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FDP-Nationalrat Silberschmidt steigt bei Jucker Farm ein

Andri Silberschmidt ist neu im Verwaltungsrat der Jucker Farm AG. Was der gebürtige Gossauer dort bewirken will und worin die Inhaberbrüder sein einziges Manko sehen, erzählen die Drei im Interview.

Andri Silberschmidt wurde von Beat und Martin Jucker in den Verwaltungsrat geholt (v. l.), Er folgt auf Achim Diedenhofen, der nach über zehn Jahren aus dem Verwaltungsrat ausscheidet., Seine Ernennung schlägt sich womöglich im Bundesberner Menüplan nieder., Martin und Beat Jucker haben sich für den Finanzprofi und nicht für den Politiker Silberschmidt (v. l.) entschieden, sagen sie.

Christian Merz

FDP-Nationalrat Silberschmidt steigt bei Jucker Farm ein

Die Jucker Farm AG mit Sitz in Seegräben hat einen prominenten Neuzugang. Seit wenigen Tagen gehört der aus Gossau stammende FDP-Nationalrat und Jungunternehmer Andri Silberschmidt dem Verwaltungsrat des Erlebnishof-Betreibers an. Der 27-Jährige folgt auf Achim Diedenhofen, der sein Amt nach über zehn Jahren abgibt.

Anlässlich dieses Wechsels hat sich der « Zürcher Oberländer » mit Silberschmidt und den Inhaberbrüdern Beat (48) und Martin Jucker (49) zum Interview auf dem Juckerhof getroffen.

Sie haben ein Mandat der Jucker Farm übernommen, Herr Silberschmidt. Kommen im Bundeshaus-Restaurant bald nur noch Kürbisse aus Seegräben auf den Tisch?
Andri Silberschmidt: Die «Galerie des Alpes» ist immer offen für Menüvorschläge der Parlamentarier. Ich weiss von einem EVP-Nationalrat, der seine Getränke im Bistro des Bundeshauses verkauft. Insofern könnte ich mir dort auch Produkte aus unserer Region gut vorstellen.

Martin Jucker: Eigentlich liefern wir nicht direkt an die Gastronomie, aber fürs Bundeshaus würde ich eine Ausnahme machen und selber mit dem Traktor vorfahren. (lacht)

Bisher treten Sie in der Öffentlichkeit überwiegend im Anzug auf, Herr Silberschmidt. Dürfen wir jetzt vermehrt mit Bildern in Gummistiefeln rechnen?
Silberschmidt: Der Anzug ist meiner langjährigen Arbeit auf der Bank geschuldet. Jetzt, wo ich mehrheitlich bei einer Transportfirma daheim bin, laufe ich weniger formell herum. Da ich auch privat gern Jeans trage, muss ich mich für die Jucker Farm nicht neu einkleiden.

Wie kam es zu dem Mandat?
Martin Jucker: (steht auf und hievt eine Bronze-Statue aus dem Regal) 2016 hat uns Andri als damaliger Präsident der Jungfreisinnigen den «Liberal Award» für unser freiheitliches Engagement überreicht.

Silberschmidt: Das hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Als nächstes sind wir uns, glaube ich, im Sommer 2019 an einem überparteilichen Anlass mit Meret Schneider von den Grünen begegnet.

Martin Jucker: Ihr wart damals als jüngste Kandidaten für den Nationalrat bei uns zu Gast.

Andri Silberschmidt mit Beat und Martin Jucker.

Wie ging es weiter?
Silberschmidt: Martin und Beat haben sich wenig später an mich gewandt, um mich auf einen gesetzlichen Missstand aufmerksam zu machen.

Welchen?
Silberschmidt: Es ging um eine Schweizer Verordnung, die den Verkauf von unverpackter Tiefkühlkost verbietet. Die Jucker Farm ist durch ihre Beteiligung am Tiefkühl-Spezialisten «Dinnair» indirekt davon betroffen. Wie ich feststellen musste, legt die Schweiz eine EU-Verordnung strenger aus als nötig.

Martin Jucker: Andri hat quasi im Alleingang dafür gesorgt, dass das Gesetz jetzt angepasst wird.

