Als der FC Rüti die Schweizer Fussball-Welt überraschte
Oberländer Sportmomente (11)
Vor 43 Jahren schaffte der FC Rüti den Sprung in die NLB. Der Aufenthalt auf zweithöchster nationaler Stufe war für den Oberländer Verein ein besonderes Abenteuer mit schmalem Budget.
Fast unglaubliche 67 Spiele bestritt der FC Rüti in der Saison 1981/82. Nach der Qualifikation auf Platz 3 klassiert, musste er Aufstiegsrundenspiele absolvieren. Das letzte bescherte den Oberländern den Aufstieg in die Nationalliga B.
Von der «Sensation von Delémont» war hinterher die Rede. Nach einem 3:1-Heimsieg reichte ihnen im Rückspiel vor 3000 Fans ein 1:1. «Ich habe noch gar nicht richtig realisiert, dass wir jetzt ‹oben› sind», sagte Trainer René Treichler. Mittelfeldspieler Rolf Zuppiger blieb in diesem Moment schlicht «sprachlos». Derweil bezeichnete Delémonts gänzlich frustrierter Top-Angreifer Jean-René Moritz den FC Rüti despektierlich als «l’equipe la plus faible» – also als schwächste Mannschaft.
Der Schlüssel zum Erfolg
Der im Jura vollendete historische Erfolg war auch fast surreal, weil Rüti vor dem Meisterschaftsstart in der 1. Liga noch als Ziel «nicht absteigen» herausgab. Zwei Einheiten standen im Alltag unter der Woche auf dem Programm. Ins Trainingslager ging es nicht wie heute üblich in südliche Gefilde – sondern nach Arosa. Und natürlich waren alle Spieler reine Amateure.
Selbst Jozef Bajza, der 32-jährige Stratege mit Europacup-Vergangenheit bei Inter Bratislava. Dieser war zuvor aus der damals kommunistischen Tschechoslowakei in den Westen geflüchtet. Der Verein vermittelte ihm eine Wohnung sowie einen Job. Nach Ablauf seiner einjährigen internationalen Sperre wurde Bajza zum herausragenden Akteur im Team des FCR.

Das erstmalige Abenteuer in der NLB wurde dann mit einem 21-köpfigen Kader und leicht erhöhtem Trainingsaufwand in Angriff genommen.
Veränderungen waren durch den Aufstieg auch auf der Sportanlage Schützenwiese nötig geworden. Aufgrund von Auflagen der Nationalliga musste beispielsweise das Garderobengebäude erweitert und eine Stehrampe in die Höhe gezogen werden. 4000 Stehplätze (plus 600) und 170 gedeckte Sitzpläte (plus 50) betrug dadurch das neue Fassungsvermögen.
Der Gemeinderat erteilte dafür eine Bewilligung und einen Kredit von 48’000 Franken. Die restliche Summe musste der FCR selbst aufbringen.
Die «Kauft Kilometer!»-Aktion
Apropos Aufwände: Rüti plante das erste Jahr in der NLB mit einem Schmalspurbudget von 215’000 Franken. Und der Oberländer Verein war durchaus erfinderisch.
Um die Auslagen für die Auswärtsspiele decken zu können, wurden Freunde und Gönner in einem Schreiben aufgefordert, die Carreisen der Mannschaft zu sponsern. Der plakative Slogan: «Kauft Kilometer!»
Darin rechnete der Verein vor, dass der Kilometer Carfahrt inklusive Verpflegung dem FCR einen «Fünfliber» kosten würde. Bei insgesamt rund 6000 Kilometern Anfahrtswege bis nach Chênois, Mendrisio oder ins Baselbiet läpperte sich da einiges an Reiseaufwänden zusammen.

Mit auch in der NLB noch immer «volkstümlichen» Eintrittspreisen von sieben (Stehplatz) respektive zehn Franken (Sitzplatz) war zudem ein weiteres Ziel, den bisherigen Schnitt von 800 Besucherinnen und Besuchern bei Heimpartien zu erhöhen.
Die harte Bauchlandung
Sportlich gab sich FCR-Trainer Treichler im Vorfeld der neuen Saison kämpferisch. «Ich habe ein sehr gutes Gefühl. Ich glaube nicht, dass wir wieder absteigen werden.»
