Der Pfäffiker Friedhofsgärtner tritt ab
Christoph Bosshard sitzt in seiner Wohnung im obersten Stock an der Hittnauerstrasse und blickt aus dem Fenster. Bis vor kurzem standen hier noch Treibhäuser. Seine Treibhäuser.
Doch so etwas wie Wehmut kennt er nicht. « Es ist einfach so » , sagt der 63-Jährige und zuckt mit den Schultern. « Die Erde wird sich auch ohne uns weiterdrehen. Das ist der Lauf der Zeit. » Der Lauf der Zeit hat dazu geführt, dass er per Ende Jahr seine Gärtnerei und das dazugehörige Gartenbauunternehmen liquidiert. Und das nach 144-jährigem Bestehen.
Gegründet wurde die Gärtnerei Bosshard 1874 – ob von seinem Ururur- oder dem Ururururgrossvater weiss er nicht so genau. Da wo einmal die Treibhäuser waren, stehen nun drei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 25 Wohnungen, Christoph Bosshard und seine Frau Joyce wohnen in einer Attikawohnung.
« Die Erde wird sich auch ohne uns weiterdrehen. Das ist der Lauf der Zeit. »
Christoph Bosshard, Unternehmer
Ursprünglich hat Christoph Bosshard Bauzeichner gelernt, anschliessend studierte er Landschaftsarchitektur. Auf die Frage, ob er das Geschäft seines Vaters gerne übernahm, sagt Bosshard lapidar: « Es hat sich einfach so ergeben. »
Kennt man Christoph Bosshard nicht, könnte man ihn als etwas mürrisch empfinden. Doch unter der harten Schale liegt ein weicher Kern. Dieser kommt beispielsweise zum Vorschein, wenn er seine Frau liebevoll nach Jahreszahlen fragt – « sie hat ein besseres Gedächtnis als ich. »
1991 übernahm er mit ihr zusammen die Gärtnerei Bosshard. Sie, ebenfalls eine Pfäffikerin, lernte er im damaligen Restaurant Tannenbaum kennen.
Keine Nachfolgeregelung gefunden
Sie hatte Arztgehilfin gelernt und wartete darauf, ein Praktikum anzufangen. Die Zeit dazwischen wollte sie nutzen, um in der Gärtnerei als « Jätimeitli » etwas Geld zu verdienen. Sie blieb. Die beiden heirateten 1979, bekamen vier Söhne.
« Ich habe einfach keine Lust mehr. »
Christoph Bosshard, Unternehmer
Zwei davon haben eine Ausbildung als Gärtner gemacht, einer arbeitet im Betrieb der Eltern. Doch keiner von ihnen wollte die Firma mit acht Angestellten übernehmen, als Christoph Bosshard und seine Frau Joyce sich entschlossen, altershalber zurückzutreten.
Oder wie er es ausdrückt: « Ich habe einfach keine Lust mehr. » Sein Leben lang hat er « chrampfet » – statt früh aufzustehen, schläft er mittlerweile lieber aus.
Auch wenn herauszuhören ist, dass es ihn etwas schmerzt, dass er keinen Nachfolger fand, kann er seine Söhne verstehen. « Es ist ein dermassen hartes Business » , sagt er. Die Konkurrenz, unter anderem durch die Grossverteiler, sei enorm. « Wenn man denkt, wie viele Gärtnereien es einmal in Pfäffikon gab. Jetzt verschwindet eine nach der anderen. »
Ein Teil der Angestellten hat bereits einen neuen Job gefunden, andere sind noch auf der Suche. «Im Winter ist es schwierig für Gärtner, etwas zu finden. Aber im Frühling werden alle wieder eine Stelle haben.»
Enge Familienbande
Mit ihren Söhnen pflegen Bosshards ein enges Verhältnis. Alle wohnen sie im gleichen Haus oder in unmittelbarer Umgebung. Beim Reggae-Open Air Reeds, das der Zweitälteste ins Leben gerufen hat, sind Christoph und Joyce Bosshard und auch die anderen drei Söhne als engagierte Helfer dabei.
Die Gärtnerei Bosshard erledigt seit 1958, seit zwei Generationen, die Gartenarbeiten auf dem Friedhof Pfäffikon, bepflanzt Gräber, gräbt Löcher für die Särge aus, hält den Friedhof sauber.
« Das ist schon ein spezieller Zweig » , sagt Christoph Bosshard. « Man muss lernen, mit der Trauer und den Hinterbliebenen umzugehen. » Und auch das Auftreten sei ein anderes. « Da kann man nicht mit dem ‹blutten Ranzen› gärtnern » , sagt er und deutet ein Lächeln an.
« Wenn man so oft damit konfrontiert ist, stumpft man vielleicht ein wenig ab. »
Christoph Bosshard, Unternehmer
An die Stimmung auf dem Friedhof habe er sich gewöhnt. « Ich empfinde es nicht als speziell bedrückend » , sagt er. « Aber wenn man so oft damit konfrontiert ist, stumpft man vielleicht auch ein wenig ab. » Gartenbautechnisch sei auf dem Friedhof nicht viel Kreativität möglich, schliesslich müsse man sich an die Friedhofsverordnung halten.
20 Jahre lang war er Präsident des Fachrats Friedhof des schweizerischen Gärtnermeisterverbands. « Sozusagen der Obergrufti der Schweiz » , sagt er. « Das ist schon ein Thema, das mich interessiert. » Ihn fasziniere, dass im Tod alle gleich seien. « Auf dem Friedhof sieht man das gut. »
Wie vieles andere habe sich auch die Friedhofskultur in den letzten 20 Jahren enorm gewandelt. « Es wird immer anonymer und gibt immer weniger Erdbestattungen. Ausserdem ist es im Trend, die Asche irgendwo zu verstreuen. » Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er davon nicht sehr viel hält.
Faszination Afrika
In der Wohnung von Bosshards ist ein Zimmer als Kinderzimmer eingerichtet, im Bad steht ein Wickeltisch, im Wohnzimmer eine Kiste mit Spielzeug. Die zwei Enkel sind oft zu Besuch.
Ausserdem hängen an einer Wand afrikanische Masken und Bilder. Das Ehepaar war schon über 30 Mal in Afrika. « Dieser Kontinent fasziniert uns einfach » , sagt Christoph Bosshard. Wenn die Geschäftsauflösung über die Bühne ist, möchten sie wieder reisen gehen.
Langweilig wird es Bosshards nach der Pensionierung kaum werden. Auch das Gärtnern wollen sie nicht ganz aufgeben. Vor dem Haus steht ein kleines Treibhaus.
Dort pflanzt Joyce Bosshard Pflanzen und Gemüse an. « Spezielles aus Afrika, Zierpflanzen, Kakteen und Chillis » , erklärt die 60-Jährige. Christoph Bosshard schaut wieder zum Fenster raus. Den alten Treibhäusern weint er keine Tränen nach. « Am Schluss waren wir nur noch am Flicken. Ich bin froh, sind sie weg. »
Die Bosshard Garten AG löst sich Ende Jahr auf und beendet somit auch die Zusammenarbeit mit der Gemeinde auf dem Friedhof. Die Keller & Meier Gartengestaltung AG aus Pfäffikon übernimmt einen Teil des Firmenequipments. Sie wurde von der Gemeinde befristet für ein Jahr mit den Aufgaben des Friedhofgärtners beauftragt. Wie die Gemeinde mitteilt, ist für den Betrieb ab 2020 im Verlauf des kommenden Jahres ein neues Submissionsverfahren geplant.