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«Auf einmal wollte jeder etwas von mir»

Für Alessio Miggiano ging am Samstag ein Kindheitstraum in Erfüllung. Das sagt der Bubiker über seinen ersten Weltcup-Start.

Für ihn schien in Gröden die Sonne: Alessio Miggiano im Startgelände der Saslong-Abfahrtsstrecke.

Foto: PD

«Auf einmal wollte jeder etwas von mir»

Bubiker nach Weltcup-Debüt

So erlebte Alessio Miggiano (22) seine Weltcup-Feuertaufe in der Abfahrt von Gröden.

Vor zwei Wochen nahm er seinen zweiten Europacup-Winter in Angriff – und nun schnupperte Alessio Miggiano bereits erstmals Weltcup-Luft. Der 22-jährige Bubiker schildert im Interview seine Erlebnisse in Gröden.

Sie haben Ihr Weltcup-Debüt hinter sich. Welcher Moment bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Alessio Miggiano: Jener, als ich am Samstag über die Ziellinie fuhr. Noch bevor ich auf die Zeit schaute, dachte ich: «Darauf hatte ich immer gewartet, jetzt habe ich es geschafft – und jetzt bin ich bereit für mehr.» Das war ein extrem schönes Gefühl.

Heisst das, Sie waren mit Ihrer Fahrt zufrieden, die zum 46. Rang reichte?

Eigentlich nicht, nein. Ich hatte mir fest vorgenommen, den Tag zu geniessen – und logischerweise auch gut Ski zu fahren. Es war sicher nicht alles schlecht, grundsätzlich kann man darauf aufbauen. Oben hätte ich zwei, drei Dinge besser machen können. Und dann ist da die Ausfahrt im letzten Teil aus der Ciaslat, wo es mich ziemlich versetzt hat. Das war ein bisschen schade, denn im Training traf ich die Ausfahrt extrem gut. Es wäre nicht gut, wenn mich das nicht fuchsen würde. Aber ich gehe definitiv mit einem guten Gefühl weg. Ich konnte unabhängig vom Skifahren sehr viel lernen.

Was sind die wichtigsten Dinge, die im Weltcup anders sind?

Der grösste Unterschied ist das Streckenprofil. Die Strecke ist länger, die Sprünge sind weiter, die Torabstände sind grösser, das Tempo ist deutlich höher. Daran musste ich mich schon gewöhnen. Und dann hat man auch extrem viel Wartezeit. Ich ging zu einem Zeitpunkt ins Rennen, zu dem ich im Europacup normalerweise von meinem Powernap nach dem Mittag aufwache. Die Spannung aufrechtzuerhalten, das braucht schon ziemlich Energie, das spürte ich die ganze Woche hindurch. Daran muss man sich gewöhnen – das kann ich sicher mitnehmen für die Zukunft.

Die Saslong ist eine anspruchsvolle Piste: Hätten Sie sich eine einfachere Strecke fürs Debüt gewünscht?

Nein, gar nicht, auf mein Stärkenprofil passte das gut – ich fühle mich grundsätzlich wohl in der Luft. Deswegen durfte ich wohl auch mit. Im ersten Training war ich sicher noch sehr vorsichtig, fühlte mich dann aber auch so wohl, um im zweiten Training näher ans Limit zu gehen, als es zählte.

Wie fielen die Reaktionen aus?

Seit dem zweiten Training (Miggiano wurde 6. und setzte sich damit in der internen Schweizer Qualifikation durch – die Red.) war mein Handy nie mehr ruhig. Auf einmal wollte jeder etwas von mir – ein sehr cooles Gefühl, aber völlig ungewohnt. Noch bevor ich selber irgendetwas postete, hatte ich 80 unbeantwortete Nachrichten auf Whatsapp und ungefähr 50 auf Instagram. Das fühlte sich völlig surreal an.

Und haben Sie alle beantwortet?

Ja, doch. Ich bin einer, den es nur schon stresst, wenn er eine unbeantwortete Nachricht hat (lacht).

Und wie waren die Reaktionen vor Ort?

Am Freitag schaute ich den Super-G im Zielraum, und da wollten die Leute Fotos mit mir machen. Das fühlte sich schon speziell an. Ich habe ja keinen Weltmeistertitel gewonnen oder so. Und am Samstag nach dem Rennen hat einer gefragt, ob er meine Startnummer haben könne. Ich sagte ihm, ich wolle sie behalten, es sei mein erstes Rennen. Dann fragte er nach meinen Stöcken – und ich sagte: «Nein, die brauche ich noch.» Und eigentlich wollte ich zuerst einmal meine Familie sehen ...

Alessio Miggiano
Alessio Miggiano (Vierter von links) mit Skifreunden im Zielraum in Gröden.

Was erhielten Sie von den Trainern für Rückmeldungen?

Sie waren zufrieden und haben mir für ein gelungenes Debüt gratuliert. Eine besondere Begegnung hatte ich mit Niels Hintermann – ich hatte vorher mit ihm noch nicht wirklich gesprochen, und er sah im Zielraum, dass ich mich etwas ärgerte. Da sagte er zu mir, dass es fürs erste Mal eine wirklich gute Leistung gewesen sei, dass ich stolz sein solle und darauf aufbauen könne.

Das klingt positiv – also fühlen Sie sich für weitere Weltcup-Einsätze bereit?

Ich glaube, dass ich skifahrerisch auf einem guten Niveau bin und mir das zutrauen kann – ja, ich bin bereit.

Wie geht es für Sie weiter? Die nächsten Europacup-Rennen sind erst Mitte Januar. Im Weltcup stehen in der Altjahrswoche die Rennen in Bormio auf dem Programm: Dürfen Sie dorthin mit?

Das weiss ich noch nicht. Allgemein hat der Europacup Priorität, denn die Swiss-Ski-Führung hat das Ziel, so viele Weltcup-Fixplätze (Podestplätze in der Europacup-Disziplinenwertung – die Red.) wie möglich zu holen. Vielleicht darf ich nun in Bormio noch einmal mit. Vielleicht gibt es aber nach diesen intensiven Tagen auch eine Pause und einige Trainingstage, um dann gut vorbereitet in den vollen Europacup-Januar zu starten. Es wäre beides okay für mich.

Ihr Saisonstart lässt sich unabhängig davon sehen, mit den Rängen 8 und 4 in den ersten Europacup-Abfahrten und dem Weltcup-Debüt. Wo sehen Sie die Gründe für diese Erfolge?

Ich setze mir nicht zu hohe Resultate in den Kopf, sondern konzentriere mich aufs Skifahren. Wenn das passt, dann passt alles andere auch – dann sprechen die Resultate auch für mich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es gleich so gut geht. Aber ich hatte es mir zugetraut und es mir natürlich auch erhofft.

Verändern die guten Resultate Ihre Erwartungshaltung?

Ich hebe schon nicht ab, doch nach diesen Wochen werde ich im Europacup nicht mehr mit einem 12. oder 14. Rang zufrieden sein. Die Resultate geben mir das Vertrauen, zu sagen: Ich will vorne mitmischen ...

... und einen Fixplatz im Weltcup anstreben?

Dafür ist es schon noch etwas gar früh in der Saison. Vielleicht bin ich ja dann irgendwann so weit (lacht).

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