Er ist die Stimme des ZSC – und noch viel mehr
ZSC-Speaker aus Pfäffikon
Seit 22 Jahren ist Giovanni Marti Speaker bei den ZSC Lions. Der Pfäffiker lebt seine Leidenschaft für den Sport auf ganz verschiedene Arten aus.
Giovanni Marti dürfte etwas nervöser sein als üblich, wenn er heute Abend sein Amt als Speaker der ZSC Lions in der Swiss Life Arena ausübt. Trotz aller Routine.
Denn die Ausgangslage für den ZSC ist verzwickt – er liegt im Halbfinal gegen Biel 0:3 zurück und braucht zwingend Siege. Das ist das, was dem Pfäffiker an den Playoffs so gefällt. «Die Atmosphäre ist ganz anders, das spürst du auch als Speaker. Da habe auch ich mal mehr Herzklopfen oder zittrige Hände. Ich gehe voll mit.»
Seit 22 Jahren ist «Giovi», wie ihn alle nennen, die Stimme der ZSC Lions. Eine Aufgabe, die ihn auch nach dieser langen Zeit noch immer reizt. «Es ist wie in einer Beziehung. Man wird älter, weiser und besonnener. Aber ich bin immer noch mit viel Leidenschaft dabei. Die braucht man als Speaker auch. Denn sonst spult man einfach ein Programm ab – und das wirkt nicht authentisch.»
Dass Giovanni Marti nicht authentisch wirken könnte – das kann man sich kaum vorstellen. Leidenschaft schwingt in jedem Wort mit – ob hinter dem Speaker-Mikrofon oder im Gespräch. Und das Wort Leidenschaft benutzt er selber viel, wenn er erklärt, warum er sich wo engagiert – und warum sich sein Werdegang so entwickelte.
Wenn man mir ein Mikrofon gibt, beginne ich zu reden.
Giovanni Marti
Seit je interessierte sich Marti für Sport. Von seinem Vater, der in den 1960er Jahren aus Süditalien einwanderte, hat er die Fussball-Affinität geerbt. Jene zum Sportjournalismus entwickelte sich auch in jungen Jahren – schon als Sechsjähriger nahm er mit dem Kassettenrekorder seine eigenen Radiosendungen auf. «Ich merkte rasch, dass das meine Berufung ist. Wenn man mir ein Mikrofon gibt, beginne ich zu reden.»
Beim Gemeindeblatt seiner früheren Heimat Zollikon stieg er dann als Journalist ein, «das war eine gute Startrampe mit einer rustikalen Ausbildung».
Da kam er auch erstmals beruflich mit Eishockey in Kontakt – als er über den SC Küsnacht schrieb. Später, in seinen 10 Jahren bei Radio 24, lernte er den ZSC kennen, bevor dieser den Zusatz Lions erhielt. Und längst ist er nicht mehr «nur» Fan des Klubs, sondern mit seiner Stimme auch dessen Visitenkarte.
Viel Oberflächliches, wenige wahre Freunde
Als solche sieht er sich jedenfalls. Denn ihm ist wichtig: «Es geht nicht um mich, ich mache das nicht, um Selbstdarsteller zu sein. Auch wenn einige mich wohl so einschätzen.» Er spricht von einer «total schönen Beziehung» zum Klub, freut sich über das Privileg, einen engeren Kontakt zu den Spielern pflegen zu können – und erinnert sich an viele spannende Begegnungen.
Min Derbyabig 😉… danke für d’Fötelis… gsehn scho… wird gnaustens beobachtet ☺️ @zsclions pic.twitter.com/pvF5NJGBYB
— Giovanni Marti (@GiovanniMarti72) January 26, 2023
Manche Kontakte pflegt er heute noch – und zu einigen Spielern haben sich unterdessen Freundschaften entwickelt. Marti nennt etwa den aus Pfäffikon stammenden langjährigen Torhüter Lukas Flüeler oder Raeto Raffainer, den CEO des SC Bern. Er sagt aber auch: «Vieles ist oberflächlich im Spitzensport – das ist eine traurige Realität.»
