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Trauriges Ende einer Traditionsfirma

Über 100 Jahre lang gab es die Fensterfabrik Sörensen. Mit der derzeitigen Konkursliquidation nimmt diese Geschichte ein Ende. Der frühere Inhaber und viele ehemalige Angestellte waren gestern dabei, als in Bubikon das gesamte Inventar verscherbelt wurde.

Ausverkauf in der Fensterfabrik: Während einer Woche wird das komplette Inventar der ehemaligen Sörensen Fenster AG in Bubikon liquidiert. Besonders viel Andrang herrscht an den Werkzeug-Tischen. (Bild: Seraina Boner)

Trauriges Ende einer Traditionsfirma

In den Werkhallen der ehemaligen Fensterfabrik Sörensen in Bubikon ist es still geworden. Seit Monaten werden hier keine Fenster mehr produziert. Die Uhren stehen auf Winterzeit. In diesen Tagen kommt nochmals Leben in die Hallen – vielleicht ein letztes Mal. Im Auftrag des Konkursamtes Grüningen verkauft Liquidator Jürg Hoss während einer Woche den kompletten Maschinenpark, die Fahrzeuge sowie die Fabrik- und Büroeinrichtung.

Was die Schnäppchenjäger zum grossen Liquidationsverkauf sagen, sehen Sie im Video. (Video: Simon Grässle)

Ein Dutzend Mitarbeiter von Hoss sind beim Liquidationsstart am Donnerstagmorgen vor Ort. Dazu ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Dieser sei aber hauptsächlich für die Verkehrsregelung zuständig, sagt Hoss. «Wir hatten auch schon Sicherheitspersonal für den Diebstahlschutz, aber die Maschinen hier trägt niemand raus.»

«Wir verschenken nichts»

Liquidiert werden nebst dem Firmeninventar auch zwei Privat-Nachlässe. Wenn immer möglich, nehme man verschiedene Liquidationen zusammen, sagt Hoss. «Davon profitieren alle Seiten.» Kurz vor 9 Uhr ruft der Liquidator alle Mitarbeiter zusammen und erinnert sie an das wichtigste. «Wir verschenken nichts. Die Leute meinen manchmal, bei einem Konkurs gibt es alles gratis. Aber die Gläubiger wollen natürlich auch noch etwas.» Und weiter: «Es gibt immer Wilde, die am liebsten alles runterreissen und gleich mitnehmen wollen. Da müsst ihr aufpassen.» Dann stellt er noch klar: Nicht Herr Sörensen sei Konkurs gegangen, sondern der neue Besitzer.

Handwerker und Sammler

Kurz vor 9 Uhr sind gut drei Dutzend Personen – fast nur Männer – vor der Fensterfabrik versammelt. Viele Handwerker, ein paar professionelle Gebrauchtwarenhändler sowie einige Sammler und Bastler. Als das Tor aufgeht, begrüsst Hoss die Leute mit einem kurzen «Hallo miteinander». Doch die Schnäppchenjäger laufen wortlos und zielstrebig an ihm vorbei. «Wo sind die Bilder?», fragen zwei Männer eine Mitarbeiterin. «Ganz vorn.» Die Männer joggen los.

Vor allem im Raum mit den Werkzeugen herrscht viel Betrieb. Mit Kennerblicken begutachten die Männer Schleifer, Hobel, Fugenfräser, Kreissägen, Bohrer oder Schrauber. Im Raum nebenan stehen die grösseren Maschinen. Eine Fräse gibts für 2380 Franken, die Beschlagmontagemaschine für 1800 Franken, einen Gabelstapler für 7500 Franken.

«Es ist immer zu teuer»

Das mit Abstand teuerste Stück ist eine Schleifmaschine für 32‘000 Franken. Bei der Preisfindung orientieren sich die Liquidatoren an ähnlichen Angeboten im Internet oder direkt beim Hersteller. Ein Händler aus der Ostschweiz interessiert sich für die Schleifmaschine. Ein fairer Preis? «Es ist immer zu teuer», sagt er und lacht. Nach einer telefonischen Rückfrage entscheidet sich der Ostschweizer – seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen – dann doch für den Kauf. «Einen Abnehmer habe ich zwar noch nicht, die Maschine kann ich aber auch noch in einem Jahr verkaufen.»

In den Werkhallen herrscht geschäftiges Treiben. Hat sich ein Käufer für ein Objekt entschieden, schreiben die Mitarbeiter eine Quittung und legen einen «Verkauft»-Zettel hin. Eine gewisse Hektik sei ganz normal, sagt Hoss. «Die Leute müssen kurzfristig entscheiden. Wenn sie Zeit haben, kaufen sie nicht.» Was, wenn zwei das gleiche Objekt wollen? «Das kann es geben», sagt eine Mitarbeiterin. «Dann erhält es der, der zuerst war. Man muss aber aufpassen, dass alles sauber geregelt wird.»

Harte Verhandlungen

Bei den ganz wenigen Stücken, bei denen kein Preis angeschrieben ist, wird auch mal hart und laut verhandelt. Hoss, der seit 30 Jahren im Geschäft ist, streitet sich gerade mit einem Restaurateur über die Preise für Isolationsgläser und treibt den Preis von 200 auf 700 Franken. Die beiden kennen sich. «Er ist ein Lausbube», sagt der Restaurateur und will dann noch etwas loswerden: «Ich habe früher mit der Firma Sörensen zusammen gearbeitet. Sie war super.» Es sei traurig, dass sie eingegangen sei. «Ich würde lieber auf diese Schnäppchen verzichten, wenn es die Firma dafür noch gäbe.»

«Es tut schon weh»

Gegen 10 Uhr schaut dann auch Hansjörg Sörensen in seiner ehemaligen Firma vorbei. Immer wieder wird er auf den Konkurs seines Nachfolgers angesprochen. «Das darf ja nicht wahr sein», sagt ein Bekannter. «Ja, das habe ich auch gesagt», entgegnet Sörensen zurückhaltend. Sein Nachfolger ist nicht gekommen. Dafür viele ehemalige Mitarbeiter. Leute, die 20 oder 30 Jahre hier arbeiteten, erzählt Sörensen. «Es tut schon weh, wenn die Firmengeschichte nach über hundert Jahren so zu Ende geht.» Mittlerweile sei er aber darüber hinweg gekommen. «Ich habe vor vier Jahren verkauft. Ausser meinem Namen verbindet mich nichts mehr mit der Firma.»

Die Liquidation läuft noch bis am Mittwoch, 7. Juni. Täglich von 9 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr Samstag nur von 9 bis 12.30 Uhr, Sonntag und Montag geschlossen.

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