Fabrikarbeiterinnen versalzen Maggi die Suppe
Freilichttheater in Illnau
«Ein kräftig gewürztes Freilichtspiel» verspricht das Spektakel um den Suppenkönig Julius Maggi, das am 7. August Premiere feiert. Ein Besuch bei einer heissen Probe.
«Wenigstens bleibt mir ein Korsett erspart.» Barbara Hügi zupft an ihrem hochgeschlossenen Kleid, eine Babypuppe unter den Arm geklemmt. Gleich wird sie als Louise Maggi drei Fabrikarbeiterinnen erzählen, dass ihr Mann die jüngste Tochter auf den Namen Leguminosa taufen lassen will. Leguminosen, sprich Hülsenfrüchte, sind der Hauptbestandteil der ersten küchenfertigen Suppe, die Julius Maggi erfunden hat.
Es ist Samstagnachmittag, und in Illnau laufen die Proben zu «Julius Maggi – ein kräftig gewürztes Freilichtspiel». Rund 60 Theaterbegeisterte haben sich in der ehemaligen Kiesgrube unterhalb der Kirche eingefunden. Erzählt wird vom Leben und weltumspannenden Wirken des Suppenkönigs Julius Maggi (1846–1912). Dieses hat sich zum Teil in unmittelbarer Nähe von Illnau abgespielt.

Nicht nur Frau Maggi schwitzt in der prallen Sonne, auch beim Herrn Pfarrer läuft der Schweiss. Bernhard Huser ist ein Routinier, das diesjährige Freilichtspiel sein fünftes. Er warte noch auf die Einlagen für seine Bühnenschuhe, sagt er mit Blick auf das On-Logo, das unter der schwarzen Soutane hervorblitzt. «Abgesehen davon läuft hier noch so manch anderer Requisitenfehler herum.»
Schnauzpflicht bei den Männern
«Die roten Socken kommen schon noch weg.» Aldo Luck fühlt sich offensichtlich angesprochen. Der OK-Präsident spielt den Fabrikarbeiter Josef Stiefel. «Eine Rolle mit immerhin fünf Sätzen», sagt er und streicht sich über seinen Schnauz.
«Um 1900 haben die meisten Männer Schnauz getragen.» Wachsen lassen oder ankleben, das habe die Maskenbildnerin gesagt. Er habe sich fürs Wachsenlassen entschieden. «So kann wenigstens nichts verrutschen.»
Julius Maggi hat sich unterdessen seines Tschopen entledigt. Verkörpert wird er von Andres Ulmann. Der Winterthurer steht jeweils auch im Theater Schloss Hegi auf der Bühne. In Illnau ist er das erste Mal mit von der Partie. Dass er gleich die Hauptrolle ergattert hat, erklärt er augenzwinkernd damit, dass er wie Maggi ein Thurgauer sei. «Wahrscheinlich hat man mich einfach wegen meines Dialekts genommen.»

Der erste Teil des Spektakels spielt 1886. Der 40-jährige Tüftler Julius Maggi hat gerade im benachbarten Kemptthal den Auftrag erhalten, eine Trockennahrung zu erfinden. Damit soll die desolate Nahrungssituation der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter verbessert werden.
Im zweiten Teil 14 Jahre später ist der Fabrikherr auf dem Höhepunkt seines Erfolgs. Während er an der Weltausstellung in Paris seine Erfindungen präsentiert, rüsten seine Arbeiterinnen daheim zum Streik.
Wohlstandsbauch für Julius Maggi
«Anders als die Arbeiter hatte Julius Maggi 1900 bereits einen Wohlstandsbauch», weiss Adelina Arendarska, zuständig für die Kostüme und die Maske. Aus diesem Grund hat sie Andres Ulmann eine Art «Vorhängebüchli» verpasst.

Arendarska hat den Ehrgeiz, möglichst Originalkostüme einzusetzen. Bei Julius Maggis Zylinder musste sie jedoch passen: «Die Zylinder jener Zeit hatten einen Umfang von maximal 58 Zentimetern, Andres braucht 62.»
Auf der Bühne scharwenzelt unterdessen François Sauvage um die junge Fabrikarbeiterin Emma Schmid. Der Westschweizer Revoluzzer will die Arbeiterschaft gegen die Fabrikherren aufwiegeln. Es ist denn auch schliesslich Emma, die den Streik in der Maggi-Fabrik in Kemptthal anführen wird.
Gespielt wird sie von Angelina Rieder. Die Winterthurer Studentin besetzte bereits im Vorgängerstück «Fernweh» eine Sprechrolle. Erst habe sie gedacht, das neue Stück sei etwas gar altbacken. Eine Meinung, die sie unterdessen revidiert hat. «Es fägt wirklich!» Der einzige Wermutstropfen sei, dass sie als Emma nicht singen könne. «Musicals sind halt meine grosse Leidenschaft.»

«Frieda, wo ist die Frieda?», erschallt da über die Lautsprecheranlage die Stimme von Regisseur René Schnoz. Ohne Kutscherin Frieda müsse die nächste Szene ausfallen. «Heidi Fischer holt gerade die Pferde», antwortet Aldo Luck. «Dann proben wir nochmals die Schlägerei an der Illnauer Chilbi», tönt es von der Regie. «Die, welche nicht spielen, suchen sich bitte einen Schattenplatz.»
Ohne Flexibilität gehe es nicht – schon gar nicht bei Amateuren, wird René Schnoz später in einer kurzen Pause erzählen. Schnoz hat im letzten Jahr in Mosnang das historische Stück «Der schwarze Tod» erstmals als Freilichtspiel inszeniert.
«Mit viel Herzblut dabei»
Er arbeite sehr gern mit Amateuren – «und das Illnauer Ensemble ist mit wirklich viel Herzblut dabei». Das einzig Anstrengende seien die häufigen Absenzen während der Proben. «Profis haben einen Arbeitsvertrag, die haben da zu sein und basta.»
Bei «Julius Maggi – ein kräftig gewürztes Freilichtspiel» gibt es keine Doppelbesetzungen, noch nicht einmal für den Suppenkönig. Was, wenn dieser ausfällt? Schnoz zuckt mit der Schulter. «Dann springe ich notfalls halt selber ein.» Ob ihm der Zylinder von Julius Maggi passt?

«Julius Maggi – ein kräftig gewürztes Freilichtspiel», 7. bis 31. August, Kiesgrube Punt, Illnau. Weitere Infos und Ticketverkauf: www.juliusmaggi.ch.