Abo

Sport

Ganz neue Perspektiven

Die Läuferin aus Laupen stellt Rekord um Rekord auf

Lena Wernli ist derzeit die schnellste Schweizerin über 400 m Hürden. Sie hat ihre Bestzeit so stark verbessert, dass Grossanlässe wie WM und Olympia in ihr Blickfeld kommen.

Lena Wernli ist diese Saison im Hoch. Sie sagt: «Ich habe dieses Jahr gelernt, zu performen.»

Foto: Christian Merz

Die Läuferin aus Laupen stellt Rekord um Rekord auf

Lena Wernli ist derzeit die schnellste Schweizerin über 400 m Hürden. Sie hat ihre Bestzeit so stark verbessert, dass Grossanlässe wie WM und Olympia in ihr Blickfeld kommen.

Diese Serie wird sie nicht aufrechterhalten können. Darüber ist sich Lena Wernli im Klaren. Vier Rennen in ihrer Spezialdisziplin hat die Laupnerin diese Saison bestritten. Mit dem ungewöhnlichen Ergebnis, dass sie über 400 m Hürden viermal persönliche Bestzeit lief.

Bei 55,19 Sekunden steht Wernli derzeit. Damit ist sie heuer bisher nicht nur die schnellste Schweizer Langhürdlerin. Wernli ist ebenfalls in die Top 5 der ewigen Schweizer Bestenliste vorgestossen.

Innerhalb eines Jahrs hat die Athletin des LC Zürich ihre Bestzeit um über anderthalb Sekunden verbessert. Das ist kein kleines Schrittchen vorwärts, sondern ein Satz nach vorne. Kein Wunder, ist sie mit ihrer Entwicklung zufrieden. Und sagt: «Das macht Lust auf die zweite Saisonhälfte.»

Wie erklärt sich die 24-Jährige die Fortschritte? Die Kurzversion lautet: «Ich habe dieses Jahr gelernt, zu performen.» Und zwar national und international, schliesslich hat sie die jüngste Bestzeit an der Team-EM in Madrid aufgestellt. In ihrem ersten Einzelrennen in der Elite an einem Grossanlass.

Auch letzte Saison wies die Leichtathletin Erfolge auf – die grössten im Team und über die flache Bahnrunde.

So lief sie an der EM in Rom für die Schweizer 4x400-m-Staffel. Und war in derselben Staffel als Ersatz an den Olympischen Spielen in Paris dabei.

Sie rennt in ihrem Potenzial

Die Laupnerin und ihr Trainer Flavio Zberg waren dennoch stets der Meinung, sie rufe in Wettkämpfen nicht das Maximum ab. Im Gegensatz zu den jüngsten Auftritten, wie Wernli findet: «Jetzt habe ich das Gefühl, in meinem Potenzial zu rennen.»

Warum sie das nun schafft? Die Oberländerin hält kurz inne, um bei der Erklärung dann auszuholen. Darin geht es vereinfacht gesagt um die Eigenheiten der Läufe über 400 m – ob flach oder Hürden.

Es ist die längste Sprintdistanz der Leichtathletik. Sie fordert die Athletinnen und Athleten physisch stark. Aber auch mental, weil der Körper in der Schlussphase mit Laktat übersäuert ist. «Es braucht viel, um ans Limit zu gehen, in die Schmerzen hineinzurennen», sagt Wernli.

Dass ihr Letzteres nun gelingt, sieht sie als Erfolgskomponente. «Ich habe im Training weniger Angst, diesen Zustand zu erreichen», sagt sie und schliesst daraus: «Das hat sich in den Wettkampf übertragen.»

Zugleich hat Wernli an ihrem Tempo gearbeitet. Sie ist über die flache Bahnrunde deutlich besser geworden. Offensichtlich ist zudem: Mit jedem guten Ergebnis wächst ihr Selbstvertrauen. Mittlerweile hat sich Wernli in der 4x400-m-Staffel eine bessere Position ergattert. Über 400 m Hürden ist sie national gar die Gejagte.

