Wie ein Oberländer Start-up Bahnreisen einfacher machen will
Zug statt Flugzeug?
Von komplizierten Routen bis zur automatischen Buchung: Die Oberländer Buchungsplattform Simple Train will jetzt richtig durchstarten – und sich auch ausserhalb ihrer Nische behaupten.
Mit Zug und Fähre nach Marokko, dann zurück nach Spanien, mit Zug und Fähre nach England und schliesslich von Holland mit dem Zug zurück in die Schweiz. «Das war schon eine spezielle Reise, die wir für eine Familie gebucht haben», sagt Marius Portmann.
Er kennt sich wohl wie kaum ein anderer im Dschungel der europäischen Bahngesellschaften aus. Nach der Matura bot er auf einer Facebook-Seite die Ticketsuche für kompliziertere Bahnreisen an – die Nachfrage war gross, und so entwickelte sich daraus eine Business-Idee.
Umgesetzt hat er sie mit der Buchungsplattform Simple Train. Diese hat er zusammen mit zwei Kollegen gegründet, die er von der Kantonsschule in Wetzikon kannte. Das war 2020.
Heute hat das Unternehmen bereits über 10’000 Buchungen getätigt, verfügt über eigene Schnittstellen mit den fünf wichtigsten Bahngesellschaften Europas – und hat seit November auch eine technisch hochwertige Plattform.
Denn voher operierte das Start-up vor allem in einer Nische. Jede Buchungsanfrage wurde von Hand abgefertigt. Egal, ob eine komplizierte Reise mit Fährverbindung und Hundeticket nach Schweden oder einfach für zwei Personen Zürich–Mailand retour mit Halbtax.
Nun erkennt das System automatisch, ob die Buchung besser händisch oder auch automatisch getätigt werden kann. «Das macht uns bei den automatisierbaren Reisen konkurrenzfähig», ist Austin Widmer überzeugt, der ebenfalls zum Gründungsteam gehört.
So will es Simple Train auch mit den grösseren Bahngesellschaften und anderen Buchungsplattformen aufnehmen. «Wir haben jetzt neue Möglichkeiten.»
Grosses Wissen
Die Jungunternehmer hoffen, dass Kunden künftig auch «einfachere» Zugreisen, wie von Uster nach Berlin, über ihre Plattform kaufen. Die SBB könnten laut eigenen Angaben mit ihrem Angebot bei Auslandsreisen etwa 97 Prozent abdecken. «Im Vergleich zu ihnen bieten wir aber auch Gruppenreisen, Velotickets und Hundebillette an», ergänzt Austin Widmer.
Diese Zusätze waren für die Bundesbahnen nicht mehr interessant – das Gleiche gilt beispielsweise auch für Zugreisen nach Spanien. Solche kann man bei Simple Train zwar auch noch nicht automatisch buchen. «Dort wissen wir aus unserer Erfahrung, dass es Verbindungen gibt, die das System nicht findet», erläutert Widmer.
Denn die Schnittstellen der einzelnen Bahngesellschaften funktionieren in Europa noch nicht einwandfrei. Das Resultat: ein oft ungewünscht langer Aufenthalt in Montpellier in Südfrankreich. Damit dies nicht passiert, buchen die Mitarbeitenden von Simple Train diese Verbindung noch individuell. «Denn vor allem wenn es die erste längere Zugreise ist, wollen wir, dass dies eine gute Erfahrung wird», betont er.
Auf die Vorteile hinweisen
Zugreisen, da sind Widmer und Portmann überzeugt, haben viel zu bieten. Und dies nicht nur für Personen, die umweltfreundlich reisen wollen. «Oftmals hören wir Sätze wie: ‹Das wäre nur eine Stunde mit dem Flugzeug›», sagt Portmann.
Dabei gehe vergessen, dass nicht jeder direkt beim Flughafen wohnt. «Für viele Destinationen ist der Zug einfach praktischer und schneller», ist er überzeugt. Als Beispiel nennt er zahlreiche Badeorte in der Toskana, die mit einmal umsteigen in Mailand direkt mit dem Zug erreichbar sind.
Für Austin Widmer spricht das auch für den Komfortfaktor einer Zugreise: «Für viele Leute ist die Situation am Flughafen mit Sicherheitskontrollen und so weiter anstrengend.» Da sei es einfacher, in Wetzikon in die S-Bahn zu steigen. «Und dann ist es auch egal, ob der Koffer 15 oder 16 Kilogramm schwer ist.»
Jetzt müssen sie sich behaupten
Beim Gespräch wird deutlich: Zugfahren, das ist für Widmer und Portmann nicht nur eine Geschäftsidee, sondern auch eine Leidenschaft. Moralprediger wollen sie aber nicht sein. «Wir sagen niemandem, dass er sich für eine Flugreise schämen muss», betont Widmer. «Wir sind am Ende des Tags ein Business, das eine Dienstleistung anbietet.»
Trotzdem ist klar, dass Simple Train in den Anfängen von der Klimabewegung profitieren konnte. Nun sind die Anfangstage des Start-ups vorüber, jetzt gilt es, sich im Markt zu etablieren. «Wir sind jetzt an einem kritischen Punkt», meint Portmann.
Selbsttragend ist das Unternehmen noch nicht. «Die neue Buchungsplattform aufzubauen, war teuer – und auch ein Wagnis», sagt Widmer. Doch für die Weiterentwicklung des Unternehmens war es ein wichtiger Schritt.
Nun gilt es, das System weiter zu verbessern und neue Märkte zu bespielen. Kürzlich hat Simple Train 16’000 Franken im Rahmen des Zürcher Zukunftspreises erhalten. Auch dieses Geld fliesst in den Ausbau des Systems.
Pläne und Verhandlungen gebe es viele, sagt Portmann. Zu viel verraten wollen die beiden aber noch nicht. Sie sind aber überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein: «Wir haben eine tolle Community und Leute, die hinter uns stehen, das motiviert uns.»
Pop-up in Wipkingen
Bald wagt das Team von Simple Train auch ein neues Abenteuer. Ab dem 29. April 2025 betreibt es im ehemaligen Bahnreisezentrum am Bahnhof Wipkingen einen Pop-up-Bahnschalter.
Während zweier Monate berät das Buchungsteam seine Kundschaft damit nicht nur digital, sondern direkt vor Ort. (bes)