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Er hatte einen Brotjob und träumte von Luxusautos

Statt mit seinen Gspänli zu spielen, musste Heinz Bertschinger als Bub für den Vater Brot austragen. Immerhin konnte er dabei schöne Autos bestaunen.

Heinz Bertschinger ist mit Autos..., ... und Broten aufgewachsen., 1957 stand neben der Bäckerei noch eine Scheune., Der Anbau wurde in der Zwischenzeit dreimal umgebaut und in eine Autogarage verwandelt., Seine Liegenschaft an der Kreuzung Dorf-/Winterthurerstrasse..., ...wurde äusserlich aber nicht gross verändert.

Christian Merz

Er hatte einen Brotjob und träumte von Luxusautos

Über den Himmel zieht eine rot-weisse Propellermaschine von Pilatus, Jodelmusik erklingt aus einem Handwerker-Fahrzeug, auf der Weide mit Obstbäumen nebenan grasen Alpakas neben Zwergponys. An der Kreuzung Dorfstrasse/Winterthurerstrasse ist die dörfliche Idylle noch intakt.

Heinz Bertschinger deutet auf die Häuser im Quartier des Volketswiler Ortsteils Gutenswil: «Sie sind alle fast noch in ihrem ursprünglichem Zustand.»

Schaufeln und kneten

Der 78-Jährige mit den struppigen Augenbrauen und der stark umrandeten Brille gehört zu den Ur-Gutenswilern. Er ist im Bauernhaus vis-à-vis vom Restaurant Kreuzstrasse aufgewachsen und wohnt bis heute dort. Sein Grossvater hatte hier vor langer Zeit eine Bäckerei eröffnet. Enkel Heinz war bereits als Bub fester Bestandteil des Familienbetriebs.

Kohle in den Backofen zu schaufeln machte er «verdammt gern». Und er liebte es, dem Vater bei seinem Handwerk über die Schultern zu schauen. Zum Beispiel, wie dieser Hefe, Mehl und Wasser von der Teigmaschine zu Teig kneten liess. Dann und wann riss auch der Riemen, über den der Motor das Gerät antrieb, und musste ersetzt werden.

Samstags trug Bertschinger das Brot aus. Das machte er gar nicht gerne: «Ich habe mich immer sehr benachteiligt gefühlt, wenn ich arbeiten musste, während meine Gspänli in die Pfadi durften.» Immerhin konnte er bei diesen Besuchen seiner Leidenschaft für Autos nachgehen: Während der Vater Brot für das Volketswiler Restaurant Pöstli auslieferte, bestaunte sein Sohn in der Garage Jäger nebenan die neuen Karossen.

1962, als Bertschinger zwanzig war, nahm das Kapitel Bäckerei ein Ende. Nach dem Tod seiner Mutter musste der Vater den Betrieb aufgeben. Und Bertschinger, der inzwischen die Matura absolviert hatte, sattelte um. Er studierte Volkswirtschaft und wurde anschliessend Handelslehrer an der Kaufmännischen Berufsschule Uster, was er auch bis zu seiner Pensionierung geblieben ist.

An den Dorfbeck erinnert heute nicht mehr viel: Nur das 70-jährige Bäckereischild, das einst über dem Eingang hing. Der Teigkübel, aus dem Bertschinger einen Blumentopf gemacht hat. Und die Einzelteile des Backofens, die Bertschinger in einem Unterschlupf noch aufbewahrt. «Ich will ihn in mein Wohnzimmer stellen», sagt er.

Scheune wird zur Oldtimer-Garage

Die Zeiten änderten sich aber nicht nur für Bertschinger, sondern auch für sein Haus. Mit dem Einverständnis der Bertschingers baute der in Autokreisen als «BMW-Vater» bekannte Gottfried Liechti die Scheune zu eine Garage für BMW-Oldtimer um. Liechti legte damit den Grundbaustein für den heutigen «BMW Veteranen und Klassiker Club Schweiz».

Bertschinger freute sich von Anfang an auf die neuen Limousinen, die bald darauf in der Familienliegenschaft einzogen. Die Autowelt sog er quasi mit der Muttermilch auf. Als sein Vater Ross und Wagen durch ein Auto auswechselte, durfte der damals Sechsjährige dieses auch immer wieder fahren.

Autos waren bereits für seinen Vater wichtig, sagt Bertschinger: «Er war immer stolz, dass er als einziger im Dorf einen Amerikaner fuhr.» Die Freude an Autos mit einem gewissen Prestige gab er auch an seinen Sohn weiter. Bertschinger kann sich noch gut erinnern, wie er erstmals den Adler Favorit mit Baujahr 1928 aus Vaters Garage fahren durfte. Die heutige Generation kennt Autos wie dieses – mit Trittbrettern, geschwungenen Schutzblechen und Reserverädern auf der Seite, mit der kutschenartigen Kabine, der konisch zulaufenden Motorhaube und den Rundlampen – nur noch aus alten Filmen oder dem Museum.

«Mein Vater war immer stolz, dass er als einziger im Dorf einen Amerikaner fuhr.»

Heinz Bertschinger, einstiger Bäckersjunge und Autofan

Bertschingers Bubentraum war es, einen Opel Kapitän zu besitzen. Die erste Version dieses Oldtimers stammt aus dem Jahr 1939. Das Auto wurde vom deutschen Liedermacher Reinhard Mey besungen und galt in der Nachkriegszeit als Inbegriff von Luxus. Leisten konnte Bertschinger sich dieses Auto damals nicht. Seinen Traum von einem komfortablen Auto erfüllte er sich in den 1990er-Jahren dennoch. Zwar nicht mit einem Opel, dafür aber einem schönen BMW.

Garage in neuen Händen
DIe einstige Oldtimer-Garage wurde später zur Garage Gisel und Pfeiffer. Diese wird seit kurzem von James Frei und Kelly Jäggli geführt. Was Bertschinger eine Freude bereiten dürfte: Freis Garage ist nicht nur auf moderne Autos spezialisiert, sondern unterhält auch Classic Cars, wie der alte Jaguar S.S. aus den 1930er-Jahren, der gerade in der Garage steht.

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