Er ist der Kopf hinter dem H2U in Uster
Vom sündhaft teuren Fiasko bis zu Gänsehautmomenten mit Patent Ochsner: Rolf Heckendorn zieht Bilanz nach zehn Jahren H2U – und gibt Ausblicke auf Verschnaufpausen und eine mögliche Neuausrichtung des Ustermer Open Airs.
Vor zehn Jahren fand das erste H2U statt. Wäre es damit nicht das 11-Jahr-Jubiläum?
Rolf Heckendorn: Na ja, eigentlich sind es ja neun Jahre und zwei halbe oder neundreiviertel, wenn man es genau nimmt. Das erste Jahr war nur eintägig, und während Corona hatten wir Summer Sessions, das zählt beides nicht ganz. Aber 2015 war das erste H2U – und jetzt, zehn Jahre später, feiern wir deshalb Jubiläum.
Wie fühlt sich das an?
Richtig gut! Es hat sich in zehn Jahren einiges getan und entwickelt, vor allem dank unserer gesamten «Kruu» und den wunderbaren Helferinnen und Helfern, die jedes Jahr mit viel Elan dabei sind. Ich freue mich auf das diesjährige Open Air, besonders, weil wir mit der Band abschliessen, die damals das allererste Konzert am H2U gespielt hat – anno 2015 noch unter dem Namen Josh, jetzt mit Black Sea Dahu.


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Ein Full-Circle-Moment. Ist das eine Ihrer Lieblingsbands?
Schwer zu sagen, ich mag so viele Bands und Musikrichtungen – aber vor allem starke Frauenstimmen. Die tiefe Stimme von Janine Cathrein, der Leadsängerin, hat aber sicher auch dazu beigetragen, dass ich ein Festival auf die Beine stellen wollte – und es dann 2015 mit dem H2U Stimmenfestival tat.
War das Ihr Auftakt als Organisator für Musikveranstaltungen?
Ich habe bereits vorher Konzerte und Partys in Uster organisiert, so unter anderem die Mellow-Party, die bis heute siebenmal jährlich stattfindet. Ich habe einen sehr grossen Platz in meinem Herzen für Livemusik, also organisiere ich Konzerte einfach selbst, wenn ich gewisse Bands nicht sonst wo sehen kann. So wars auch mit dem Ustermer Projekt «Adelheid – Lieder für Chind und Chindschöpf», das ich zu uns in den Gemeinschaftsraum (gRaum) in unserem Genossenschaftshaus eingeladen habe. Das kam gut an, also machte ich weiter.
Und dann gings aus dem Genossenschaftsraum aufs Zeughausareal?
Ziemlich, ja. Ich war am Sound of Glarus und war hin und weg. Es hat aus Kübeln geregnet und war eine unvorstellbare Sauerei, aber die Stimmung war wahnsinnig: Gefühlt standen drei Generationen auf der Strasse, es war ein riesiges Fest. Ich kam dann zurück nach Uster und dachte, ein Festival mitten in der Stadt – das muss hier auch möglich sein.
War das so einfach, wie es klingt?
Sagen wir mal so: Wir sind steil gestartet. Gemeinsam mit Freunden und Familie, vor allem auch zusammen mit meiner damaligen Frau, habe ich relativ schnell den Verein gegründet und das Zeughausareal als Veranstaltungsort gefunden. Dank Unterstützung von der Stadt und der Polizei ging das erste eintägige H2U im Jahr 2015 locker und leicht über die Bühne. Wir waren mit 500 Gästen ausverkauft und hatten keine Lärmklage. Es lief fast zu einfach und zu gut.
Aus den 40'000 Franken Schulden wurden 100’000 Miese. Die 35 Lärmklagen waren das Sahnehäubchen.
Zu gut? Das klingt, als wäre es danach bergab gegangen.
Und wie! (Lacht.) Wir hatten einen solchen Höhenflug, dass wir fürs zweite Jahr nach den Sternen griffen. Wir haben eine halbe Million budgetiert, haben vor allem internationale Bands angefragt. Wir haben eine riesige Bühne aufgestellt, die Tickets teurer gemacht, die ganzen Bars selbst geschmissen, das Gagenbudget ausgereizt. Dass der Höhenflug noch böse enden könnte, habe ich 30 Tage vor dem Festival angesprochen. Ich meinte: «Leute, jetzt könnten wir noch alles abblasen. Wenn es in die Hose geht, haben wir rund 40'000 Franken Schulden.»