Es ist eine ungewohnte Rolle für jemanden, der immer etwas im Hintergrund war. Wernli hat derweil ein neues Selbstverständnis entwickelt. Woran das zu erkennen ist? Die Nationalkader-Athletin führt die Team-EM ins Feld. Da ist sie nicht mehr überrascht gewesen, die Schweiz über 400 m Hürden vertreten zu dürfen, sondern hat sich gesagt: «Ich gehöre dahin.»

Man weiss, sie ist chaotisch

Zum Treffen im Zürcher HB kommt Wernli direkt vom Training. Pünktlich. Ihren Angaben zufolge keine Selbstverständlichkeit. «Grundsätzlich bin ich ein sehr chaotischer Mensch», sagt sie. «Ich komme häufig zu spät, vergesse Sachen und bin leicht abzulenken.» Das sei allgemein bekannt, erklärt Wernli.

Die Läuferin ist bisweilen auch vor dem Wettkampf hibbelig, wenn die Konkurrenz gedanklich bereits im Tunnel abgetaucht ist. Trainer Zberg mahnt seine Athletin dann: «Bleib bei dir.» Und Wernli weiss: «Ich rede manchmal ein wenig viel vor den Rennen.»

Lena Wernli, fotografiert bei der Sportanlage Sihlhölzli.
Lena Wernli ist nicht nur auf der Bahn zu Hause. Sie pflegt ein Umfeld ausserhalb des Leistungssports.

Im Gespräch muss man ihr nichts entlocken. Wernli ist offen, antwortet ausführlich. Sie spricht schnell, korrigiert sich das eine oder andere Mal und schiebt bisweilen mit beiden Händen die Haare zurück.

Immer wieder lächelt sie. Man spürt, wie gut es ihr aktuell geht. Klar, die sportlichen Resultate haben sie beflügelt. Wernli definiert sich aber keineswegs ausschliesslich über den Leistungssport. Im Gegenteil. Sie studiert Jus, weil sie es mag, «nicht nur physisch herausgefordert zu werden». Und sagt: «Mein Umfeld ausserhalb des Sports ist mir sehr wichtig.»

Die Leichtathletin bezeichnet sich als ausgeglichen. «Mit einem emotionalen Part.» Nach sportlichen Enttäuschungen hilft es ihr, die Gefühle rauszulassen. «Kurz und intensiv», präzisiert sie, «dann switche ich um zu rationalen Gedanken.»

Die WM-Limite – warum auch nicht?

Enttäuschungen waren zuletzt keine auszumachen. Stattdessen kann Wernli sich schon zur Jahresmitte neu orientieren. Ihr ursprüngliches Ziel für 2025, erstmals unter 56 Sekunden zu bleiben, scheint wie aus einer anderen Zeit.

Nun peilt sie die 55-Sekunden-Marke an. Zur besseren Einordnung: In den letzten fünf Jahren knackten diese mit Yasmin Giger und der mittlerweile zurückgetretenen Lea Sprunger nur zwei Schweizerinnen.

Eine erste Chance, unter 55 Sekunden zu bleiben, bietet sich Wernli an der Universiade in Deutschland (16. bis 27. Juli). Unabhängig davon ist die WM in Wernlis Blickfeld gerückt. Sie kann sich über die Weltrangliste für die Titelkämpfe im September in Tokio qualifizieren. Oder über die Limite, die bei 54,65 Sekunden liegt. «Das fühlt sich schon sehr schnell an, wenn ich daran denke», sagt Wernli. Und doch: «An einem guten Tag kann ich mir vorstellen, dass diese Zeit möglich ist.»

Die Dimensionen haben sich verschoben. Auch was eine mögliche Olympia-Teilnahme 2028 betrifft. In diesem Zusammenhang erstaunlich: Nicht einmal in ihrer Jugend deklarierte die Läuferin Olympia als grosses Ziel. «Es fühlte sich bis vor Kurzem noch sehr unerreichbar an», begründet sie. Auch jetzt will Wernli sich nicht dahingehend äussern, die Spiele von Los Angeles ins Zentrum ihrer Bemühungen zu stellen.

Die Fortschritte haben ihr Denken aber verändert. Wernli sagt zumindest: «Jetzt aber habe ich grosse Lust bekommen, es zu schaffen.»

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.