Auch Bubikon will keine Fernwärme: Ist das «Generationenprojekt» in Gefahr?
Es ist der grösste Hebel für Rapperswil-Jona, um CO2-neutral zu werden: Fernwärme von der Abfallverbrennung aus Hinwil. Der CEO der Energie Zürichsee Linth AG erklärt, was es bedeutet, dass jetzt auch Bubikon aussteigt.
Für die Energie Zürichsee Linth (EZL) AG und die Stadt Rapperswil-Jona ist es ein «Generationenprojekt» und ein «Gamechanger»: das Fernwärmenetz ab der Anlage der Kehrichtverwertung Zürcher Oberland (Kezo) in Hinwil. «Nur mit diesem ist es möglich, dass die Stadt klimaneutral wird bis 2050», sagte EZL-CEO Ernst Uhler bereits vor Jahresfrist. Ein Ziel, das die Bürgerschaft in der Gemeindeordnung verankert hat.
Zwar hat die EZL vor Kurzem eine Art verfrühten Startschuss verkündet – und im Zusammenhang mit einem Wohnbauprojekt 170 Meter Leitung an der Rütistrasse verbaut. Die Planungsphase für die Hauptleitung von Hinwil nach Rapperswil-Jona ist aber noch nicht abgeschlossen. 2026 soll der Bau starten.
Und unlängst hat die Gemeinde Bubikon mit einer Mitteilung aufhorchen lassen. Sie will nicht mehr mitmachen im geplanten Fernwärmeverbund. Bereits früher haben sich die Gemeinden Uster, Pfäffikon oder auch Gossau aus dem Fernwärmeprojekt verabschiedet. Warum steigt jetzt auch Bubikon aus? Gefährdet dies das «Generationenprojekt» in Rapperswil-Jona? Und welche Stolpersteine gibt es sonst noch? EZL-CEO Uhler nimmt Stellung und ordnet ein.
Warum steigt Bubikon aus Fernwärme aus?
Gemäss der Gemeinde Bubikon basiert der Ausstieg auf einer Kosten-Nutzen-Rechnung. «Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass die EZL das Versorgungsnetz in Bubikon ohne Kostenbeteiligung der Gemeinde plant und umsetzt», heisst es in der Mitteilung der Gemeinde.
Eine Machbarkeitsstudie und ein Preismodell, das die EZL Ende 2024 präsentierte, haben dagegen gezeigt, dass die Gemeinde 9,5 Millionen Franken für die Erschliessung mitfinanzieren müsste. Selbst dann hätte «nur ein Teil des Ortsteils Bubikon mit Fernwärme versorgt werden können – primär Mehrfamilienhäuser sowie Industrie- und Gewerbebetriebe mit hohem Energiebedarf», heisst es in der Mitteilung. «Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der bevorstehenden hohen Investitionen in anderen Bereichen verzichtet der Gemeinderat auf eine finanzielle Beteiligung an diesem Projekt.»
Gemäss EZL-CEO Uhler hat sich die relativ geringe Dichte der Wohnbauten respektive der benötigten Fernwärme in Bubikon als herausfordernder erwiesen, als zunächst vermutet wurde. Und den genannten À-fonds-perdu-Beitrag der Gemeinde nötig gemacht, damit der Preis für angebotene Fernwärme für Endkunden im attraktiven Bereich geblieben wäre. Ähnlich präsentiert sich die Ausgangslage in Dürnten – mit Ausnahme des Ortsteils Tann, wo das Projekt weiterhin als realistische Option betrachtet wird.

In Rüti hingegen präsentiert sich die Situation deutlich positiver. «Hier ist eine höhere Anschlussdichte möglich, was die Voraussetzungen für ein wirtschaftlich tragfähiges Fernwärmeprojekt verbessert», sagt Uhler. Aktuell befindet sich die EZL dort noch in der Phase des Vorprojekts und im Austausch mit der Gemeinde.
Wendet sich die Stimmung generell gegen Fernwärme?
