Politik

Ein Winterthurer, den man mieten kann

Den Ruhestand ohne Arbeit zu geniessen, kam für Rudolf Heim nicht in Frage. Der Winterthurer meldete sich deshalb 2016 auf der Plattform «Rent a Rentner» an. Mit Gelegenheitsjobs hält sich der 66-Jährige seither auf Trab.

Arbeit hat Rudolf Heim aus Winterthur nie als etwas Negatives angesehen., Schnell war ihm klar, dass er auch nach der Pension arbeiten möchte., 2016 meldete sich der 66-Jährige auf «Rent a Rentner» an., Seither erledigt er auf Anfrage diverse Gelegenheitsjobs.

Tina Schöni

Ein Winterthurer, den man mieten kann

Eigentlich könnte sich Rudolf Heim auf die faule Haut legen. Der 66-jährige Vater von drei Kindern ist im Ruhestand. Doch der Winterthurer will trotz Rentenalter nicht auf Arbeit verzichten. Er sagt: «Nur zu Hause sitzen oder ständig in der Weltgeschichte herumreisen, ist nichts für mich.»

Um aktiv zu bleiben hat er sich deshalb auf der Online-Plattform «Rent a Rentner» (zu Deutsch: einen Rentner mieten) angemeldet. Dort bietet Rudolf Heim in unterschiedlichsten Belangen seine Hilfe an. Dazu gehören Aufgaben wie etwa Lampen aufhängen, Rechnungen schreiben oder Drucker installieren.

Arbeit ist nichts Negatives

Arbeit hat Rudolf Heim nie als etwas Negatives angesehen. Er selbst bezeichnet sich als wissbegierigen Menschen. Neues lernen halte ihn auf Trab. «Wenn mich Dinge interessieren, versuche ich, mir diese selbst beizubringen.»

«Mitte fünfzig machte ich mir Gedanken über die Pension.»

Rudolf Heim, Winterthurer

Als Jugendlicher hatte Rudolf Heim diverse Nebenjobs. Er war in einer Zeitungsdruckerei, als Taxichauffeur und beim Sicherheitsdienstleister Securitas tätig. Später arbeitete der in Zürich geborene Bauingenieur erst 37 Jahre lang als Projekt- und Bauleiter und sattelte dann auf den Beruf als Fachjournalist um. «Mitte fünfzig machte ich mir Gedanken über die Pension. Ich freute mich zwar darauf, bald nicht mehr arbeiten zu müssen. Ganz damit aufhören wollte ich aber nicht», erzählt er. Es musste eine Lösung her, denn ein Rentnerdasein ohne Beschäftigung war ihm nicht so ganz geheuer.

«Man hat nie ausgelernt», dachte sich der Winterthurer und entschied sich erneut für einen Branchenwechsel. Mit 59 Jahren absolvierte er berufsbegleitend eine zweijährige Ausbildung zum Masseur. Diesem Nebenerwerb geht er auch heute noch nach. Doch Rudolf Heim sehnte sich nach der Pensionierung nach mehr.

Auch als Rentner beschäftigt sein

Deshalb blieb ihm auch ein Artikel über die Online-Plattform «Rent a Rentner» im Gedächtnis haften. «Ich fand die Idee interessant und dachte mir: Das mach ich auch, wenn ich soweit bin.» Im Frühjahr 2016 registrierte sich Rudolf Heim. Seither bietet er diverse Dienstleistungen an. Das reicht von Massagen über Fahrdienste und Umzugshilfe bis hin zu handwerklicher oder kaufmännischer Unterstützung. Für seinen Arbeitsaufwand verlangt der 66-Jährige jeweils einen vorher vereinbarten Stundenlohn. «Ich finde es toll, wenn ich meine Fähigkeiten anwenden und weitergeben kann. Ausserdem sind die Anfragen sehr abwechslungsreich.»

«Rentner können etwas bieten.»

Rudolf Heim, Winterthurer

Rudolf Heim wird immer wieder kontaktiert, manchmal auch von denselben Leuten mehrmals in Folge. Einem Ingenieur aus dem Tessin half er bei dessen Bewerbungsschreiben, einer Studentin erklärte er, wie sie ein Inhaltsverzeichnis und eine übersichtliche Struktur für ihre Masterarbeit hinbekommt und für eine Dame montierte er ein Secondhand-Regal. Für die Schweizer Reisezeitschrift Transhelvetica ist er gar längerfristig engagiert. «Ich schreibe für sie regelmässig Auftragsbestätigungen und Rechnungen und entlaste sie so bei administrativen Arbeiten», sagt er.

Erfahren, flexibel und günstig

Von seinem Umfeld bekommt Rudolf Heim Anerkennung. «Viele Kollegen, die derzeit noch arbeiten, staunen über mich und mein Engagement. Von meinen Kindern höre ich manchmal den Spruch: <De Papi chann nöd ufhöre schaffe.> Schlimm finde ich das aber nicht, im Gegenteil.»

Mittlerweile ist Rudolf Heim auch noch auf einer weiteren Rentnerbörse registriert. Die Plattformen scheinen für ihn wie geschaffen. Gemäss dem 66-Jährigen haben sie auch Anbieter und Nutzer viele Vorteile. «Es zeigt, dass Rentner etwas bieten können. Sie haben nämlich jahrelange Berufs- und Lebenserfahrung, sind meist sehr flexibel und günstiger als Fachpersonen.» Der finanzielle Anreiz sei für ihn ein Nebenaspekt. «Mir bereitet es grundsätzlich Freude, jemandem zu helfen, der alleine überfordert wäre. Durch die Aufträge kann ich aber auch interessante Kontakte knüpfen und erhalte spannende Einblicke in die Beschäftigungen von fremden Personen.»

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