Mit Thalmann und Famos auf Uster-Märt-Tour
Die Tour über den Uster Märt mit Cla Famos (FDP) beginnt am Bahnhof. Der Stadtpräsidiumskandidat wirkt ruhig, ist leicht erkältet, aber voller Vorfreude. Seine Begleitung sind zwei Frauen. Seine Ehefrau Rita Famos und FDP-Parteikollegin Sabine Balmer, welche im Frühling fürs Präsidium der Sekundarschulpflege kandidiert. Famos steuert gleich am Anfang sein ganz persönliches Highlight am Uster Märt an: die Öpfelchüechli am Cevi-Stand. Die Vanillesauce, welche die Küchlein abrundet, sei besonders wichtig, sagt Famos. Während dem Anstehen und dem Essen kommen immer wieder Bekannte aus der Cevi oder der ehemaligen Nachbarschaft vorbei, um einen Schwatz mit Famos zu halten. «Das ist das Schöne am Uster Märt», sagt er. «Hier trifft man immer wieder Leute, die man lange nicht mehr gesehen hat.».
Barbara Thalmann (SP) geht an den Uster Märt, seit sie denken kann. Die Route hat sich über die Jahre verändert. Einige Fixpunkte sind geblieben. Los geht’s an diesem Abend für die Stadtpräsidiumskandidatin vis-à-vis des Stadthauses: beim Pavillion des Eishockeyclubs. Ihr Bruder Kaspar Thalmann ist dort Präsident und wartet mit einer Flasche Weisswein auf die Stadtpräsidiums-Kandidatin und ihren Partner, Usters SP-Präsident Matthias Stammbach. Stammbach ist bis zur Nasenspitze eingepackt. Thalmanns Haare sind trotz Mütze nach wenigen Minuten nass vom Schnee und hängen ihr ins Gesicht. «Komm Barbara, ein Gläschen wirst du mit uns trinken», sagt ihr Bruder. Die Weberei-Erben David Trümpler und Marco Brunner trinken genauso mit wie wenig später Stadtratskollege Thomas Kübler (FDP), der sein unerwartetes Auftauchen nicht als Unterstützung für Thalmanns Kandidatur verstanden wissen wollte. Nach je drei Gläschen ziehen die Sozialdemokraten weiter.
Die Vorteile des Stadratseins
Mit Famos geht es weiter zum nächsten Gang. Das Ziel: die Fleischspiesse des «Ochsenstands». Dort hat sich bereits eine lange Schlange gebildet, die den armen Asia-Foodstand daneben komplett verdeckt. Famos nutzt hier zum ersten Mal die Vorteile aus, die so ein Stadratssitz mit sich bringt: «Ich habe vorher noch mit dem Standbetreiber gesprochen. Ich gebe ihm ein Zeichen und er gibt uns den Spiess direkt raus», sagt er und lächelt stolz. Das mache er aber nur, weil der ZO/AvU heute dabei ist. Er zupft ein Stück Fleisch vom Spiess und schwärmt: «Hmm. Diese Würzung.» Sabine Balmer verabschiedet sich an diesem Punkt und geht ihren Mann suchen.
Weit sind Thalmann und Stammbach in der Zwischenzeit nicht gekommen. Beim Marktschreier «für alleinstehende Reibeisen» bleiben sie kurz stehen. Im Weitergehen verlieren sie sich gegenseitig immer wieder aus den Augen. Ein Gruss bei den Mitarbeitern von Insieme. Ein Schwatz bei der Zürcher Stiftung für Gefangenen- und Entlassenenfürsorge. Ein kleiner Scherz zur Budget-Debatte vom Montag. Dann geht’s zum Märtbalken.
Mit Cla Famos über den Märt zu laufen, braucht Geduld. Alle paar Minuten ruft ihm jemand «Hoi Cla» zu oder er begrüsst jemanden, wechselt ein paar Worte und verweist dann auf sein nächstes kulinarisches Ziel.