Ebenfalls diesen Monat gab die Firma Energie 360 Grad AG bekannt, dass sie ein geplantes Projekt für Fernwärme in Stäfa stoppt. Dort hätte der Zürichsee als Wärmelieferant dienen sollen. Für Uhler ist dies jedoch kein Hinweis auf einen generellen Rückzug von Fernwärmeprojekten.
Vielmehr seien Projekte mit Gewässern als Energiequelle technisch anspruchsvoller – wie auch die EZL im Rahmen des Projekts «Seerose» in Rapperswil-Jona erfahren habe. Die Firma stellte dieses zugunsten des Kezo-Projekts zurück.
Allgemein müssten Fernwärmeprojekte im Detail gut geplant sein, sagt Uhler. Eine generelle Trendwende weg von der Fernwärme gebe es aber nicht. Projekte in Wädenswil, Richterswil, Horgen, Thalwil und auch Ausserschwyz zeigten, «dass das Interesse an klimafreundlicher Wärmeversorgung ungebrochen ist».
Was bedeutet das für Rapperswil-Jona?
Direkte Auswirkungen für Rapperswil-Jona hat der Ausstieg von Bubikon gemäss EZL-CEO Uhler nicht. Bereits vor Jahresfrist sagte er, dass sich der Bau der Transportleitung auch lohne, wenn am Ende nur Rapperswil-Jona mit Fernwärme ab der Kezo versorgt werde. Daran hat sich laut Uhler im Grundsatz nichts geändert.

Bereits die bis dato geplanten 64 Gigawattstunden würden rechnerisch für rund 11'000 Wohnungen reichen. Insgesamt gibt es in der Stadt aktuell rund 14'000. Ein wichtiger Abnehmer ist auch die Stadt Rapperswil-Jona selber. Sie plant, für alle ihre Gebäude im Projektperimeter, in denen es wirtschaftlich Sinn macht, Fernwärme ab der Kezo zu verwenden.
Mit einem erwarteten Preis von 17 bis 18 Rappen pro Kilowattstunde wird die Fernwärme laut Uhler im Vergleich zu anderen klimafreundlichen Heizsystemen sehr wettbewerbsfähig sein – und das, ohne dass sich die Stadt finanziell am Leitungsbau beteiligen muss.
Warum kostet das Projekt plötzlich deutlich weniger?
Die EZL hat das Projekt seit letztem Jahr nochmals intensiv überarbeitet. Statt der ursprünglich geschätzten 150 bis 180 Millionen Franken rechnet die Firma nun mit einem Investitionsvolumen von rund 115 Millionen. Das ist immer noch mehr als ein Jahresumsatz der EZL, der in den letzten vier Jahren im Schnitt bei 80 Millionen Franken lag.
Möglich wurde dies laut Uhler durch eine optimierte Linienführung. Dadurch verkürzt sich die Transportleitung von Hinwil nach Rapperswil von elf auf acht Kilometer. Auch in Rapperswil-Jona selber hat die EZL das Projekt optimiert. Mit dem Projektfortschritt ist die Kostengenauigkeit gestiegen. Die meisten Verträge mit Landeigentümern für den Leitungsbau sind gemäss Uhler bereits unterzeichnet. Zudem werden die Erschliessungskosten von 13,5 Millionen für Hinwil inzwischen separat ausgewiesen.
Was ist aktuell der grösste Knackpunkt?
Das grösste verbleibende Risiko liegt aktuell bei der Energiequelle selber. So hat die EZL noch keinen finalen Energieliefervertrag mit der Kezo ausgehandelt. «Wir sind kurz vor dem Ziel», sagt Uhler. Zwar bestehe ein gewisses Restrisiko, dass der Vertrag nicht zustande komme. Beide Parteien zeigten aber klaren Willen zur Einigung. «In Detailfragen braucht es aber noch eine Annäherung», erklärt der EZL-CEO.
Die Kezo sei vom Bund verpflichtet, die bei der Abfallverbrennung entstehende Energie möglichst effizient zu nutzen. Zwar wäre auch eine Stromproduktion denkbar, doch habe die Kezo stets betont, als Wärmezentrale des Zürcher Oberlands zu fungieren. «Es wäre daher überraschend, wenn sie plötzlich von dieser Linie abweichen würde», sagt Uhler zuversichtlich.