Adventisten rechtfertigen sich – Sektenexperte kontert
Die Siebenten-Tags-Adventisten am Kirchentag in Wetzikon: Der Stand am Markt vom Samstag sorgte bei vielen Besuchern für Stirnrunzeln. Die freikirchliche Gruppierung ist selbst bei anderen Freikirchen aufgrund ihrer «judaisierten» christlichen Theologie nicht unumstritten. Und der Bubiker Pfarrer Thomas Muggli-Stokholm, der sich an der Organisation des Kirchentags beteiligt hatte, räumte ein, dass die Standbewilligung für Diskussionen gesorgt habe. Sie sei ein Grenzfall gewesen.
Der Rütner Sektenexperte Georg Otto Schmid kritisiert auf seiner Website Relinfo.ch insbesondere, dass die Gruppierung bei ihren oekumenischen Bemühungen lediglich den Zweck des «Sich-Kennenlernens» verfolge, nicht aber die Absicht habe, etwas von den anderen zu lernen oder sich gar anzugleichen.
Zudem sehe sich die Gruppierung bis heute als Volk Gottes der Endzeit, das die unverfälschte Heils- und Gnadenbotschaft der Menschheit auszurichten habe. Das Christsein in anderen Kirchen, grundsätzlich zugestanden, sei immer von Verrat, Verfremdung oder Verfälschung bedroht.
«Es braucht Informationen und Transparenz»
Auf die in der Berichterstattung zum Kirchentag geäusserte Kritik hin wendet sich Herbert Bodenmann, Mediensprecher der Deutschschweizerischen Vereinigung der Siebenten-Tags-Adventisten, an die Redaktion. Zur Kritik, es gehe den Adventisten lediglich ums «Sich-Kennenlernen», sagt er: «Das gegenseitige Kennenlernen ist der zentrale Aspekt der zwischenkirchlichen Kontakte, ohne den es keine Zusammenarbeit gibt.» Man müsse sich kennen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. «Dazu braucht es Informationen und Transparenz.»
«Ich habe es nie erlebt, dass sich eine Kirche an die andere angeglichen hat.»
Herbert Bodenmann, Mediensprecher Siebenten-Tags-Adventisten
Letztlich gehe es aber tatsächlich um Zusammenarbeit, unterstreicht Bodenmann. Als Beispiel führt er auf: «Die Adventjugend hat sich aktiv bei der Initiative freikirchlicher Jugendverbände engagiert, eine Lösung zu finden gegen die Streichung der Zusammenarbeit mit Jugend + Sport und der Fördergelder des zuständigen Bundesamtes.»
«Leicht widerlegbar»
Dass Adventisten nichts von anderen Kirchen lernen wollten, taxiert Bodenmann als Schmids Privatmeinung, die mit den Dialogberichten der zwischenkirchlichen Kontakten der Adventisten leicht widerlegbar sei. Er verweist dabei auf eine Website mit zahlreichen Berichten von Dialogen etwa mit dem Reformierten und dem Lutherischen Weltbund. «Grenze des Lernens ist aber unser Verständnis biblischer Aussagen. Wir richten uns nur nach der Bibel aus. Dass dies andere Kirchen auch tun, ist uns klar», sagt der Mediensprecher. Offensichtlich führe dies aber dennoch zu unterschiedlichen Konfessionen. «Wir beklagen dies nicht, diese Vielfalt kann auch eine Bereicherung sein.»
«Man sollte nicht von Adventisten etwas verlangen, das andere Kirchen auch nicht willig sind zu tun.»
Herbert Bodenmann
Zur Kritik mangelnder Angleichung sagt Bodenmann. «Ich vertrete unsere Kirche auch auf nationaler Ebene in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen. Ich habe es noch nie erlebt, dass sich eine Kirche an die andere angeglichen hat.» In Schmids Kritik gehe es ofensichtlich um lehrmässige Angleichung. «Man sollte nicht von den Adventisten etwas verlangen, das andere Kirchen auch nicht willig sind zu tun. Unsere Unterschiedlichkeit in lehrmässigen Fragen ist es ja gerade, was uns alle zu anderen Kirchen macht.»
Schmid sieht es anders
Georg Otto Schmid sagt zur Stellungnahme der Adventisten, Bodenmann sei sehr umtriebig darin, auf die geringsten Ansätze von Kritik zu reagieren. Aus Schmids Sicht sind die Adventisten nach wie vor deutlich davon entfernt, eine «normale» Freikirche zu sein, wie es die Gemeinschaft in ihrer offiziellen Betitelung suggerieren wolle.
«In Freikirchenverbänden wäre ein solcher Zentralismus undenkbar.»
Georg Otto Schmid, Sektenexperte, Rüti
So seien etwa lokale Gemeindeleiter der Adventisten angehalten, mit Medienvertretern keine Interviews zu führen. «Alle Infos an die Medien müssen über den Tisch von Herrn Bodenmann laufen. In Freikirchenverbänden wäre ein solcher Zentralismus undenkbar.» Er räumt ein, dass man in den Reihen der Adventisten liberale Mitglieder antreffe, die konventionell kirchlich wirkten. «Daneben gibt es aber einen starken erzkonservativen Flügel, der an den Speziallehren der Adventisten eisern festhält, die Regeln der Sabattfeier peinlichst befolgt und zu der umgebenden Gesellschaft ein distanziertes Verhältnis pflegt.»
In diesen Kreisen werde etwa an ihrer traditionellen Sichtweise festgehalten, dass die Feier des Sonntags das «Malzeichen des Tieres», also des satanisch motivierten Antichristen, darstelle und deshalb alle nichtadventistischen Gläubigen verloren seien.
Immer wieder Leute, die unter Druck gerieten
Schmid sagt, dass er und sein Team in ihrer Beratungsarbeit immer wieder mit Menschen konfrontiert seien, die im genannten konservativen Flügel der Adventisten massivst unter Druck geraten seien.
«Dass Adventisten nicht bereit sind, von anderen Kirchen zu lernen, räumt Herr Bodenmann ein.»
Georg Otto Schmid
Der Artikel auf Relinfo.ch stamme übrigens nicht von ihm, sondern von seinem Vater. Er bezeichnet ihn als sehr ausgewogen, zumal er den Adventisten ja durchaus Gesprächsbereitschaft konzediere. «Dass die Adventisten nicht bereit sind, von anderen Kirchen zu lernen, räumt Herr Bodenmann ein, indem er jede Angleichung an andere Kirchen zurückweist.» Schmid wundert sich schliesslich, wie das Lernen von anderen gehen solle, wenn jegliche Angleichung ausgeschlossen sei.
Der Sektenexperte analysiert Bodenmanns Aussagen dahingehend, dass er inhaltlich mit dem Inhalt des Artikels auf Relinfo übereinstimme: Mit Umdeutungen und veränderten Begriffen versuche der Mediensprecher eine günstigere Besprechung der Adventisten zu erreichen. Das sei für Bodenmanns Vorgehen, «wie ich es in den letzten Jahren kennengelernt habe», typisch.