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Hilfe aus Mönchaltorf für die Ärmsten der Welt

Die Mönchaltorferin Marina Schmid arbeitet seit 2010 regelmässig auf einem Mercy Ship vor Westafrika. Die gelernte Klinikassistentin betreut dort Patienten mit Krankheiten und Verletzungen, die sie in der Schweiz nie gesehen hat.

Marina Schmid ist für kurze Zeit zurück in der Schweiz um ihre Familie zu besuchen. (Bild: Christian Merz), Der Einsatz auf dem Mercy Ship erfolgt ehrenamtlich. Alle Spendengelder fliessen direkt in die medizinische Hilfe. (Bild: zvg), Der Einsatz auf dem Mercy Ship erfolgt ehrenamtlich. Alle Spendengelder fliessen direkt in die medizinische Hilfe. (Bild: zvg), Der Einsatz auf dem Mercy Ship erfolgt ehrenamtlich. Alle Spendengelder fliessen direkt in die medizinische Hilfe. (Bild: zvg), Der Einsatz auf dem Mercy Ship erfolgt ehrenamtlich. Alle Spendengelder fliessen direkt in die medizinische Hilfe. (Bild: zvg), Der Einsatz auf dem Mercy Ship erfolgt ehrenamtlich. Alle Spendengelder fliessen direkt in die medizinische Hilfe. (Bild: zvg)

Hilfe aus Mönchaltorf für die Ärmsten der Welt

«Ich habe Dinge gesehen, von denen man hier in Europa keine Vorstellung hat. Dies zu ertragen, ist eine grosse Herausforderung.» Wenn Marina Schmid von ihrer Tätigkeit als Klinikassistentin auf dem Mercy Ship – dem «Schiff der Barmherzigkeit» in Westafrika, einer der ärmsten Regionen der Welt erzählt, wird die lebenslustige junge Frau nachdenklich. «Kranke werden dort oftmals ausgestossen, weil man glaubt, dass ein Fluch auf ihnen lastet oder weil sie wegen ihrer Krankheit keinen Beitrag mehr zum Familienunterhalt leisten können.» Der Aufenthalt auf dem Schiff habe ihr ganzes Leben verändert, sagt die 31-Jährige. «Man weiss ja, dass es in anderen Teilen der Welt kranke und arme Leute gibt. Aber dies mit eigenen Augen zu sehen, ist etwas ganz anderes. Da kann man nicht mehr wegschauen.»   Aufgewachsen ist Marina Schmid im Lindhof, ein Weiler, der zu Mönchaltorf gehört. Nach einer Ausbildung zur medizinischen Praxisassistentin in Grüningen ging sie für drei Monate als Au Pair in die USA. Zurück in der Schweiz, arbeitete sie auf dem erlernten Beruf, bevor sie ihren Job kündigte und 2009 nach Australien reiste, um eine Sprachschule zu besuchen und das Land zu erkunden. Während ihres fünfmonatigen Aufenthalts erzählte ihr eine Schweizerin vom Mercy Ship. «Ich dachte, der Moment sei gekommen, um so etwas zu machen», erzählt sie.   Unbehandelte Knochenbrüche und Tumore   Worauf sie sich da eingelassen hatte, davon hatte sie damals noch keine Ahnung. Sie nahm Kontakt mit den Verantwortlichen auf, durchlief einen längeren Bewerbungsprozess, alles lief schriftlich. Im Mai 2010 reiste die damals 25-Jährige für einen dreimonatigen Einsatz nach Togo, wo das Schiff im Hafen lag. «Ich war in der Patientenaufnahme eingeteilt», erzählt sie. «Da wurde ich mit Dingen konfrontiert, die gibt es gar nicht in der Schweiz.» Unbehandelte Knochenbrüche, Augenkrankheiten, Lippen-Gaumen-Spalten und Brandwunden sowie gutartige Tumore, die hierzulande frühzeitig entfernt werden, dort aber mangels zugänglicher medizinischer Hilfe oder Geldproblemen zu riesigen Geschwüren heranwachsen und Organe erdrücken, bis die Betroffenen einen qualvollen Tod sterben.   «Die Menschen reisen von weit her an, sind tagelang unterwegs, schlafen auf der Strasse», sagt Schmid. «Wir sind oft ihre allerletzte Hoffnung.» Innert zehn Monaten können rund 2000 Patienten behandelt werden, noch viel mehr müssen immer wieder abgewiesen werden, weil das Schiff nur für spezifische Operationen ausgerüstet ist. Damit umzugehen, sei nicht einfach. «Ein sehr guter Chirurg, der seit 30 Jahren auf dem Schiff lebt, sagte mir: Wir können nicht die ganze Welt verändern. Aber wir können die ganze Welt für eine Person verändern. Und für die nächste. Und die nächste.» Das und der Glaube an Gott habe ihr extrem viel Halt und Kraft gegeben. «Ich habe viel gebetet, was mir sehr geholfen hat», erzählt sie. «Ich weinte auch manchmal und fragte Gott, warum er das zulässt.»   Keine einfache Rückkehr
Zwischendurch habe sie auch einfach abschalten und sich mit etwas ganz anderem beschäftigen müssen. Aber im Grossen und Ganzen sei es für sie ein riesiges Privileg, diese Arbeit machen zu dürfen. «Die grosse Dankbarkeit der Patienten oder ihren Angehörigen ist unglaublich. Zu sehen, wie sich die Patienten verändern – von sehr verschämt, sich versteckend und scheu zu komplett neuen Menschen voller Hoffnung und Lebensfreude. Wie Kinder wieder in die Schule können, weil sie nicht mehr ausgeschlossen werden.»
Die Rückkehr nach Europa fiel ihr nicht nur einfach. Der Wiedereinstieg in die Hausarztpraxis brachte seine Herausforderung mit sich. «Die Arbeit mit den schwer kranken Patienten in Afrika und die Arbeit mit Patienten in einer Schweizer Hausarztpraxis könnte kaum unterschiedlicher sein. Schliesslich wechselte ich das Gebiet und arbeitete im GZO Spital Wetzikon im Ambulatorium für Nierenkranke.»   Nach vier Jahren entschied sie sich für einen weiteren Einsatz in Afrika – diesmal verpflichtete sie sich für zwei Jahre. Die letzten zehn Monate arbeitete sie in einer örtlichen Klinik in Benin, in einem Projekt, das Kinder mit Klumpfüssen behandelt. «Wir vermitteln den Ärzten und Pflegern vor Ort das nötige Wissen», erzählt sie. Abends geht sie jeweils aufs Schiff, wo sie sich mit drei anderen Frauen eine Kabine teilt.   Französisch lernen in den Ferien
Gerade hat sie Ferien, von denen sie vier Wochen in Montpellier verbringt, um Französisch zu lernen – unerlässlich für die Arbeit in Westafrika.
Für ihre Arbeit erhält Schmid keinen Lohn, muss sogar für Kost und Logis zahlen. «So können alle Gelder, die wir über Spenden einnehmen, direkt in die medizinische Hilfe fliessen.» Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde und auch ferne Bekannte unterstützen sie finanziell. «Von anderen abhängig zu sein, ist ein komisches Gefühl und nicht immer einfach. Aber es ist auch schön, wenn andere das, was ich mache, mittragen.» Marina Schmids Einsatz dauert noch rund ein Jahr. Was sie danach macht, sei noch völlig offen. «Es kann in alle Richtungen gehen. Auch gut möglich, dass es mich wieder nach Afrika zieht.»

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