Silberschmidt: Wir haben 2021 eine Motion lanciert, die inzwischen vom Bundesrat, Nationalrat und Ständerat angenommen wurde. Es ist nur noch eine Frage von Monaten, bis man tiefgekühlte Lebensmittel ressourcenschonender verkaufen darf.

Aus diesem Engagement ergab sich die weitere Zusammenarbeit?
Beat Jucker: Ja, wir haben uns immer häufiger mit Andri zum Znacht verabredet, die Runden wurden stetig grösser. Unsere Gespräche kreisten dann auch um die Jucker Farm und um gemeinsame Werte. Wir haben schnell gemerkt, dass es «matcht» und wir uns vom Typ her gut ergänzen.

« Wir neigen zur Betriebsblindheit. Umso wichtiger, dass wir uns mit Andri frischen Wind in den Verwaltungsrat holen. »

Martin Jucker, Mitinhaber Jucker Farm AG

Wann war alles unter Dach und Fach?
Beat Jucker: Irgendwann im Herbst. Der Zeitpunkt für den Wechsel hängt auch mit dem Zyklus in unserem Verwaltungsrat zusammen.

Martin Jucker: Dieser besteht aus einigen internen und zwei externen Verwaltungsräten. Rein geschäftlich macht es keinen Sinn, dass letztere möglichst lange bleiben. Die langjährige Erfahrung ist schon durch uns Interne gegeben. Dafür neigen wir zur Betriebsblindheit. Umso wichtiger, dass wir uns mit Andri frischen Wind in den Verwaltungsrat holen.

Haben Sie überhaupt genug Zeit für dieses Mandat, Herr Silberschmidt?
Silberschmidt: Ich achte darauf, dass immer genug Zeit für spannende Projekte bleibt. Zudem komme ich aus der Region und bin mit dem Geschäft vertraut. Nirgendwo wird Nachhaltigkeit so konkret gelebt wie in der Jucker Farm, das hat mich gereizt.

Apropos « Nachhaltigkeit » . Wäre eine Grünen-Politikerin wie Meret Schneider dann nicht die erste Wahl für den Verwaltungsrat gewesen?
Martin Jucker: Meret ist immer willkommen, sie arbeitet ja auch bei uns in der Permakultur. Aber wenn es um die Ernennung von externen Verwaltungsräten geht, benötigen wir Leute, die komplementär zu uns sind – und nicht jemanden, der uns gleicht. Andri spricht nicht nur die nächste Generation an, sondern ist auch stark im Finanzbereich. Zudem bringt er als Mitgründer von «Kaisin» auch Gastro-Erfahrung mit.

Achim Diedenhofen ist auf dem Foto abgebildet.

Sind Sie politisch immer einer Meinung?
Martin Jucker: Uns war von Anfang an wichtig, den Betrieb so aufzustellen, dass wir unabhängig vom Staat arbeiten können. Subventionen sind okay, aber es muss auch ohne gehen. Andri ist ein Liberaler – auf dieser Ebene brauche ich nicht nachzufragen, ob wir einer Meinung sind. Über Agrarpolitik diskutieren wir ansonsten kaum. Wir haben uns nicht für den Politiker Silberschmidt, sondern für den Finanzprofi und Jungunternehmer entschieden.

Silberschmidt: Ich werde durch mein Mandat auch nicht zum Landwirtschaftspolitiker, genauso wenig wie ich ein Verkehrspolitiker bin, nur weil ich für Planzer arbeite.

Ein Nationalrat in der Firma könnte den eigenen Anliegen politisch Gehör verschaffen.
Martin Jucker: Dafür brauchen wir keinen Politiker, wie wir oft genug gezeigt haben. Bauern sind aber auf einen guten Draht in die Politik angewiesen sind, um vorwärts zu kommen.

