Gebäck geformt wird.

Als der Fotograf dazustösst und Bilder machen will, fragt Hotz die Mitarbeiter um deren Einverständnis. Er sei eh schon auf der Website drauf, sagt der eine. «Fotografie Problem?», fragt Hotz den anderen sicherheitshalber noch einmal. «No, kein Problem.»

Schnell alternde Gipfeli

Im Gegensatz zur industriellen Produktion werden hier die meisten Arbeitsschritte noch von Hand gemacht. Das sei ihm wichtig, sagt Hotz. «Wir legen Wert darauf, ein handwerklicher Betrieb zu sein.» Mit den Gipfeli mache das Unternehmen den grössten Umsatz. «Gleichzeitig ist es das Produkt, das am schnellsten altert. Ein vier Stunden altes Gipfeli können wir bereits nicht mehr verkaufen.» Das Thema Food-Waste sollte beim Rundgang noch ausführlich zur Sprache kommen.

Eine Gipfeli-Produktion in einer Bäckerei.
Viel Handarbeit: Mit den Gipfeli macht die Bäckerei Hotz den grössten Umsatz.

Gipfeli sind auch bei Nachtschwärmern beliebt, die am Wochenende an die Backstubenfenster klopfen, um das Gebäck zu kaufen.

Und wann hat Ernst Hotz zuletzt hier ein Gipfeli gebacken? «Ein bisschen gemein die Frage», sagt er augenzwinkernd. Denn er habe Konditor-Confiseur gelernt, Pralinés und Torten seien eher sein Metier. 1975 schloss er seine Lehre ab, begonnen hatte er sie eigentlich widerwillig. «Ich hätte lieber das KV gemacht.» Doch der Vater habe ihn von der Konditorlehre überzeugt. «Ich war wenig begeistert davon», sagt Hotz, der dennoch mit Note 5,8 abschloss.

Die Wanderjahre von Hotz

Nach der Lehre in einem Familienbetrieb in Erlenbach habe er noch in anderen Orten Berufserfahrung sammeln wollen, beispielsweise im Tessin. Sein Vater pfiff ihn jedoch drei Jahre nach Lehrabschluss mit den Worten zurück: «Wir brauchen dich hier.»

Im Familienbetrieb war dann der junge Hotz lieber an der Front als in der Backstube. Mit «Front» meint er hinter dem Ladentresen.

Vielleicht bin ich eine aussterbende Rasse.

Ernst Hotz, Bäckereiunternehmen

Das letzte Mal ein Gipfeli hergestellt, um auf die Frage zurückzukommen, habe er 1989, kurz vor dem Umbau des Hauptsitzes an der Neuhausstrasse. «Danach achtete ich hauptsächlich darauf, dass die Rädchen im Betrieb richtig ineinandergreifen.» Er könne zwar über die verschiedenen Produktionsschritte aller Backwaren erzählen, es fehle ihm aber an der Routine, um sie herzustellen.

An seiner Front ist Hotz noch heute am liebsten. Jeden Sonntag sei er im Hauptgeschäft, fülle Brote, Zöpfe und Gipfeli in die Verkaufsgestelle oder bediene die Kunden.

Ansonsten ist der 68-Jährige ein Patron, wie er im Buche steht. «Es wird keiner eingestellt, den ich nicht vorher persönlich in meinem Büro begrüsst habe.» Er macht in der Backstube und seinen Filialen beinahe täglich Visite. «Ich achte penibel auf die Sauberkeit.» Es soll auch nichts herumstehen, das nicht hierhergehört. «Ich bin allergisch auf PET-Flaschen. Die Mitarbeiter bekommen von uns Gratisgetränke, aber getrunken wird im Aufenthaltsraum.»

Ernst Hotz zeigt das Lager, wo bis zu zwölf Tonnen Mehl aufbewahrt werden können. Das wird oberirdisch angeliefert. Es sei auch schon vorgekommen, dass der Lieferant eine Sorte Mehl ins falsche Silo gefüllt habe, worauf er alles wieder habe absaugen müssen.   

24 bis 72 Stunden lassen die Bäcker den Teig ruhen. «So, wie das der Grossvater früher gemacht hat.» Früher hätten die Grossverteiler den Teig für ihre Backwaren ohne Ruhepause geformt und gleich gebacken. «Viele Konsumenten hatten Probleme, dieses Brot zu verdauen.» Schuld daran sind die Enzyme in den Getreiden, die gar nicht mehr die Zeit haben, um sich abzubauen.

Bäckereikisten als Diebesgut

Fürs Foto sollen Harasse, die mit einem Zettel «Stopp, nicht anfassen!» markiert sind, aufs Bild. Ernst Hotz schleift einen Stapel über den Boden. «So viel schaffen musste ich schon lange nicht mehr.» Nach dem Shooting stellt er die Harasse zurück. «Frau Pommer», ruft Hotz einer Mitarbeiterin zu, «wir haben Ihnen noch die Boxen geklaut.»