Glühende Wangen dank Glühwein
Der Märtbalken ist schon proppenvoll. Trotzdem wagen Thalmann und Stammbach ein kurzes Bad in der Menge. Beide Brillen laufen an. Beinahe synchron ziehen sie beide die Brille ab und zwängen sich durch die Leute. «Das war dann aber doch zu kuschelig», sagt Thalmann. Nach wenigen Minuten kehren sie dem Märtbalken den Rücken. Die Zeit drängt. Der erste Fixpunkt naht. Halb neun. Ochsen. Die Nacht wird immer kälter, das Schneetreiben immer dichter. Genau wie die vielen Märt-Besucher. Viele drängen sich unter dem Vorzelt des Restaurants und verzehren einen Fleischspiess. Hier treffen Stammbach und Thalmann auf ihre holländischen Nachbarn. Statt Fleisch gibt’s für die Sozialdemokraten Glühwein. Die klammen Finger brauchen etwas Wärme. «An diesem Ort treffen wir uns seit über zehn Jahren mit unseren Freunden», sagt Thalmann. Die zweite Runde Glühwein bringt Fahrt in die Diskussion. Thalmann wirkt weniger reserviert als sonst an öffentlichen Anlässen. Gebäudeversicherung, Spitalkosten – der Fall Nielsen bewegt die Sozialdemokratie. Jetzt ist Thalmann in ihrem Element. Ihre Wangen glühen.
Egli hinterlässt schwieriges Erbe
Nachdem Famos Dessert und Fleisch genossen hat, geht’s nun weiter zur Vorspeise. Flammkuchen von der evangelischen Kirche sind angesagt. «Ich weiss, diese Reihenfolge ist nicht ganz richtig, aber am Uster Märt ist das für einmal erlaubt.» Das ist die kleine «Folié», die sich Usters Finanzvorstand erlaubt. Den anderen Verlockungen am Uster Märt verfällt er weniger. Die Bahnen seien nicht sein Ding. Auch beim Glühwein ist der ehemalige Pfarrer zurückhaltend. Die Flammkuchen hingegen munden Famos. Er kennt alle Standbetreiber und witzelt mit ihnen über die Maisbrötchen, die hier bis letztes Jahr immer angeboten wurden. Diese Brötchen habe scheinbar niemand wirklich gemocht, man sei sie aber trotzdem immer irgendwie losgeworden, ist man sich einig. «Es ist schon kein leichtes Erbe, das der nächste Stadtpräsident von Werner Egli übernimmt», sagt Famos. Egli gilt als sehr volksnah und zeigt sich gern und häufig an jedweden Anlässen. «Ich bin auch volksnah», sagt Famos. «Nur kenne ich zum Teil andere Leute als Werner Egli.»
Ein Besuch im Aventura-Tipi am oberen Ende der Zentralstrasse gehört für die Outdoor-Fans Thalmann und Stammbach dazu. Auf dem Weg dahin stolpern sie allerdings über weitere thalmannsche Familienmitglieder. Barbaras Schwester Dorothee und ihr Mann, FC-Uster-Präsident Urban Osterwalder, halten für ein kurzes Gespräch über den Fussballklub, Freunde, Familie die Wahlchancen. «Das ist der Uster Märt. Nichts Spektakuläres, aber man trifft Freunde und stösst mal wieder gemeinsam an. Und ein bisschen Politik gehört eben auch dazu», sagt Thalmann im Weitergehen.
Cla Famos ist mittlerweile beim Stand der Samariter angekommen. Dort bestellt er Anisguezli und holt sich endlich den ersten und einzigen Glühwein dieses Abends. «Ich war heute Morgen schon mal hier und habe mir Guezli geholt», sagt der FDPler und lächelt verschmitzt. «Doch die habe ich schon aufgegessen. Die sind so gut.» Bei Guezli und Glühwein kommt das Gespräch schliesslich auf Politik, während Famos die vorbeiziehenden Menschen beobachtet. Ab und zu grüsst Famos jemanden. Er würde als Stadtpräsident die Kultur gerne mehr fördern. «Ich bin sehr an Kultur interessiert und spiele ja beispielsweise selber Geige und Bratsche.» Die Zentrumsentwicklung von Uster sei momentan sowohl für die Kultur als auch für das Gewerbe ein wichtiges Thema, so Famos. Und als Famos gerade die Wichtigkeit der Bildung betont, läuft eine Gruppe männlicher junger Erwachsener vorbei, die sich rhythmisch mit ihren Gummiknüppeln auf die Köpfe hauen.
