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Gesellschaft

12 Länder in 24 Stunden

In Wetzikon gegründetes Start-up will Weltrekord brechen

Die Firma Simple Train lotet für den Versuch die Grenzen des europäischen Bahnnetzes aus. Bammel hat das Team vor der deutschen Infrastruktur: «Ein Risiko für sich.»

Das Team von Simple Train: Marius Portmann (Mitte) und Austin Widmer (rechts) sind zwei der Gründer. Ebenfalls auf dem Foto sind Saskia Bilang (stehend), Karin Hugentobler (sitzend links) und Sabeth Schaad.

Foto: Simple Train

In Wetzikon gegründetes Start-up will Weltrekord brechen

Die Firma Simple Train lotet für den Versuch die Grenzen des europäischen Bahnnetzes aus. Bammel hat das Team vor der deutschen Infrastruktur: «ein Risiko für sich».

Der Weltrekordversuch startet im Nachtzug nach Polen. Ziel: innert 24 Stunden zwölf Länder zu durchqueren. Das hat sich das Zürcher Start-up Simple Train vorgenommen; eine Firma, die sich seit fünf Jahren der Onlinebuchung von günstigen Zugtickets widmet – und in der Kanti Wetzikon ihren Ursprung fand.

Gründer Marius Portmann und Buchungsmitarbeiter Jakob Hediger wollen «die Grenzen des europäischen Bahnnetzes testen», wie es in einer Mitteilung heisst. Vor allem aber: Sie fechten den aktuellen Weltrekord an, der bei 11 Ländern liegt und seit 1993 ungebrochen ist.

Am Montag, 3. November, um 0.41 Uhr verlässt der Zug EN 407 den Bahnhof Zebrzydowice in Polen. Die Route führt über Tschechien, Österreich, Ungarn, die Slowakei, Deutschland, Italien, Liechtenstein, die Schweiz, Frankreich, Luxemburg und endet im Erfolgsfall am 4. November um 0.29 Uhr im belgischen Bahnhof in Arlon.

Die Idee hinter dem Experiment ist ein Marketing-Gag. «Wir wollen den Menschen zeigen, wie unkompliziert und klimaschonend man durch Europa reisen kann.» Das Unterfangen birgt dennoch einige Stolpersteine. Zwei davon hat Simple Train aus dem Weg geräumt.

Anschluss in Mulhouse gefährdet Weltrekord

Zunächst sei es schwierig gewesen, überhaupt 24 einwandfreie Streckenstunden zu finden. «Ständig war eine der Strecken wegen Arbeiten gesperrt», so Portmann. Dann galt es, Tickets von sieben verschiedenen Plattformen zu beschaffen. «Die meisten Laien wären daran gescheitert. Da dies aber unser Kerngeschäft ausmacht, konnten wir hier natürlich nicht versagen.»

Menschen in Zügen
Mit dem Zug durch 12 Länder: Diesen Weltrekord wollen die Mitglieder von Simple Train Anfang November vollbringen.

Die grösste Krux erwartet das Team noch: Denn trotz zahlreicher Baustellen hat sich laut Portmann seit dem letzten Rekord vor 32 Jahren auf dieser Bahnlinie wenig entwickelt. Besonders grenzüberschreitende Zugverbindungen seien vernachlässigt worden. «Das heutige System ermöglicht einen neuen Rekord nur knapp.»

Über Erfolg oder Niederlage dürfte die Pünktlichkeit der Züge entscheiden. «Wir haben einige knappe Verbindungen.» In Mulhouse bleiben den beiden Männern zwei Minuten für den Anschluss. Dann sei da natürlich die deutsche Infrastruktur: «ein Risiko für sich». Sein Umfeld habe ihn schon gefoppt mit dem Vorurteil der notorisch verspäteten Deutschen Bahn, die sich auf die Fahrt durchs Deutsche Eck auswirken könnte: «Sobald ihr durch Deutschland fährt, ist es eh vorbei.»

Angenommen, das Team schafft es bis in die Schweiz, haben Interessierte die Möglichkeit, Portmann und Hediger zwischen Buchs SG und Basel SBB im Speisewagen zu begleiten. Oder man kann den Rekordversuch auf Instagram verfolgen.

Simple Train reitet Erfolgswelle

Simple Train sucht nicht zum ersten Mal mit einer Werbeaktion nach Aufmerksamkeit. Nach der Auszeichnung mit dem Zürcher Zukunftspreis wollten die neun Mitarbeitenden «das Momentum» nutzen, wie Geschäftsleitungsmitglied Saskia Bilang damals sagte. Die Firma, die ihre Buchungen eigentlich online abwickelt, eröffnete im April am Bahnhof Wipkingen einen temporären Pop-up-Bahnschalter.

Die Idee, ein Zeichen gegen die Schliessung vieler Bahnschalter zu setzen, habe gefallen, so Portmann. Solche Aktionen bereiteten auch dem Team Freude: «Sie haben einen motivierenden Effekt.» Der ist nötig. Die letzten fünf Jahre seien streng gewesen, räumt der Gründer ein. Auch wenn ihr Start-up wunschgemäss von einer Erfolgswelle erwischt worden sei: «Anstrengend ist es trotzdem.»

Finanziell hat Simple Train zwar von mehreren Fördergeldern profitiert: Der Migros-Pionierfonds, die Klimastiftung Schweiz sowie der Klimafonds Stadtwerk Winterthur unterstützen das Start-up.

Um bei der Arbeit selbst nicht an den Anschlag zu geraten, musste das Team aber zunächst eine wichtige Erkenntnis machen: Der Schweizer oder die Schweizerin bucht im Frühling und Sommer längere und kostspielige Ferien. Während dieser Monate galt es, die Ressourcen zu erhöhen und selbst auf freie Tage zu verzichten. Im Herbst und Winter hingegen bleibt Zeit für eigene Ferien, Administratives – oder einen Weltrekordversuch.

Portmann sagt: «Vielleicht klappt es, und wir beenden das Jahr mit einem Erfolg. Oder wir stranden morgens um zwei Uhr am ersten Bahnhof.» Dann habe Simple Train wenigstens etwas dazugelernt für die Kundschaft: mehr Zeit einberechnen.

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