«Grosse Enttäuschung» – in welchen Weilern nicht mehr gebaut werden darf
Kleinsiedlungen im Tösstal und im Bezirk Pfäffikon
Der Regierungsrat hat entschieden, welche Siedlungen aus der Bauzone fallen sollen. Das führt in einigen betroffenen Gemeinden zu Unmut. Andere sind zufrieden.
Winterthur und die Region sind geprägt von kleinen malerischen Weilern: Schmidrüti, Schnasberg, Steinen und wie sie alle heissen.
Kürzlich hat der Zürcher Regierungsrat entschieden, welche Siedlungen der Weilerzone oder der Landwirtschaftszone zugeteilt werden und somit aus der Bauzone fallen und welche nach wie vor im Baugebiet, sprich in der Kernzone, bleiben dürfen. Übergeordnetes Ziel der Massnahme ist es, die Zersiedelung zu stoppen. Der Kanton musste sich bundesrechtlichen Vorgaben anpassen.
Als die Baudirektion die strengeren Bauregeln für diverse Kleinsiedlungen ankündigte, war die Aufregung gross: Von Enteignung war damals die Rede. Denn Neubauten sind in der neuen Weilerzone nicht mehr zulässig. Alle baulichen Veränderungen oder Umnutzungen müssen zum Charakter des Weilers passen. Und: Sämtliche Baugesuche werden vom Kanton überprüft.
Ärger im Tösstal
Inzwischen hat sich die Aufregung etwas gelegt. Die Zuteilung des Regierungsrats warf öffentlich keine grossen Wellen mehr. Das heisst aber keineswegs, dass alle Gemeinden plötzlich einverstanden wären, wie einige Anfragen belegen. «Die Enttäuschung ist gross», sagt etwa der Gemeindeschreiber in Turbenthal, Jürg Schenkel.
Und die Tösstaler Nachbargemeinde Wila spricht weiterhin von einem «massiven Eingriff ins Eigentum». Beide Gemeinden sind mit ihren zahlreichen Kleinsiedlungen überdurchschnittlich stark betroffen. Beiderorts sollen fünf Aussenwachten neu der Weilerzone zugeteilt werden.
Wila hatte sich vergeblich dagegen gewehrt, dass Talgarten in der Kernzone bleibt, setzte sich aber immerhin erfolgreich für Steinen ein. Turbenthal wollte die Weiler Schmidrüti und Chalchegg in der Bauzone behalten, fand aber kein Gehör.
Erfolge in Illnau-Effretikon, Buch am Irchel und Elgg
Andere Gemeinden sind zufriedener. In Illnau-Effretikon werden «nur» fünf statt der ursprünglich sieben geprüften Siedlungen der Weilerzone zugeteilt, was die Erwartungen der Stadt erfüllt. Winterthur unterstützt die Zuteilung ebenfalls und lässt verlauten, diese sei nachvollziehbar und schlüssig. Dabei ist die Stadt mit zehn Siedlungen in der Weilerzone besonders stark betroffen, darunter etwa Radhof, Ricketwil oder Rossberg.

In Bauma werden zwar gleich elf Siedlungen der Weilerzone zugeteilt. Dort zeigt man sich mit dem Resultat aber ebenfalls «recht zufrieden», wie Felix Adelmeyer, Leiter Hochbau, sagt. «Bei einigen Orten gab es Erfolge, bei anderen nicht.» Bauma war vor allem bemüht, dass Gebiete nicht in die Landwirtschaftszone fallen. Ursprünglich waren acht Gebiete davon bedroht, nun sind vier einzelne Höfe betroffen. Darunter der Gasthof Sunnebad bei Sternenberg.
Aber die Siedlung Bliggenswil habe – dank Argumenten der Gemeinde – in der Kernzone gehalten werden können, sagt Adelmeyer. «Wir konnten am Ende also doch noch einiges bewirken.»
Erfolge können auch Buch am Irchel oder Elgg verbuchen. Der Weiler Tiefenstein in Elgg bleibt in der Kernzone, wofür sich Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli (SVP) starkgemacht hat.
Und in Buch am Irchel bleibt Desibach in der Bauzone, nachdem sich Gemeindevertreter mit Stellungnahmen und an Sitzungen «intensiv dafür eingesetzt haben», wie Gemeindeschreiber Simon Baumann wissen lässt.
Frust in Ossingen
Hart verhandelt wurde auch im Zürcher Weinland, und zwar um den Weiler Gisenhard in Ossingen, mit frustrierendem Ende für die Gemeinde: Die vergleichsweise grosse Siedlung bleibt in der Weilerzone. «Es ist uns schleierhaft, wie in einer Kernzone ohne Bauernbetrieb von einer landwirtschaftlichen Prägung gesprochen werden kann», sagt Gemeindepräsident Martin Widmer (FDP).

