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Wirtschaft

Interview mit Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner

«Es braucht einen pragmatischen Ansatz zum Thema Wehrtechnik»

Um mehr als 60 Prozent ist der Aktienkurs von Huber+Suhner seit Anfang Jahr gestiegen. Ein Teil des Erfolgs verdankt CEO Urs Ryffel auch den aktuell unsicheren Zeiten.

«Unser Geschäft in den USA hängt nicht allein vom Export aus der Schweiz ab»: Urs Ryffel am Huber+Suhner-Sitz in Pfäffikon.

Foto: Simon Grässle

«Es braucht einen pragmatischen Ansatz zum Thema Wehrtechnik»

Interview mit Urs Ryffel, dem CEO Huber+Suhner

Seit 2017 führt Urs Ryffel (58) die Huber+Suhner-Gruppe in Herisau und Pfäffikon. Im Interview spricht der Ingenieur über US-Zölle, einen potenziellen Blockbuster und Firmenübernahmen.

Herr Ryffel, die Frage muss kommen, bringen wir sie also hinter uns: Die USA schlagen 39 Prozent Zusatzzölle auf Importe aus der Schweiz. Hat Huber+Suhner nach dem 7. August überhaupt noch etwas aus der Schweiz in die Staaten exportiert?

Urs Ryffel, CEO Huber+Suhner: Für den Standort Schweiz, und damit meine ich auch den Standort von Huber+Suhner in der Schweiz, sind diese 39 Prozent ein sehr harter Schlag. 39 Prozent höhere Kosten kann ein Schweizer Unternehmen nicht allein schultern, sondern muss mit seinen US-Kunden sprechen und schauen, ob man diese Kosten zumindest teilweise weitergeben kann.

Was bedeuten die Zölle konkret für Ihr Unternehmen?

Unser Geschäft in den USA hängt nicht allein vom Export aus der Schweiz ab. Nur ein kleiner Teil unseres Volumens in den USA stammt von hier. Entsprechend treffen uns diese Zölle nur am Rande.

Die Unberechenbarkeit der US-Regierung bringt die weltweiten Handelsströme durcheinander. Kann man dieses Hü und Hott als Unternehmer irgendwie beherrschen?

Beherrschen lässt es sich nicht, nein. Man kann nur versuchen, sich bestmöglich darauf einzustellen. Uns hilft, dass wir geografisch und nach Produkten diversifiziert sind. Wir können die Folgen dank unseren globalen Strukturen ein Stück weit abfedern und machen davon auch Gebrauch.

Hat diese geografische Diversifizierung irgendwelche Auswirkungen auf den Standort Schweiz und den Standort Pfäffikon, wo wir dieses Gespräch führen?

Theoretisch kann das Auswirkungen haben. Aber wie gesagt: Unser Exportvolumen aus der Schweiz in die USA ist nicht sehr gross.

Wir müssen uns also keine Sorgen machen, dass Sie Arbeitsplätze in der Schweiz abbauen?

Stand heute nicht.

Urs Ryffel im Gespräch mit ZO/AvU-Redaktor Sandro Compagno. Ryffel trägt einen grauen Anzug und ein weisses Hemd.
Stand heute sieht Urs Ryffel die Arbeitsplätze in der Schweiz nicht in Gefahr. Der Firmenchef (rechts) im Gespräch mit ZO/AvU-Redaktor Sandro Compagno.

Trotz dem schwierigen Umfeld haben Sie im August sehr gute Halbjahreszahlen präsentiert. Ein Begriff ist mir dabei hängen geblieben: Optical Switches oder auf Deutsch optische Umwandler. Ein kommender Kassenschlager?

Ja, die Optical Switches sind im Begriff, ein Blockbuster zu werden. Ein grosser US-amerikanischer Betreiber von Rechenzentren hat sich uns gegenüber verpflichtet, grosse Stückzahlen zu kaufen. Wir werden hier also massiv zulegen.

Wo werden diese Schalter produziert?

Aktuell kommen sie aus Polen.

Können Sie mir in einfachen Worten erklären, was diese Optical Switches sind und was sie tun?

Ich versuche es. Grundsätzlich geht es darum, dass die KI-Workloads in Cluster von Tausenden Graphic Processor Units gehostet werden …

Ich habe gesagt «einfach».

(Lacht.) Wenn es einfach wäre, könnte es jeder machen. Graphic Processor Units sind Prozessoren oder Computerchips. Und die sind mit Glasfasern verbunden. Die Optical Switches werden so eingesetzt, dass die Verbindungen zwischen diesen Prozessoren dynamisch und bedarfsgerecht konfiguriert werden können. Das heisst, grosse Datenströme können sehr flexibel gelenkt werden, damit die Rechenleistung im Verbund optimal genutzt wird.

Und was ist der Vorteil der Technologie?

Der Vorteil liegt darin, dass der Optical Switch kostengünstig ist und wenig Energie braucht. Das macht ihn sehr interessant in Rechenzentren, die grosse Mengen dieser Produkte benötigen.

