Als ausgerechnet an der Heim-WM die Titelserie von Albert Zweifel endete
Oberländer Sportmomente (5)
Vor 45 Jahren fand zum einzigen Mal im Zürcher Oberland eine Radquer-Weltmeisterschaft statt. 30’000 Fans machten den Anlass in Wetzikon zu einem Volksfest.
«Es war die WM der Perfektion.» Da gab es für die Beteiligten beim abschliessenden Bankett des Organisationskomitees mit Gästen aus Politik und Sport keine Zweifel.
In der wohlwollenden Berichterstattung wurden sogar die «höflichen und zuvorkommenden Streckenposten» hervorgehoben. Fast alles sei reibungslos verlaufen. Mit Ausnahme von einzelnen Pannen, beispielsweise jener, als bei einer Siegerehrung anstatt der österreichischen Nationalhymne die belgische abgespielt wurde.
Ein eindrückliches Ereignis war die Weltmeisterschaft zweifellos. Der Radquer-Sport befand sich in seiner Blütezeit – gerade im Zürcher Oberland, das als eigentliche Hochburg galt. Für den Grossanlass in Wetzikon wurden deshalb 50’000 Eintrittskarten gedruckt, um für jede Eventualität gerüstet zu sein.
WM-Parcours grösstenteils auf Gossauer Gebiet
30’000 Fans machten sich dann tatsächlich Ende Januar 1980 aufs Renngelände, das sich genau genommen grösstenteils auf Gossauer Gebiet befand, rund um die Siedlungen Bönler und Allenberg. Das Schweizer Fernsehen berichtete mit grossem Aufwand live an beiden Tagen.
Alt Bundesrat Ernst Brugger, im OK als Ehrenpräsident aufgeführt, ging noch weiter und sagte: «Der Quersport entspricht dem ursprünglichen Bedürfnis der Menschen, sich über alle Hindernisse hinwegzusetzen.»
Es fehlten drei Sekunden
Auf einem Transparent beim Start- und Zielgelände prangte vor Rennbeginn gross «Kein Zweifel, wieder Zweifel». Gemeint war natürlich Lokalmatador Albert Zweifel.
Doch dieser wurde, ausgerechnet vor der eigenen Haustüre, für einmal seiner Favoritenrolle nicht gerecht. Der Rütner, zuvor viermal in Folge Titelgewinner bei den Profis, schaffte es nicht einmal aufs Podest. Der damals 30-Jährige stürzte zweimal auf dem rund 2700 Meter langen Rundparcours – und klassierte sich auf dem vierten Rang.
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Drei Sekunden fehlten ihm für eine Medaille. «Bis eine halbe Runde vor Schluss war ich noch Zweiter», sagte er später.
Trotz der eingangs erwähnten Perfektion fehlte der WM also das Tüpfelchen auf dem i. Zweifel selbst blieb trotz der Enttäuschung ganz Sportsmann. Und suchte keine Ausreden.
Auf die Frage, weshalb er gerade in den Abfahrten so viel Risiko auf sich genommen hatte und dadurch zweimal auf der gefrorenen Unterlage zu Fall gekommen war, konterte er trocken: «Dann wäre es zu einer Spurtankunft gekommen, und ich hätte das Rennen ebenfalls als Vierter beendet.»
Prophezeiung im Hotel
Pech für Zweifel war auch: Ein Wetterumschwung in der Nacht vor dem Rennen hatte dem als Morast- und Schlammspezialisten geltenden Oberländer nicht unbedingt in die Karten gespielt.

Vorneweg fuhr dann der belgische Shootingstar Roland Liboton, der sich nicht nur bereits den Ruf eines Angstgegners von Zweifel erschaffen hatte, sondern in der Folge den Quersport dominieren sollte.
Seinen Sieg hatte der 22-jährige Liboton schon drei Tage vor dem WM-Showdown selbstbewusst einem Journalisten in seinem Hotelzimmer in Pfäffikon prognostiziert.
Die erfolgsverwöhnte Schweizer Equipe entschied derweil zwar dank der guten Gesamtbilanz die Nationenwertung bei den Profis für sich. Eine Einzelmedaille gab es trotzdem nicht – erstmals seit 1973.
Der als «ewiger Zweite» geltende Ustermer Peter Frischknecht wurde nur Fünfter. In die Top Ten schafften es zudem Erwin Lienhard (6. Rang) und Gilles Blaser (10.). Sie mussten allerdings beim Sturzfestival ebenso zu Boden.
Der unerwartete Sieger
Noch arger zu und her ging es am Tag zuvor auf schneebedeckter Unterlage im Rennen der Amateure. Die tragische Figur war dabei Carlo Lafranchi, der sich in der Schlussrunde auf Medaillenkurs befand, und dann zum zweitklassierten Polen Grzegorz Jaroszewski aufgeschlossen hatte.
«Von dessen Hinterrad spritzte mir der Dreck ins Gesicht, weshalb ich nichts mehr sah, in einen Eisenpfosten fuhr und stürzte», schilderte Lafranchi das Malheur. So blieb ihm schliesslich nur der undankbare vierte Platz, was ihn sichtlich ärgerte. «Lieber hätte ich zehn Minuten verloren», sagte er.
Grund zur Freude gab es im Schweizer Lager aber dennoch. Fritz Saladin sprang nämlich in die Bresche und holte gänzlich unerwartet den WM-Titel. Für den Solothurner war es – obwohl bereits 30 Jahre alt – erst der zweite Sieg an einem Quer.
Saladin meinte nach seinem Triumph: «Als ich an der Spitze lag, hatte ich nur einen Gedanken: auf keinen Fall stürzen.»
Oberländer Sportmomente
Denkwürdiges, Erheiterndes und Historisches aus dem Oberländer Sportgeschehen: In loser Reihenfolge blicken wir zurück auf besondere Sportmomente. Bisher erschienen:
(1) Der grösste Triumph: Wie die Silberpfeile Sauber-Geschichte schrieben
(2) Oliver Zaugg: Wie der Edelhelfer aus Pfäffikon die Radwelt verblüffte
(3) Cup-Wunder: Wie der EHC Dübendorf den Schweizer Meister Davos übertölpelte
(4) Schweizer Meister: Wie die Frauen des FC Schwerzenbach ihren grossen Coup landeten