Und warum haben Sie und die anderen nicht abgeblasen?
Wir waren überzeugt von der Idee, haben diskutiert und entschieden: Wir können das finanziell tragen. Und dann hat es das ganze Wochenende geschifft. Wir hatten täglich um die 500 Leute auf dem Platz und hätten 2000 gebraucht. Und aus den 40'000 Franken Schulden wurden 100’000 Miese. Die 35 Lärmklagen waren das Sahnehäubchen.
Hoppla. Ein herber Rückschlag.
Im Nachhinein war es der Fall auf die Nase, den wir gebraucht haben. Wir sind die Sache danach neu angegangen. Anstatt aufzugeben, haben wir die Darlehen im Verein aufgeteilt, jeder bezahlte, was er konnte. Wir sind mit der Stadt zusammengesessen, haben das neu angeschaut – und glücklicherweise hatten wir Menschen vor uns, die irgendwie doch daran geglaubt haben, dass es klappt.
Seither läuft der Karren. Wir sind als Marke H2U etabliert und bekannt. Jeder kennt das U-Boot, das auch ein Notenschlüssel ist.
Und die Lärmklagen?
Nach dem zweiten Open Air sagte die Stadt damals zu uns, wir müssten einfach vielfach so viel Freude schaffen, wie es Lärmklagen gebe – also alles eine Frage der Verhältnismässigkeit. Seither sind wir gut unterwegs, auch weil wir direkten Nachbarn einen Dreitagespass schenken. Das sind jährlich etwa 300 Ustermerinnen und Ustermer. Hinterher weiss man es halt besser.
Gilt das auch für das dritte Jahr?
Ja, da sind wir mit mehr Kopf dahinter – gebrannt vom zweiten Jahr. Wir haben die Bühne anders positioniert, das Gagenbudget halbiert, nur noch Schweizer Künstlerinnen und Künstler angefragt, die Preise reduziert. Mit kleinen Konzerten das Jahr über haben wir das H2U-Label etabliert. Obwohl es vor dem Stefanie-Heinzmann-Konzert einen Sturm gab und wir das gesamte Gelände für eine Stunde evakuieren mussten, konnten wir wieder eine schwarze Null schreiben. Da wussten wir: Es funktioniert eben doch.
Also läuft es seit dem dritten Jahr gut?
Ja, seither läuft der Karren. Wir sind als Marke H2U etabliert und bekannt. Jeder kennt das U-Boot, das auch ein Notenschlüssel ist.
Woher kommt der Name eigentlich?
Der Werber der IT-Firma, in der ich arbeite, kam auf die Idee. Uster beschreibt sich ja selbst als Wohnstadt am Wasser, daher kommt die H2O-Idee – und anstelle des O halt eben ein U für Uster. Es gab danach noch kleine Änderungen, beispielsweise haben wir von «H2U Stimmenfestival» auf «H2U Openair» gewechselt – und sinnbildlich das U-Boot aus seinem Goldfischglas befreit, in dem es bis dato schwamm.
Und wo soll das H2U in Zukunft noch hinschwimmen?
Das ist eine spannende Frage, die wir in den nächsten Monaten oder Jahren beantworten werden. Mit den Plänen rund um das Zeughausareal ändert sich vieles. Was ich sagen kann: Das Open Air findet nächstes Jahr auf jeden Fall noch so statt wie bisher. Danach folgt eine Pause. Wie lange die dauert, ist noch nicht definiert.
Kommt das H2U denn wieder zurück aufs Zeughausareal?
Das könnten wir uns absolut vorstellen, zumal man uns auch in die Planung involviert hat. Man müsste das Open Air aber neu denken und an die neuen Möglichkeiten anpassen. Ich könnte mir unter anderem vorstellen, das H2U so umzugestalten, dass es neu Gratiskonzerte und bezahlte Konzerte in den Sälen gibt.
Dem H2U steht also ein Wandel bevor.
Ja, und zwar nicht nur punkto Austragungsart. Auch organisatorisch wird sich vermutlich etwas ändern.
Inwiefern?
Ich musste über die Jahre lernen, Verantwortung abzugeben. Ich wollte alles mitbestimmen, die Zügel in der Hand haben – aber mit dem Open Air wurden auch die Entscheidungen grösser. Mittlerweile haben wir ein Kerngremium aus sieben Personen, die alle wichtigen Entscheide besprechen und Ressorts leiten. Aus einem Verein, der nur aus Freunden und Familie bestand, wurde eine breit aufgestellte «Kruu» und eine «Maschinerie» aus motivierten und unermüdlichen Helferinnen und Helfern. Das H2U lebt, auch intern. Ich bin bereit, den Fortschritt geschehen zu lassen.




