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Gesellschaft

Als Männer nur ohne Waffen im Gasthof Gyrenbad baden durften

Ein neues Büchlein hält die Erinnerungen an das alte «Gyrenbad» ob Turbenthal lebendig. Es stammt aus der Feder von Lore Kunz.

So zeigt sich das «Gyrenbad» heute. Ein neues Büchlein erinnert an die Zeit, als in dem Gasthof noch gebadet werden konnte.

Foto: Claudia Mracsek-Biotti

Als Männer nur ohne Waffen im Gasthof Gyrenbad baden durften

Geschichten aus dem «Gyrenbad»

Die jetzigen Besitzer des «Gyrenbads» haben zur Vernissage des Büchleins «Geschichten aus dem Gyrenbad» eingeladen. Es ist eine Hommage an die Familie Kunz, die den Gasthof die letzten 90 Jahre in drei Generationen führte.

Claudia Mracsek-Biotti

Lore Kunz-Abbühl kam 1960 durch die Heirat mit Hans Kunz ins «Gyrenbad», als der Badebetrieb noch in vollem Gang war. Ihre Erinnerungen ans Kurhotel mit Badebetrieb und Gastwirtschaft sind nun in einem liebevoll gestalteten Büchlein mit vielen Archivfotos dokumentiert.

Die Geschichte des Hauses geht auf das Jahr 1364 zurück. Der Badebetrieb findet 100 Jahre später erstmals Erwähnung und wurde erst 1968 wegen der Konkurrenz durch neue thermale Bewegungsbäder wie in Bad Ragaz oder Zurzach eingestellt.

«Meine Mutter kümmert sich bis heute ums ‹Gyrenbad› und hat riesige Freude am Büchlein mit ihrem Erinnerungsschatz», erklärte ihre Tochter Monika Kunz an der Vernissage im Feuerkeller. Den Anlass organisierten Elias und Julia Furrer, die das «Gyrenbad» 2022 übernommen haben.

Die Idee für die «Geschichten aus dem Gyrenbad» entstand, als die Familien Kunz und Furrer anlässlich der Betriebsübernahme gemütlich am Stammtisch zusammensassen und Lore Kunz ins Erzählen kam. «Jetzt war der Moment, diese Perlen festzuhalten», erklärte Elias Furrer, Verwaltungsratspräsident der Gasthof Gyrenbad AG. «Denn die Gebäude bleiben uns erhalten, aber die Menschen und ihre Erinnerungen leider nicht.»

Lore Kunz, die in Deutschland aufgewachsen ist, wusste sogleich nachzudoppeln: «Ich habe so viele Geschichten im Kopf, begegnete zahlreichen illustren Persönlichkeiten, das würde ein dickes Buch füllen.»

Badegeschenke für Persönlichkeiten

Bei seiner Lesung gab Michael Hutzli (parteilos), Kommunikationsfachmann und Wilemer Gemeinderat, einen Einblick in Kunz’ Werk. Er identifizierte verschiedene Gründe, weshalb das «Gyrenbad» über mehrere Jahrhunderte ein beliebter Kurort war. 1997 wurde es von einer internationalen denkmalpflegerischen Organisation sogar als «historisches Hotel des Jahres» ausgezeichnet.

Ein traditionsreiches Plus seien bestimmt die sogenannten Badenschenkys, Badegeschenke für hohe Persönlichkeiten, gewesen, erklärte er. «Der Zürcher Reformator und Zwingli-Nachfolger Heinrich Bullinger bekam bei seinem Besuch vom Neftenbacher Pfarrer einen silbernen Becher überreicht. Und der Elgger Rat sandte wichtigen Personen jeweils ein Goldstück, ein Kalb oder ein Schaf ins Bad», las er den staunenden Gästen vor.

Neben der schönen Kurhotel-Anlage und der frischen Luft lockte natürlich insbesondere die Wasserqualität unzählige Gäste an. Im 18. Jahrhundert sollen zeitweise bis zu 300 Menschen gleichzeitig im «Gyrenbad» gekurt haben und mussten teils in der Umgebung untergebracht werden.

Strikte Regeln für die Badegäste

«Ein Dr. J. Volmar aus Zürich soll um 1500 die heilsamen Kräfte der kalten Quelle untersucht und Alaun, Kupfer, Vitriol und Schwefel festgestellt haben und empfahl es für eine ganze Reihe von Krankheiten», berichtete Hutzli weiter.

Und Lore Kunz bestätigt, dass das Wasser gesund sein müsse: «Jacques Kuhn aus Rikon, der den legendären Dampfkochtopf erfunden hat und bis übers 90. Lebensjahr hinaus spannende Kriminalromane schrieb, erzählte mir, dass er als Bub mit seinem Vater oft aufs ‹Gyrenbad› gewandert und vom Vater ermuntert worden sei, das ‹Kurwasser› vom Brunnen zu trinken.»

Das Büchlein enthüllt ein weiteres Kriterium für den Erfolg – die Baderegeln. Hutzli liess es sich nicht nehmen, diese vorzulesen: «In der ersten Badeordnung der Gerichtsherren von Breitenlandenberg aus dem Jahr 1603 war festgelegt, dass niemand mit einem Degen oder Gewehr ins Bad hineinkommen und schwören oder fluchen dürfe, alle ihre Füsse sauber waschen und sich züchtig benehmen mussten, da Männer und Frauen gleichzeitig in die 35 Wannen stiegen, die 82 Personen Platz boten.»

Ambitionierte Pläne für die Zukunft

Julia Furrer, Architektin und Verwaltungsrätin der Gasthof Gyrenbad AG, präsentierte abschliessend das neu erschienene Buch «Hotelgeschichten» der Marketing-Kooperation Swiss Historic Hotels, in dem auch das «Gyrenbad» figuriert.

Zudem referierte sie über die ambitionierten Visionen, die sie zusammen mit ihrem Mann Elias Furrer entwickelt, der ebenfalls Architekt ist und aus Wila stammt. «Wir sehen grosses Potenzial im ‹Gyrenbad›», betonte sie. Als Erstes ist geplant, neben den bisherigen sieben Zimmern im Osttrakt den Westtrakt aufzupolieren. So kann der Gasthof zehn zusätzliche Zimmer mit neuen Badezimmern anbieten.

Danach wollen die Furrers eine bessere ÖV-Anbindung in Angriff nehmen, beispielsweise mit einem Shuttle-Bus. Und zu guter Letzt: «Irgendwann soll man auch wieder baden können im ‹Gyrenbad›», verrät Furrer freudig.

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