Alle schreien gegen Food-Waste, aber eigentlich sind wir selber schuld.

Ernst Hotz, Bäckereiunternehmer

Die Harasse sind abgezählt und sorgsam aufgereiht. Deshalb soll sie auch niemand ausser Frau Pommer anfassen. Die Boxen sind zudem unterschiedlich gekennzeichnet, jede Farbe steht für eines der neun Geschäfte, damit die Chauffeure wissen, wohin sie liefern müssen: für den Hauptsitz Blau, Gelb für Fällanden und Weiss für Schwerzenbach. In den Boxen werden die Backwaren in die Filialen ausgeliefert, aber auch in Hotels, Restaurants oder Altersheime.

Einst waren die Boxen braun und weitherum beliebt, zum Ärger von Hotz. «Früher sind uns jährlich 200 bis 400 Kisten geklaut worden.» Er habe keine Ahnung, wer da zugelangt habe und wofür die Harasse gebraucht worden seien. Manchmal habe er einen bei einer Fahrt durch die Gemeinde vor einem Haus entdeckt und gleich in sein Auto geladen.

Problem Lebensmittelverschwendung

Im Lager stapeln sich auch einige Kisten mit hartem Brot. Es ist der Bodensatz der modernen Konsumgesellschaft. Oder in den Worten von Ernst Hotz: eine Neuerscheinung. «Alle schreien gegen Food-Waste, aber eigentlich sind wir selber schuld.» Konsumenten erwarteten, dass bis kurz vor Ladenschluss das volle Warensortiment angeboten werde. «Wenn manche ihr Lieblingsbrot nicht mehr bekommen, reklamieren sie.»

Eine Bäckereiangestellte arbeitet in einer Bäckerei.
Die Backstube in Dübendorf befindet sich im Untergeschoss. Dank dem Innenhof und entsprechender Glasfront kommen die Mitarbeiter zumindest im Sommer früh zu Tageslicht.

Der Müller, der das Mehl bringe, nehme das harte Brot mit, vermahle es und gebe es den Bauern weiter, so Hotz. Ein Teil lande aber leider in einer Kompogas-Anlage. Übrig gebliebene Sandwiches, Salate oder Patisserie-Produkte könnten hingegen täglich an den Verein Äss-Bar, der sich dem Kampf gegen Food-Waste verschrieben habe, weitergegeben werden.

«Mein Vater würde sich im Grab umdrehen, würde er diesen Stapel von übrig gebliebenem Brot sehen. Für ihn gab es damals nichts Schlimmeres.»

Die Haltung der Grossverteiler, die bis abends drei Viertel des Sortiments anbieten wollten, hätten die Bäckereien unter Zugzwang gesetzt. «Sonst hätten wir ab Mitte Nachmittag alle Kunden an die Grossverteiler verloren.» Heute wüssten sie schon morgens, dass sie zwischen fünf und zehn Prozent zu viel Ware produzierten, die sie abends nicht mehr verkaufen könnten.

Früher hätten sich die Kunden nicht über fehlendes Brot beschwert, sondern einfach eine Bestellung für den nächsten Tag aufgegeben. Solche Brotbestellungen würden heute nur noch selten gemacht.

Mitstreiter und Nachfolgersuche

Konkurrenz erhält Hotz aber nicht nur durch Grossverteiler. Es buhlen auch andere Bäckereien um Kundschaft. Früher sei klar gewesen, dass sich die Betriebe nicht gegenseitig Personal abwerben oder in unmittelbarer Nähe eine Filiale eröffnen würden. Er habe beispielsweise erst eine Bäckerei in Uster eröffnet, nachdem dort die letzte geschlossen worden sei. Heute sei das anders. «Es zählen offenbar andere Werte, als miteinander zu reden. Vielleicht bin ich eine aussterbende Rasse.»

Ein Mann spricht mit einer Frau, die gerade Törtchen herstellt.
Ernst Hotz im Gespräch mit einer Mitarbeiterin, die gerade Törtchen herstellt.

In wessen Hände der Familienbetrieb einst fallen wird, weiss der kinderlose Bäckereiunternehmer noch nicht. «Ich will den Betrieb als Einheit verkaufen.» Eine Zerstückelung der Firma wolle er nicht. Angebote für einzelne Filialen habe er bereits erhalten und abgelehnt. Auch aus seiner Verwandtschaft finden sich keine Nachfolger. «Leider wollen auch meine Nichte und mein Neffe nicht übernehmen.»

Hotz zeigt noch die Garderoben der Angestellten, die fein säuberlich aufgeräumt sind. «Als ehemaliger Feldweibel will ich auch hier Ordnung haben. Das ist mir wichtig.»

Am Ende des Rundgangs lässt Hotz den Fotografen nicht springen, ehe er ihm nicht die Bilder im Flur gezeigt hat. «Das ist die Geschichte der Familie Hotz. So hat der Urgrossvater angefangen: mit Ross und Wagen.»

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