Als Kühe aus Dürnten im Kosovo landeten
Kühe für den Kosovo hiess eine Aktion, die vor 25 Jahren stattfand. Dabei erhielten Bauernfamilien im vom Krieg zerstörten Land ein Tier geschenkt. Eine Spurensuche vor Ort.
Unterwegs im Kosovo. «Früher stand hier nichts, und es gab auch keine ausgebaute Strasse», erklärt Sali Golaj. Heute lenkt er seinen Mercedes über frisch geteerte Strassen. Die Fahrt führt zu seinem Laden – auf dessen Schaufenster prangt eine Kuh mit Schweizerkreuz. Und auch das Firmenschild zeugt zum Bezug zur Schweiz: Die Aufschrift Agro Schweiz und ein Schweizerkreuz sind darauf zu sehen.
Im September 1999 startet die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), die zum Schweizerischen Aussenministerium gehört, zusammen mit dem Schweizerischen Bauernverband die Aktion Kühe für den Kosovo. Dort tobte vom Februar 1998 bis Juni 1999 der Kosovo-Krieg.
Der Kosovo, bis dahin ein autonomes Gebiet innerhalb von Serbien und vor allem von Kosovo-Albanern bewohnt, wollte unabhängig werden. Das wiederum wollten die Serben verhindern. Der Krieg endete, nachdem die Nato Luftangriffe unter anderem in Serbien geflogen war, wodurch sich die serbischen Truppen aus dem Kosovo zurückzogen.

Worum handelt es sich bei der Aktion Kühe für den Kosovo? Ab September 1999 wurden Rinder, Kühe und Stiere in den vom Krieg zerstörten Kosovo geflogen – das in speziell angepassten Flugzeugen. Bis im Jahr 2020 landeten bis zu 1800 Kühe aus der Schweiz im Kosovo.
Tiere aus Dürnten für den Kosovo
Auch Tiere aus Dürnten fanden den Weg in den Balkan. «Ich kann mich noch an die Aktion erinnern», erklärt Robert Hess auf Anfrage. Tiere für die Milch- und Fleischproduktion habe er geliefert. Die Kühe habe er zu einem bescheidenen Preis verkauft. Der Verkauf wickelte damals der Schweizerische Bauernverband ab. Wie viele Tiere er damals über seine Firma Robert Hess Viehhandel für das Kosovo-Projekt verkauft hat, weiss der heute 74-Jährige nicht mehr.

Zurück in den Kosovo – nach Gjakova, in den Südwesten. Hier steht seit 2006 der Laden von Sali Golaj. Knapp 400 Rinder und Kühe wurden an Bauernfamilien in fünf Dörfern in der Region Djakovica/Gjakova abgegeben. In dieser Region war die Viehwirtschaft besonders von den Kriegsfolgen betroffen.
Vor der Übergabe der Tiere wurde mit den Empfängerfamilien ein Vertrag abgeschlossen, der Pflichten und Rechte regelte. Die Tiere mussten angemessen betreut werden und durften während eines Jahrs nicht verkauft werden.
Agronomen des Deza sorgten zusammen mit lokalen Helfern für die Verteilung der Kühe. Einer davon war der junge Innerschweizer Agronom Cornel Werder. «Als ich auf Sali traf, haben wir uns sofort verstanden. Daraus hat sich später eine Geschäftsbeziehung entwickelt», erinnert sich Werder, dessen Spuren auch hierher ins Oberland führen. Denn seine Frau ist auf einem Bauernhof in Fehraltorf aufgewachsen.

Cornel Werder und Sali Golaj gründeten zusammen das Geschäft Agro Schweiz, das inzwischen ganz Sali Golaj gehört. «Zu Beginn verkauften wir vor allem gebrauchte Geräte aus der Schweiz», so Golaj. Vor allem Melksysteme, die auch jetzt noch gefragt sind. Die stammen heute vor allem aus Italien oder Griechenland. Bis zu einem Melksystem verkauft er durchschnittlich im Monat. «Zudem stehen wir bei Problemen mit der Technik mit Rat und Tat zur Seite. Ich bin telefonisch praktisch immer zu erreichen», erklärt Sali Golaj auf Deutsch. Die Sprache hat er sich bei den zahlreichen Besuchen seiner zwei Brüder angeeignet, die jahrelang in der Schweiz gelebt und gearbeitet haben.

«Auch meine Familie erhielt Kühe aus der Schweiz», berichtet er. Das sei eine wichtige Hilfe gewesen. «Denn viele Dörfer waren zerstört, und auch zahlreiche Tiere nicht mehr am Leben», ergänzt Golaj. Auf der Fahrt durch den Kosovo erinnern zahlreiche Denkmäler an die Kriegsgräuel von damals. Auch Sali Golaj verlor zahlreiche Familienmitglieder. Bevor er 2006 seinen Laden gründete, arbeitete Golaj als Geschäftsführer seiner eigenen Molkerei, die während den Kriegswirren aber immer wieder mal stillstand.

«Die Kühe aus der Schweiz haben für einen Neuanfang gesorgt», erinnert sich Sali Golaj. Und Cornel Werder ergänzt: «Das war damals eine schnelle Hilfe zur Selbsthilfe. Milch und Fleisch sorgten für Nahrung.» Zudem lieferte die Schweiz auch Traktoren, um die Felder zu bestellen. Noch heute stehen in den Ställen des Kosovos zahlreiche Kühe mit Schweizer Genen.