Bundesrat Cassis unterstreicht die Bedeutung des Ustertags für die Demokratie weltweit
Hoher Besuch aus Bundesbern
Am Sonntagnachmittag beehrte Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) den Ustertag als Hauptredner. Er würdigte die Stadt Uster als Vorreiter für die liberale Revolution.
«Mit dem Ustertag wurde ein entscheidender Schritt in der Entstehungsgeschichte unseres Landes gemacht», eröffnete Bundesrat Ignazio Cassis (FDP) seine Ansprache. Er liess den Blick der zahlreichen Zuschauer von Uster auf die Schweiz und schliesslich auf das globale Geschehen wandern.
«Es war ein steiniger Weg, bis die erste Verfassung der Schweiz in Kraft treten konnte», blickte der Aussenminister zurück, «unsere heutigen Werte wurden hart erkämpft.» Der Ustertag habe für eine Zeitenwende für das Leben von Milliarden Menschen gesorgt. «Ich verwende ‹Uster› als Synonym für die liberale Revolution. Diese hat den Weg für den Siegeszug der Demokratien weltweit geebnet.»
Heute stecke die Demokratie in der Krise, «das autokratische Denken ist wieder in Mode gekommen». In den letzten zwei Jahren seien weltweit in mehr Staaten Rückschritte in der Demokratie zu verzeichnen gewesen als Fortschritte. «Seit der Finanzkrise 2008 sind populistische Strömungen immer wieder aufgeflammt», erklärte Ignazio Cassis. Die Welt werde rauer und weniger westlich. «Die internationale Ordnung droht immer mehr eine Weltunordnung zu werden.» Damit sprach er unter anderem auch die aktuell herrschenden Kriege an.
Lösungsansätze für Zeitenwende finden
Die durch die aktuelle Zeitenwende entstandenen Entwicklungen würde auch die Schweizer Aussenpolitik vor grosse Herausforderungen stellen. Die Schweiz müsse Antworten auf diese Zeitenwende vorbringen, so Aussenminister Cassis:
- «In einer polarisierten, unsicheren Welt muss die Schweiz mit allen Regionen Kontakte pflegen, Beziehungen stabilisieren.»
- «Die Schweiz muss agiler und fokussierter werden, die Politik muss überprüft und neu gedacht werden.»
- «Der Kreis schliesst sich – die Förderung der Demokratie muss wieder zu einem Schwerpunkt werden.»
Der Bundesrat warnte davor, in einen westlichen Kulturpessimismus zu verfallen: «Ich bin überzeugt davon, dass sich alles wieder zum Guten wendet», die liberale Demokratie habe immer ein paar Asse im Ärmel. «Zentral ist das Streben nach Freiheit, und dafür sind wir heute in Uster.»




Wichtig sei, Tage wie diese zu verwenden, um zu reflektieren: «Im internationalen Vergleich ist die Schweiz eines der reichsten, innovativsten Länder mit einer der zufriedensten Gesellschaften», führte Cassis aus, «wissen wir diese Werte zu schätzen, tragen wir Sorge dazu oder gehen wir gar fahrlässig damit um?»
Als grösste Gefahren für eine funktionierende Demokratie zählte Cassis den Zerfall der Eigenverantwortung sowie die Verletzung der Menschenrechte auf. «Auch wenn die Vielfalt immer mehr zu einem Störfaktor wird, ist das ein Problem», führte er aus. In vielen Ländern werde die kulturelle oder religiöse Vielfalt sogar zum Brennpunkt. «Viele verschiedene Meinungen fliessen in der Schweiz in politische Entscheidungen ein», so Cassis, «wir sind dadurch nicht immer das schnellste Land, aber es führt zu besseren Lösungen und hält unser Land zusammen.»
Der Tessiner Bundesrat beendete seine Rede mit einem Zitat Winston Churchills: «Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.» Für diese und weitere humorvolle Einlagen erntete er amüsiertes Schmunzeln. Und für seine Leistung in der Kanzel insgesamt begeisterten Beifall.
Bildung als zentrales Thema in Vorrede
Für die Vorrede konnte das zehnköpfige Komitee des Ustertags um Obmann Christoph Keller die gewählte Nationalrätin Yvonne Bürgin (Die Mitte) gewinnen. Die Gemeindepräsidentin aus Rüti erklärte eingangs, dass die Themen aus dem Jahr 1830 auch heute noch aktuell seien: «Damals war die Landbevölkerung benachteiligt – heute sorgen politische Differenzen für Spannungen.»
Damit sprach sie die Unterschiede zwischen Stadt und Land an, mit Seitenhieben auf Gendersterne und Menstruationsurlaub für Verwaltungsmitarbeiterinnen. Oder auf die Abspaltungsinitiativen von Aussenwachten rund um Uster: «Als ‹Fremde› aus Rüti mische ich mich allerdings nicht in Ustermer Angelegenheiten ein», fügte sie schmunzelnd an.

Im Zentrum der Rede Bürgins stand das Thema Bildung. Sie sei 1830 schon ein Schlüssel für die liberale Revolutionsbewegung gewesen und sei es auch heute noch, «nur mit Bildung können wir in der sich rasch wandelnden Welt bestehen».
Die Nationalrätin sprach den raschen Wandel an, der in unseren Alltag eingreife, wie zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz wie einem Chatbot, der moderne maschinelle Lerntechnologien einsetze. Als besonderes «Schmankerl» zitierte sie am Schluss eine Passage aus dem Chatbot, «aus Neugier habe ich dem Chatbot den Auftrag erteilt, mir eine Rede zum Ustertag auszuspucken». Das Ergebnis war verblüffend zutreffend.
Mit ihrer menschlichen Einschätzung fügte sie an: «Wir dürfen die Entwicklung nicht einfach geschehen lassen – wir müssen sie prägen.»