Möchten Sie sich also zurückziehen?
So langsam schon. Ich kann mir jedoch durchaus vorstellen, noch lange in irgendeiner Art und Weise Teil des H2U zu sein. Aber mit meinen 58 Jahren werde ich auch nicht jünger, ausserdem will ich Platz machen für neue Ideen, neue Gesichter. Wir haben mit der Marke H2U über die Jahre eine gute Basis aufgebaut, die Künstler unterstützt und den Ustermerinnen und Ustermern nicht nur ein Open Air, sondern auch ein Rahmenprogramm in puncto Musik geboten. Ganz im Sinne von «zmitzt in Uschter». Das soll weitergelebt und belebt werden.
Was würden Sie dem Nachwuchs mit an die Hand geben?
Man lernt aus Fehlern. Ich will nicht sagen, dass es essenziell war, das zweite Jahr in den Sand zu setzen – aber wir wussten danach genau, wo wir ansetzen müssen. Das haben wir in den darauffolgenden Jahren geschafft. Ganz wichtig sind viel Geduld, Hartnäckigkeit, Durchhaltevermögen und Diplomatie, sowohl im Verein selbst als auch mit der Stadt, den Vorgaben, den Gästen. So kann man begeistern und motivieren.
Was motiviert Sie denn am meisten?
Heute ist es die Freude, die wir mit dem H2U bringen. Für mich ist die Musik ein bisschen auf der Strecke geblieben – aber ich mache das H2U ja auch nicht für mich, sondern für alle. Ausserdem habe ich immer wieder Glücksmomente, die ich nicht missen will – Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern, ein Bier am Samstagabend vor der Hauptbühne, glückliche Gesichter.
Wer war Ihr Lieblingskünstler in den zehn Jahren?
Schwierige Frage. Als Kopf hinter dem H2U habe ich natürlich auch eigennützig Künstlerinnen und Künstler vorgeschlagen. (Lacht.) Patent Ochsner war natürlich wahnsinnig cool. Und der erste Abend im letzten Jahr mit Morcheeba und Philipp Fankhauser war musikalisch ein absolutes Highlight.
Und wenn Sie jeden Künstler einladen könnten, wer wäre das?
Wenn Geld keine Rolle spielen würde, dann Florence and the Machine – oder Iron Maiden. Aber so weit wollen wir gar nicht gehen. Wir sind mit der Kapazität von 2500 bis 3000 Gästen pro Tag absolut zufrieden. Ansonsten wäre das H2U nicht mehr das Open Air für und mit Uster, was es heute ist. Dennoch bieten wir immer ein starkes Line-up. So haben wir zum Beispiel fürs nächste Jahr bereits ein paar grosse Nummern in Aussicht – unter anderen eine Band, die ich schon immer wollte und die wir bis jetzt noch nicht hatten.
Das klingt spannend. Darf man mehr erfahren?
Wenn alles glattläuft, können wir dieses Jahr am Samstagabend schon einen Einblick ins nächste H2U geben.
Worauf kann man sich denn dieses Jahr sonst noch freuen?
Wir sind zum ersten Mal bargeldlos – aber keine Sorge, die Gäste können mit Bargeld kommen. Wir haben eine eigene aufladbare Karte kreiert. Zudem haben wir eine 10-Jahr-Bildergalerie und wieder ein tolles Line-up, am Freitag etwas rockig, am Samstag mit Pegasus einen starken Headliner. Ansonsten ist alles mehr oder weniger wie gehabt – also genauso gut wie immer.
Mit dabei sein am 10-Jahr-Jubiläum
Mit Troubas Kater und Mando Diao startet der Freitag am H2U rockig. Tickets sind für 66 Franken nach wie vor erhältlich.
Wer sich am Samstag gerne Sens Unik und Pegasus zu Gemüte geführt hätte, kommt leider zu spät – sowohl die Eintagestickets als auch der Dreitagespass sind bereits vergriffen.
Mit 10-Jahr-Melancholie sorgen Black Sea Dahu am Sonntag aber für einen gebührenden Abschluss – die Band spielte bereits am ersten H2U den Auftakt und beendet das diesjährige Open Air. Der Eintagespass ist für 33 Franken zu haben.
Mehr Infos unter www.h2u-openair.ch/tickets.