Die Realität in der 16 Klubs umfassenden Nationalliga B war dann allerdings eine andere. Bereits die Premiere wurde zu einer brutalen Bauchlandung. Rüti konnte zwar auswärts beim Stadtbasler Traditionsverein Nordstern 65 Minuten lang das Geschehen offen gestalten. Am Ende setzte es trotzdem eine 0:5-Pleite ab. Es folgten weitere vier Niederlagen in Folge, sodass sich die Oberländer schnell am Ende der Tabelle wiederfanden.
Erleichterung brachte das Heimspiel gegen den FC Bern: Endlich gelang der erste Punktgewinn – und obendrein durfte die Mannschaft ihren ersten Sieg bejubeln. Nach erneut frühem Rückstand wurde Rolf Zuppiger mit zwei Kopftoren zum Matchwinner. In der Schlussphase sorgte Hansjörg Aggeler dann im Anschluss eines Eckballs für das entscheidende 3:1.
Das Cup-Fest gegen St. Gallen
Wenige Wochen später folgte bereits der nächste Höhepunkt auf der Schützenwiese, als in der dritten Hauptrunde des Schweizer Cups der grosse FC St. Gallen vor 2300 Fans zu Gast war.
Der Aussenseiter verkaufte seine Haut äusserst teuer – und musste letztlich nur mit einer 0:3-Niederlage vom Rasen. Für die Leistung gab es hinterher sogar ein Sonderlob vom gegnerischen Startrainer Helmut Johannsen, der in den späten 1970er Jahren GC zum Meistertitel geführt hatte: «Rüti hat mich überrascht und unserer Mannschaft alles abgefordert. Wenn Rüti diese Form beibehalten kann, wird sich noch mancher Gegner die Zähne ausbeissen.»
Nur: Den Worten Johannsens wurde der Neuling in der Folge viel zu selten gerecht. Der Erfolg gegen Bern sollte sogar der einzige in der gesamten Meisterschaft bleiben. Gerade mal drei Unentschieden gegen Baden, La Chaux-de-Fonds und Nordstern (jeweils 1:1) wurden noch zusätzlich in den insgesamt 30 Partien erreicht.
Zwischenzeitlich gingen die Oberländer jahresübergreifend 15-mal in Folge als Verlierer vom Feld. Sie wurden dadurch in der ersten und einzigen NLB-Saison in der Vereinsgeschichte abgeschlagener Tabellenletzter – mit fünf Punkten.
Kein finanzielles Fiasko
Doch immerhin wurde der einjährige Rütner Aufenthalt auf zweithöchster Stufe nicht zum finanziellen Fiasko. Lediglich ein Defizit von 6000 Franken fuhr man ein.
Schmerzhaft war allerdings, dass zahlreiche Leistungsträger nach der denkwürdigen Saison in der Nationalliga B den Klub verliessen.
Nicht aber Ausnahmefussballer Bajza. Dieser hielt dem FCR, der heute in der 3. Liga spielt, trotz attraktiven Angeboten die Treue – und lancierte dort auch seine Karriere als Trainer. «Ich war dem Verein dankbar, dass er mir nach der Flucht geholfen hatte», sagte er.
Oberländer Sportmomente
Denkwürdiges, Erheiterndes und Historisches aus dem Oberländer Sportgeschehen: In loser Reihenfolge blicken wir zurück auf besondere Sportmomente. Bisher erschienen:
(1) Der grösste Triumph: «Wie die Silberpfeile Sauber-Geschichte schrieben»
(2) Oliver Zaugg: «Wie der Edelhelfer aus Pfäffikon die Radwelt verblüffte»
(3) Sensation im Cup: «Wie der EHC Dübendorf den Schweizer Meister übertölpelte»
(4) Der einzige Meistertitel: «Wie die Frauen des FC Schwerzenbach ihren grossen Coup landeten»
(5) Die Radquer-WM in Wetzikon: «Als ausgerechnet an der Heim-WM die Titelserie von Albert Zweifel endete»
(6) Das Schoch-Duell: «Wie zwei Tösstaler Brüder Olympia-Gold unter sich ausmachten»
(7) Glattaler Höhenflug: «Wie sich der EHC Dübendorf neun Jahre lang in der Nationalliga B hielt»
(8) Brigitte Oertli: «Sie war die Schnellste – und wurde doch wieder nur Zweite»
(9) Cup-Sieg der KZO: «Wie die Wetziker Basketballerinnen ihren einzigen Titel gewannen»
(10) Doppelsieg beim GP von Kanada: «Wie das Sauber-Team sein einziges Formel-1-Rennen gewann»
