Daniel Kachel tritt aus dem Parlament aus – zu Unrecht?
Der GLP-Parlamentarier in Illnau-Effretikon hat als Stiftungsrat bei der Pensionskasse BVK kandidiert. Dafür musste er aus dem Parlament austreten, hiess es. Stadträtin Brigitte Röösli zweifelt jedoch an dieser Methode.
In den Auslandsferien musste Daniel Kachel (GLP) innert fünf Tagen eine Entscheidung treffen: Will er im Stadtparlament Illnau-Effretikon verbleiben oder weiterhin als Stiftungsrat für die Pensionskasse der öffentlich Angestellten des Kantons (BVK) kandidieren?
Parlamentarier ist der Sekundarschullehrer seit 2019. Er ist ausserdem Präsident des Berufsverbands Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich (SekZH) und Vizepräsident des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands (ZLV). Und im Frühjahr hat nun Kachel an der Erneuerungswahl der BVK als Stiftungsrat kandidiert.
«Für diese Wahl habe ich mich schon im Herbst vorbereitet», erzählt er. Damals sei sein Sitz im Parlament noch kein Thema gewesen. Nach der Eingabefrist habe der Wahlausschuss jedoch eine Prüfung durchgeführt, worauf er mit der Entscheidung – und der fünftägigen Frist – konfrontiert worden sei.
Weder das eine noch das andere
Weshalb war jedoch der Sitz im Parlament ein Problem? Die BVK begründete dies damit, dass ein Parlamentarier politischen Einfluss auf den Arbeitgeber nehmen könnte. Im Fall von Daniel Kachel ist dies die Stadt.
In den Augen der BVK nimmt Kachel damit die Rolle eines Arbeitgebers ein. Genau dies führe zu einem Interessenkonflikt: Wer in einem kantonalen oder kommunalen Parlament sitzt, könne die Haltung des Arbeitgebers in Personal- und Vorsorgefragen entscheidend mitprägen.
Deshalb würden Parlamentarier vom passiven Wahlrecht als Arbeitnehmervertreter ausgeschlossen – also von der Möglichkeit, sich überhaupt für ein solches Mandat wählen zu lassen.
Der Stiftungsrat der BVK
Der Stiftungsrat der Pensionskasse der öffentlich Angestellten des Kantons BVK hat gesamthaft 18 Mitglieder. Je neun vertreten Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diese sind auf sechs Wahlkreise verteilt, die jeweils für eine Branche stehen.
Der Wahlkreis l ist für Schulen im Kanton, Wahlkreis ll für übrige Angestellte im Kanton. Die anderen Wahlkreise sind beispielsweise Gemeinden, Gesundheitsinstitutionen oder Bildungsorganisationen, die sich der Pensionskasse als Arbeitgeber angeschlossen haben. Kachel kandidierte als Arbeitnehmervertreter im Wahlkreis l, der zwei Sitze hat. (mgp)
Aus Sicht von Kachel ist er aber ein Arbeitnehmer, weil er als Sekundarlehrer einen Lohn vom Kanton erhält, weswegen er auch als Arbeitnehmervertretung kandidierte.
Unter Druck traf Kachel also eine Entscheidung. Er wollte das Parlament verlassen und schlug Beatrice Ehmann als Nachfolgerin vor, die kurz darauf im Parlament nachrückte. «Ich hatte nicht wirklich Zeit, über meinen Rücktritt nachzudenken», erzählt Kachel. Ihm sei jedoch nichts anderes übrig geblieben.
«Ich musste damit rechnen, dass es so kommt, wie es jetzt gekommen ist.» Kachel ist nicht in den Stiftungsrat gewählt worden, seine 425 Stimmen haben nicht gereicht. So war er plötzlich weder Parlamentarier noch Stiftungsrat. Dabei enttäuschte ihn nicht nur das Ergebnis, sondern auch die tiefe Wahlbeteiligung von knappen 9 Prozent, wie er auf der Plattform Linkedin lamentiert.
«Selbstverständlich war ich frustriert», sagt Kachel. Seinen Rücktritt aus dem Parlament hätte er sich anders gewünscht – später und bedachter. Die Schuld gibt der ehemalige Parlamentarier aber vor allem sich selbst. «Ich hätte schon mehr Werbung machen können für mich, aber ich war etwas blauäugig.»
Er dachte, das komme schon gut. Ausserdem habe er nach der Entscheidung die Wahl ein wenig schleifen lassen. «Die gesamte Situation hat mich etwas ‹angegurkt›.»
Anfrage zur «fragwürdigen Praxis»
Kachels Rücktritt aus dem Parlament blieb jedoch nicht bloss bedauert. Brigitte Röösli (SP), Kantons- und Stadträtin in Illnau-Effretikon, kann die Handhabung des BVK-Stiftungsrats nicht nachvollziehen und reichte den Vorstoss «Fragwürdige Praxis bei der Wahl in den BVK-Stiftungsrat» beim Regierungsrat ein.