«Zudem wollten wir uns dafür einsetzen, dass eine bestehende Baulücke geschlossen werden kann.» Vor zirka 20 Jahren sei ein prägendes Gebäude abgebrannt und nicht mehr aufgebaut worden, weil die Parzelle dem Kanton gehöre. Nun sei ein Neubau nicht mehr möglich.
Trotz der Unzufriedenheit im Tösstal und in Ossingen: Die Zürcher Regierung ist den Gemeinden insgesamt entgegengekommen und hat weniger Kleinsiedlungen der Weilerzone zugeteilt als ursprünglich geplant. In der Region Winterthur sind es nun knapp 70 Kleinsiedlungen, die neu in die Weilerzone sollen. Neun sind neu der Landwirtschaftszone zugeteilt, sie befinden sich künftig also ebenfalls ausserhalb des Baugebiets.
Der Regierungsrat hat die Liste im Rahmen der Teilrevision 2022 des kantonalen Richtplans an den Kantonsrat überwiesen, der definitiv darüber entscheiden wird. Danach sind die Gemeinden dazu verpflichtet, Kleinsiedlungen umzuzonen.
148 Kleinsiedlungen fallen aus der Bauzone
Im ganzen Kanton Zürich landen 186 Kleinsiedlungen in der Weilerzone, wobei sich 54 davon schon heute in einer Landwirtschaftszone befinden. Insgesamt sind es kantonsweit also 148 Kleinsiedlungen, die zur Nichtbauzone werden sollen, wie Isabelle Rüegg von der Baudirektion auf Anfrage schreibt. «Allerdings lassen in vielen Gemeinden die heutigen Bestimmungen in der Bau- und Zonenordnung nicht viel mehr zu als die zukünftigen Weilerzonen.»
Dennoch kann es sein, dass in betroffenen Weilern Bauland verloren geht oder der Spielraum kleiner wird, was zu einem Wertverlust führt. Einen Überblick, um wie viel Land oder um welche Beträge es geht, gibt es nicht.
Dies, weil die konkreten Einschränkungen je nach Grundstück einzeln geprüft werden müssten, wie Rüegg weiter schreibt. «Eine solch detaillierte Überprüfung war bisher nicht möglich.» Konkrete Forderungen könnten Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer erst bei der tatsächlichen Zonenänderung durch die Gemeinde vorbringen.
Der Regierungsrat geht laut Rüegg aber davon aus, dass es kein Anrecht auf Entschädigungen gibt. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass diese Frage schliesslich gerichtlich überprüft werde.
Diese Kleinsiedlungen sollen neu in die Weilerzone
Altikon: Feldi, Oberherten
Bauma: Bächi, Felmis, Fluh, Gfell, Hinderberg, Hinter Tüfenbach, Niederdürstelen, Schindlet, Silisegg, Steishof, Vorder Tüfenbach
Brütten: Strubikon
Dinhard: Rietmüli
Elgg: Wenzikon
Elsau: Fulau, Oberschnasberg, Unterschnasberg
Hagenbuch: Egghof, Hagenstal Nord, Hagenstal Süd, Kappel, Mittelschneit, Unterschneit
Illnau-Effretikon: Agasul, Bietenholz, First, Horben, Mesikon
Lindau: Kleinikon
Neftenbach: Chälhof, Hinterhueb, Mittlerhueb
Ossingen: Burghof, Gisenhard, Langenmoos
Rickenbach: Hinter Grüt
Schlatt: Schuelwis, Waltenstein Berg
Seuzach: Forrenberg
Stammheim: Girsberg
Turbenthal: Chalchegg Nord, Chalchegg Süd, Gosswil, Ramsberg, Schmidrüti
Weisslingen: Schwändi
Wiesendangen: Buch, Oberbertschikon, Stegen
Wila: Ägetswil, Loch, Manzenhub, Ottenhub, Schuppis
Wildberg: Breiti
Winterthur: Mulchlingen, Grundhof, Ober Ricketwil, Oberer Radhof, Rossberg, Taa, Tal, Unter Ricketwil, Unterer Radhof, Vorder Rumstal
Zell: Lettenberg
Diese Kleinsiedlungen sollen neu in die Landwirtschaftszone
Hinzu kommen neun Weiler, die neu der Landwirtschaftszone zugeteilt werden sollen. Diese liegen somit ebenfalls ausserhalb des Baugebiets und unterliegen strengsten Regeln. Erlaubt sind in diesen Orten nur noch neue Bauten, die der Landwirtschaft oder dem Gartenbau dienen.
Bauma: Hinderberg 2, Hinterrossweid, Sonnenbad, Wis
Kleinandelfingen: Wäspersbüel
Marthalen: Nidermartel, Undermüli
Wila: Talgarten
Winterthur: Weiertal