Der «superprivilegierte Job»
Lions-Speaker zu sein, ist kein Fulltime-Job, sondern ein Ehrenamt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet Marti seit elf Jahren als Media Relations Manager bei der Fifa – und wer mit ihm über diese Tätigkeit spricht, merkt schnell: Auch da ist er mit Herzblut und viel Leidenschaft dabei.
Ein «superprivilegierter Job» sei es, ein Traumjob, noch immer. «Ich könnte wenig Schlechtes sagen, obschon die Aussenwelt die Fifa völlig anders wahrnimmt.»
Schnell wird klar: Die Fifa ist für Marti kein normaler Arbeitgeber. «Ich identifiziere mich sehr stark mit dieser Institution», sagt er. Es sei nun einmal Teil seines Jobs, Argumente zu liefern, Fakten aufzuzeigen. «Kritisieren ist immer einfach. Die Wahrnehmung ist oft verzerrt, die Wahrheit liegt oft woanders.»
Und er gibt unumwunden zu, dass die Arbeit ihm auch nahegeht. «Mir tut die harte Kritik weh, auch jene an Präsident Gianni Infantino, weil ich ihn als Topchef wahrnehme und ihn als umgänglich erlebe.» Marti braucht im Job eine dicke Haut – manchmal wünscht er sich, mehr Distanz von der Arbeit gewinnen zu können. «Man nimmt die Gedanken ja auch mit nach Hause.»
Das ungeplante Unihockey-Comeback
Vielleicht erklärt das auch, warum er sich wieder im Unihockey engagiert. Lange war er Sportchef bei den Frauen des UHC Dietlikon, seit drei Jahren bekleidet er dieselbe Position bei den ZO Pumas. Angestrebt hatte er den Wiedereinstieg nicht – vor einigen Jahren zog er sich bewusst etwas aus dem Sport zurück, weil er sich nicht mehr mit allen Entwicklungen identifizieren konnte.
Als dann aber sein Sohn Unihockey spielen wollte, kam es zum Kontakt mit den Pumas – und zum Comeback als Funktionär. Und wenn Marti über Unihockey spricht, könnte man meinen, er beschäftige sich hauptberuflich damit. Auch da: Leidenschaft und Herzblut – und keine halben Sachen.
Ich hätte meine Leidenschaft etwas zurückfahren und mich um wesentlichere Dinge kümmern müssen.
Giovanni Marti
Es ist eine Einstellung, die ihn auszeichnet – und er sagt auch: «Was ich mache, mache ich gerne – daraus schöpfe ich Energie, auch wenn es mir wieder Energie nimmt.» Wie genau er alles unter einen Hut bringt, dafür hat er aber kein Rezept auf Lager. «Darüber staune ich manchmal selber», sagt er. Und er verhehlt auch nicht, dass er seine sportlichen Leidenschaften im Leben teuer bezahlen musste.
Im Herbst vor zwei Jahren ging seine Ehe in die Brüche. «Das warf mich aus der Bahn», sagt er. Er, der harmoniebedürftige Familienmensch, musste einsehen: «Ich hätte meine Leidenschaft etwas zurückfahren und mich um wesentlichere Dinge kümmern müssen.»
Zurückgenommen hat er sich seither – leicht fiel ihm das mit seinem Hang zur Perfektion und als schlechter Neinsager beileibe nicht. So hat er beispielsweise sein Engagement für die Pfäffiker FDP, wo er zeitweise im Vorstand war, komplett zurückgefahren.
Weil das wohl doch nicht seine grosse Leidenschaft war. Vor allem aber auch, weil er sich viel mehr Zeit für seine beiden Kinder nehmen will.
«Mein Alltag hat sich markant verändert», sagt er. «Es ist massiv weniger geworden, auch wenn es noch immer sehr viel ist.» Aber vielleicht gehört das auch einfach zu ihm.