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Aus dem Stall auf den Laufsteg in Hinwil: Darum prämiert man schöne Kühe

Ein pralles Euter, eine ansprechende Statur – die Gründe für eine Kuh-Prämierung sind vielseitig. Wir fragen uns: Wer sagt eigentlich, wer die schönste Kuh im Lande ist? Und warum will man eine «Miss» im Stall?

Andrin Ledergerber ist seit drei Jahren Experte an Viehschauen. Er entscheidet, welche Kuh die Schönste ist.

Foto: Marie Fredericq

Aus dem Stall auf den Laufsteg in Hinwil: Darum prämiert man schöne Kühe

Ein pralles Euter, eine ansprechende Statur – die Gründe für eine Kuh-Prämierung sind vielseitig. Wir fragen uns: Wer sagt eigentlich, wer die schönste Kuh im Lande ist? Und warum will man eine «Miss» im Stall?

Regen macht schön. Und obwohl es an diesem Mittwochvormittag aus Kübeln goss, hatte es auf dem Hinwiler Dorfplatz eigentlich niemand nötig, nass zu werden. Denn die Schönsten der Schönen waren bereits auf dem Platz.

Mit Blumen geschmückt, das Fell gepflegt und die Hufe poliert: Die Kühe, die am 100-Jahr-Jubiläum der Viehschau im Dorfzentrum einliefen, sind der ganze Stolz der Landwirte und Ergebnis jahrzehntelanger Zucht, Hingabe und Leidenschaft.

Dass sich die Milchbauern über einen Preis für die schönste Kuh freuen, kann man ja noch nachvollziehen. Aber wer entscheidet denn überhaupt, welches Euter denn nun das beste ist? Welche Kuh den perfekten Körperbau hat und welche Braunaugen am schönsten funkeln?

So wird man Kuhexperte

«Die meisten von uns sind mit Kühen aufgewachsen, haben Interesse an Viehzucht und Schauen», sagt Andrin Ledergerber. Er ist seit drei Jahren als Schaurichter aktiv und unterhält selbst einen Bauernhof in Herrliberg.

Wer Interesse am Beruf des Schauexperten bekundet, kann einen Richterkurs absolvieren und sich anschliessend bewerben. «Dann wird man von den Viehschauen angefragt und darf als Richter die Kühe bewerten», erklärt er.

Zwischen 5 und 15 Schauen machen die meisten Schaurichter pro Jahr. «Das wird so gut bezahlt, dass wir nur für die Viehschauen im September und Oktober arbeiten müssen – und den Rest des Jahrs die Beine hochlegen», sagt Ledergerber scherzend. In Wahrheit wird man zwar für die Arbeit bezahlt, alle Experten arbeiten aber auch abseits der Viehschauen. «Nach der Arbeit gehen wir zurück auf unsere Höfe und kümmern uns um unsere eigenen Tiere.»

Die Leidenschaft für die perfekte Kuh

Fürs Geld macht man diese Aufgabe also nicht. Dafür kommt man aber ganz schön herum: «Wir haben Einblicke in verschiedene Regionen und Viehschauen mit den Züchtern und ihren Tieren – das ist schon sehr interessant», sagt Ledergerber. Er sei durchaus wegen der schönen Kühe da. Eine Leidenschaft fürs Tier seit klein auf.

Auch in puncto Zuchtfortschritt seien die Schauen aufschlussreich. Wenn auch nicht alle darauf abzielen: «Hinwil ist doch eher eine Gemeindeschau, aber an den regionalen oder nationalen Schauen geht es durchaus auch darum, Kälber oder Kühe für die Zucht zu erwerben.» Doch was braucht es denn für die perfekte Kuh?

Das sind die Kriterien für eine Prämierung

Die Kühe werden nach Rasse und Alter bewertet – da geht es vor allem um die Ästhetik, das Exterieur: Die Kuh, die am nächsten am Zuchtziel der Rasse liegt, gewinnt. «Bei einer Miss-Wahl wird ganz einfach die schönste Kuh gesucht», erklärt Ledergerber. Dabei achten die Schaurichter auf das Gesamtpaket der Kuh, wobei vor allem das Euter einen Grossteil der Beurteilung ausmache.

«Das Euter ist das Wichtigste, damit arbeitet man jeden Tag. Es muss gesund, gut aufgehängt, funktional und letztlich auch wirtschaftlich sein», erklärt David Frey aus Affoltern am Albis. Er ist seit zwei Jahren Schauexperte und bewertete an dieser Viehschau die Jersey-Kühe – eine Rasse, die sich in Hinwil grosser Beliebtheit erfreut. «An der Gemeindeschau hat es so viele Jersey-Kühe wie sonst nirgends im Kanton Zürich.»

Crème de la Milchkuh

Neben der äusserlichen Bewertung und der Sonderprämierung der Euter werden Kühe aber auch für ihren hohen Milchfettanteil, ihr Alter oder ihre Lebensleistung in Milchkilogramm prämiert – es geht eben auch ein bisschen um die inneren Werte.

Der höchste Titel jedoch ist jener der «Miss». In der jeweiligen Rasse wird damit quasi die Crème de la Crème der anwesenden Schaukühe gewählt. Und sie muss in jeglichen Kriterien Bestnoten in ihrer Zuchtanforderung erzielen. «Da muss dann alles stimmen», sagt Andrin Ledergerber.

Was es dafür zu gewinnen gibt, ist übrigens an jeder Viehschau individuell. Ein Krönchen gibt es nicht, dafür aber eine Schleife, einen Blumenstrauss oder eine «Trychel», also eine Kuhglocke, die gut und gerne mal mehrere hundert Franken wert ist.

«Vor allem aber», fügt Ledergerber an, «bringt man mit der schönsten Kuh Ruhm und Ehre mit nach Hause.»

Deshalb will man eine prämierte Kuh

Stolz, das waren die Bauern an der Viehschau in Hinwil sichtlich. Grosse Freude herrschte bei jenen, die mit ihren Vierbeinern prämiert wurden. «Natürlich freut man sich, wenn das eigene Tier für seine Qualität ausgezeichnet wird», sagt einer der Landwirte.

Dabei gehe es aber weniger um Konkurrenz als vielmehr um Sichtbarkeit: «Der Beruf des Bauern ist nicht leicht.» Eine Prämierung des Tiers bedeute zeitgleich auch immer die Anerkennung der Arbeit, die dahintersteckt – Hingabe, Leidenschaft und jede Menge Schweiss.

Auch Beatrice aus dem Appenzellischen war an diesem Nachmittag auf dem Hinwiler Dorfplatz. Sie hat ebenfalls einen landwirtschaftlichen Hintergrund und jahrelang mit Kühen gearbeitet. Entsprechend kann sie absolut nachvollziehen, weshalb eine Prämierung mit Freude verbunden ist.

«Wir leben und leiden mit diesen Tieren. Sie sind nicht einfach nur unsere Arbeiter, sondern manchmal wie Kinder. Und wenn dein Kind das Beste in etwas ist, freust du dich ja auch!»

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