Darin stellt sie infrage, ob es rechtlich zulässig ist, dass Parlamentsmitglieder als Arbeitnehmervertretung im Stiftungsrat der BVK ausgeschlossen werden. Mitunterzeichnet haben Kantonsrat Andreas Hasler (GLP) und Parlamentarier René Truninger (SVP), beide aus Illnau-Effretikon.
Gemäss damaligem Wahlreglement der BVK ist die Doppelfunktion als Parlamentarier und arbeitnehmervertretender Stiftungsrat nicht per se verboten. In der Regelung werden lediglich Exekutivämter wie Gemeinde- oder Regierungsräte konkret genannt. Ein Sitz im Stadtparlament wird dabei nicht erwähnt. Die Forderung, ein Kandidat müsse sein Mandat niederlegen, stützte sich somit nicht direkt auf das Reglement.
Kantonsrätin kritisiert den Ausschluss
«Kachel ist ein souveräner Politiker, der sich engagiert und Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen will», erklärt Röösli. «Es gibt keinen Grund, wieso sich die Arbeit als Parlamentarier und als Stiftungsrat der BVK nicht miteinander vereinbaren lasse.»
Würde man das Argument konsequent zu Ende denken, müssten auch Stimmberechtigte ausgeschlossen werden, die an einer Gemeindeversammlung mitentscheiden, argumentiert die Kantonsrätin weiter.
Röösli vermutet, dass hier das politische Verständnis etwas durcheinander geraten ist. «Vielleicht wollte der Stiftungsrat die Arbeit besonders gut machen und war dabei zu streng.» Denn wäre die oben genannte Begründung tatsächlich rechtlich zulässig, so hätte ein Parlamentsrücktritt auch nach einer erfolgreichen Wahl als Stiftungsrat erfolgen können.
Und der voreilige Rücktritt habe das Parlament zutiefst beschäftigt. «Kachel ist ein intelligenter Mann», sagt Röösli. «Ich glaube nicht, dass er zurückgetreten wäre, wenn man ihm das nicht so kommuniziert hätte.»
Stiftungsrat weist Kritik zurück
Die BVK hält an seiner Handhabung jedoch fest. Der Entscheid sei vorgängig sorgfältig geprüft, begründet und dem Kandidaten fristgerecht mitgeteilt worden, schreibt die BVK auf Anfrage. Ein wesentlicher Punkt für das Vorgehen sei dabei die Gleichbehandlung mit einem Fall bei der vorangegangenen Wahl gewesen. Die Beschwerdefrist ist abgelaufen und das Resultat somit rechtsgültig, schreibt die BVK.
Regierungsrat versus BVK
Bei der BVK handelt es sich um eine privatrechtliche Stiftung, deren oberstes Organ der Stiftungsrat ist. Der Regierungsrat hat auf die laufenden Geschäfte und Beschlüsse des Stiftungsrats keinen direkten Einfluss. (mgp)
Zu Rööslis Vergleich, wo es heisst, dass nach einer solchen Praxis auch Stimmberechtigte an einer Gemeindeversammlung ausgeschlossen werden müssten, will die BVK sich nicht äussern. Eine Anpassung des Wahlreglements ist trotzdem vorgenommen worden: Seit dem 1. Juli muss der Rücktritt aus einem Parlament erst nach der Wahl eingereicht werden.
Mehr Zeit für anderes
Dass sich die Politikerinnen und die Politiker in Illnau-Effretikon für Daniel Kachel eingesetzt haben, freut ihn. Doch Kachel ist ein guter Verlierer: «Ich will niemandem den Sitz streitig machen», sagt er. «Und ich will nicht gegen die BVK schiessen.» Auch wenn er die Angelegenheit anders als die BVK angegangen wäre.
Nochmals für das Parlament kandidieren wird er in den kommenden Wahlen jedoch nicht. «Ich käme mir irgendwie blöd vor», gesteht Kachel. Er würde wahrscheinlich aufgeführt, jedoch ganz zuunterst in der Liste. Für ihn ist dieses Kapitel beendet.
Das Engagement hört für ihn jedoch bei Weitem nicht auf. In der Bildungspolitik ist er zu Hause, wo er sein Netzwerk pflegen und sich weiterhin einsetzen wird. Auch als Vorstand bei der GLP Illnau-Effretikon geht ihm die Arbeit nicht aus. «Wer weiss, vielleicht besteht ja irgendwann die Chance, Politik auf kantonaler Ebene zu betreiben.» Und wenn er nun mehr Zeit für seine Familie habe, sei er dankbar.