« Jetzt schon mit der Powerpoint-Präsentation zu kommen, wäre komisch. »

Andri Silberschmidt, neuer Verwaltungsrat Jucker Farm AG

Welche Impulse wollen Sie in der Jucker Farm setzen, Herr Silberschmidt?
Silberschmidt: Zuerst muss ich mir einen Überblick verschaffen, nicht nur in der Buchhaltung, sondern in allen Bereichen, in denen die Wertschöpfung stattfindet: draussen auf dem Feld, aber auch in der Gastronomie. Jetzt schon mit der Powerpoint-Präsentation zu kommen, wäre komisch. Ich sehe meine Rolle in der Stärkung des Unternehmertums – wenn es Hürden bei der Entwicklung gibt, will ich sie wegräumen helfen.

Martin Jucker: Andri lebt in der Stadt Zürich, er versteht, was am Puls der jungen Leute los ist, welche Trends auf uns zukommen, welche neuen Bedürfnisse und Wertvorstellungen entstehen.

Beat Jucker: Wir Landwirte denken in Generationen. Bei neuen Ackerkulturen dauert es drei bis vier Jahre, ehe wir einen Ertrag erwirtschaften. Darum ist es doppelt wichtig, heute schon zu wissen, was die Kunden morgen wollen.

Andri Silberschmidt zusammen mit Beat und Martin Jucker.

Die Stossrichtung geht deutlich hin zu pflanzlicher Ernährung.
Beat Jucker: Dieser Trend kommt uns entgegen, weil wir primär ein Früchte- und Gemüsehof sind. Wir arbeiten mit Hochdruck an neuen Produkten auf pflanzlicher Proteinbasis. Fleisch soll es zwar weiterhin geben, aber der Konsum wird auf unseren Höfen sicher nicht gefördert.

« Der einzige Nachteil am Andri: Dass er keine Frau ist. »

Martin Jucker, Mitinhaber Jucker Farm AG

In klassischen Männerdomänen ist der Hunger auf Fleisch nach wie vor hoch.
Martin Jucker: Das ist übrigens der einzige Nachteil am Andri: Dass er keine Frau ist. Wir sind bisher ein reiner Männer-Verwaltungsrat.

Beat Jucker: Schlussendlich hat sein berufliches Profil den Ausschlag gegeben und nicht das Geschlecht. Fakt ist aber auch, dass 60 bis 70 Prozent unserer Kundschaft auf den Höfen Frauen sind. Darum legen wir bei der Neuanstellung, vor allem bei der Produktentwicklung, grossen Wert auf ein ausgeglichenes Verhältnis von Frauen und Männern – auch um die Kunden besser zu verstehen.

Silberschmidt: Du musst dir immer bewusst sein, dass du auf strategischer Ebene nicht mit deiner Kundschaft identisch bist.

Bisher setzt die Jucker Farm vor allem auf den Verkauf vor Ort auf den Höfen. Wird sich daran etwas ändern?
Martin Jucker: Tatsächlich entsteht die Markenidentität auf unseren Erlebnishöfen. Dort findet die emotionale Aufladung unserer Produkte statt. Aber um sie zu verkaufen, müssen die Kunden nicht jedes Mal hierherfahren. Deshalb wollen wir in den nächsten Jahren einen leistungsfähigen Onlineshop aufbauen – und dabei auch unser Marktgebiet vergrössern.

Innerhalb der Schweiz?
Martin Jucker: Wir wollen das Wirtschaftsgebiet im Kreis Zürich-Stuttgart bearbeiten. Mit unserer Kürbisausstellung sind wir schon seit 2000 in Ludwigsburg bei Stuttgart tätig. Süddeutschland ist allgemein ein spannendes Gebiet. Die Grenze macht zwar vieles mühsamer, aber wir denken sie uns weg, um zu wachsen.

Das erfordert eine gute Logistik. Dabei könnte Andri Silberschmidt seine Berufserfahrung bei Planzer einbringen.
Martin Jucker: Lustigerweise sind wir auf Planzer zugegangen, bevor wir überhaupt mit Andri gesprochen haben. Die Stärke des Unternehmens liegt jedoch weniger im Kühllogistikbereich.

Silberschmidt: Als neuer Verwaltungsrat will ich einen Beitrag für einen nachhaltigen Onlineplatz leisten. Die Logistik ist meistens ein enorm hoher Kostenblock. Es reicht nicht, dass nur die Produkte nachhaltig sind. Die Nachhaltigkeit muss sich über das gesamte Geschäftsmodell erstrecken.

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