Rucksäcke halten für den Schüttelbecher
Das Tipi von Heinz Berchtold steht etwas versteckt, abseits in einer Nische zwischen zwei Häusern. Die ersten Händler verstauen ihre Waren überraschend früh in den Kastenwagen. «Es ist erstaunlich ruhig und wenig los», sagt Stammbach. «Die Kälte scheint die Leute nach drinnen zu treiben.» Oder in die wohlige Wärme eines Tipis. Dafür muss man sich allerdings schon tief bücken und sich durch das schmale Eingangsloch zwängen. Ein mühsames Unterfangen, das sich lohnt. Drinnen sitzt rund ein Dutzend Männer und Frauen um eine Feuerschale, eine drei-Mann-Band spielt bluesige Rhythmen. Stammbach und Thalmann klatschen. «Diese Lagerfeuer-Atmosphäre gefällt mir», sagt sie. Das Feuer wärmt die Finger, die Musik das Herz und der Kaffee die Seele.
Es schneit mittlerweile ziemlich heftig. Famos möchte nun noch einen kleinen Schlenker mit seiner Frau drehen, «Uster on Ice» besuchen und dann zurück nach Hause gehen. Als wir uns verabschieden, trifft er schon wieder jemanden, der ihn in ein Gespräch über die Nachbarschaft verwickelt.
Nach einer halben Stunde im Zelt riechen alle nach Lagerfeuer. Der Markt an der Zentralstrasse wirkt schon beinahe ausgestorben. Es ist schliesslich schon spät. Auf dem Chilbi-Platz ist noch etwas Rummel. Auch Thalmanns vier Kinder sind unterwegs. Drei wohnen nicht mehr in Uster. «Aber für den Uster Märt kommen sie mit ihrer Clique wieder her», sagt Thalmann. Eine herzliche Umarmung, dann ist aber gut. Ganz die Eltern halten Stammbach und Thalmann die Rucksäcke des Jungvolks, damit diese in den Tagada-Schüttelbecher steigen können. «Früher liebte ich die Bahnen am Uster Märt, aber seit den Schwangerschaften vor über 20 Jahren fahre ich nicht mehr gerne», sagt Thalmann. Nach einer Abschiedsumarmung ziehen die Sozialdemokraten weiter. Die Beine sind müde, die Lider werden schwerer. Trotzdem, Märtbalken, Versuch Nummer zwei.
Cüpli statt Kaffee Lutz
Es bleibt nicht mal beim Versuch. Die Strassen wirken um 23 Uhr wie ausgestorben – «für Uster-Märt-Verhältnisse». Die Leute scheinen sich allerdings alle beim Märtbalken zu befinden. Thalmann, ihr Mann und die Nachbarn steuern schnurstracks daran vorüber. Die Schlange vor dem Eingang reicht bis in die Mitte der Strasse. Stattdessen treffen sie auf Neo-Stadtschreiber Daniel Stein und zwei seiner ehemaligen Untergebenen von der Stadtpolizei. Aus der Distanz behalten sie die Szenerie im Auge. Es scheint ruhig zu sein. Doch noch weiter in die Zeughausbar für einen «Schlumi»? Oder ins Poseidon? Nein, alle zu müde. Thalmann und Stammbach zieht es nach Hause. Fast.
«Barbara, einen Kaffee musst du noch mit mir trinken, sonst wähle ich dich sicher nicht», sagt ihr Bruder Kaspar Thalmann mit einem Augenzwinkern. Na gut, ein letzter Halt beim Eishockeyclub liegt noch drin. Es ist schon fast Mitternacht. Noch kurz mit dem Schlüssel ins Stadthaus aufs Klo. Stadträtin zu sein, hat auch Vorteile. Es gibt für alle einen Kaffee Lutz. Naja, für fast alle. Die Sozialdemokratin Thalmann und geübte Uster-Märt-Gängerin hat lieber ein Cüpli bestellt. In weiser Voraussicht. Denn: Im Kaffee Lutz ist eindeutig mehr Lutz drin als Kaffee – man sieht sogar den Boden des Bechers…