Sehen Sie kein Risiko, dass das ein Hype ist, der plötzlich wieder abflacht?

Für diese Anwendung bin ich sehr optimistisch. Ich gehe sogar davon aus, dass die Nachfrage eher noch zulegen wird.

An diesen Geschäftsbereich ist Huber+Suhner mit einer Firmenübernahme gekommen, als Sie zwar noch nicht CEO waren, aber für den Geschäftsbereich Fiberoptik zuständig waren, wo diese Switches hingehören.

Das ist richtig, die Firma Polatis war 2000 in Cambridge, England, gegründet worden, und wir haben sie 2016 übernommen.

Haben Sie damals schon erkannt, dass das ein Kassenschlager wird?

So direkt kann man das nicht sagen. Aber mit dieser Übernahme war sicher die Erwartung verbunden, dass man diese Produkte, die zuvor in Nischen genutzt wurden, auch in Anwendungen einsetzen kann, die grössere Stückzahlen bringen.

Auf die Gefahr hin, naiv zu wirken: Wie findet man eine solche Firma?

Wir beobachten die Märkte permanent und auf verschiedenen Ebenen. Eines der wichtigen Themen sind neue Technologien. Da haben wir ein genaues Radar und werden hellhörig, wenn Firmen wie Polatis auf den Markt kommen.

In den letzten Jahren ist Huber+Suhner organisch gewachsen. Die letzte grössere Übernahme stammt aus dem Jahr 2019. Planen Sie wieder Akquisitionen, oder sagen Sie sich, es ist gut so, wie es läuft?

Akquisitionen lassen sich schlecht planen, weil es für einen Abschluss zwei braucht. Aber es ist bei uns eine hohe Bereitschaft da, Chancen zu prüfen, wenn sich solche ergeben.

Die Kriegskasse ist gefüllt?

Ja, das ist sie.

Dass Huber+Suhner erfolgreich wirtschaftet, liegt auch an kriegerischen Auseinandersetzungen und weltweit steigenden Rüstungsausgaben. Dass der Bereich Defense gut läuft, mag Sie als Unternehmer erfreuen. Wie sehr freut Sie das als Mensch und Vater von drei Kindern?

Aufgrund geopolitischer Spannungen oder kriegerischer Auseinandersetzungen Geschäfte zu machen, kann mich weder als Geschäftsmann noch als Individuum und Familienmensch freuen. Ich glaube aber, es braucht einen pragmatischen Ansatz zu diesem Thema. Wenn es darum geht, unsere freiheitlichen Überzeugungen und Werte zu verteidigen, dann braucht es entsprechende Technologie und dann muss man auch in die Verteidigung dieser Werte investieren.

Viele Produkte von Huber+Suhner sind sogenannte Dual-Use-Produkte, können also für zivile und militärische Zwecke eingesetzt werden. Wie verhindern Sie, dass diese Produkte in falsche Hände geraten?

Das lässt sich weitestgehend verhindern, indem wir unsere Absatzkanäle kontrollieren. Und Kunden, die unsere Technologie nutzen, müssen uns über ihre Kunden informieren. Es bräuchte also eine arglistige Täuschung.

Die Aktie von Huber+Suhner ist seit Jahresbeginn um mehr als 60 Prozent gestiegen. Wie wichtig ist das für Sie als CEO?

Primär ist es meine Aufgabe, das Unternehmen zu führen. Es geht darum, die Bedürfnisse unserer verschiedenen Stakeholder zu befriedigen, und zu diesen gehören auch die Investoren. Ihr Auftrag an uns lautet, den Wert des Unternehmens zu steigern. Entsprechend achten wir sicher darauf, wie sich der Aktienkurs bewegt – aber über einen längeren Zeitraum.

Kommen wir von der grossen Welt, in der sich Ihr global tätiges Unternehmen bewegt, zur kleinen Pfäffiker Welt. Vis-à-vis dem Huber+Suhner-Sitz liegt das Areal Tumbelen Nord mit 21'000 Quadratmetern Fläche, die leer stehen. Wie geht es dort weiter, nachdem die Gemeindeversammlung die Umzonung vor einem Jahr abgelehnt hat?

Wir sind in sehr engem Austausch mit der Gemeinde über die weiteren Schritte.

Gibt es einen Zeitplan?

Wir sprechen mit der Gemeinde auch über den Zeitplan, aber wir sind hier nicht allein am Drücker. Es braucht verschiedene Schritte, insbesondere muss die Umzonung von der Gemeindeversammlung abgesegnet werden. Das ist sicher eine ganz wichtige Hürde. Bevor das Geschäft der Gemeindeversammlung vorgelegt werden kann, müssen wir die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Anspruchsgruppen klären.

Dereinst sollen auf dem Areal Wohnungen und Gewerbeflächen entstehen. Denken Sie an Zwischennutzungen, bis es so weit ist?

Ich möchte es nicht ausschliessen, aber es ist nicht das primäre Ziel. Wir sind interessiert an einem zügigen Zeitplan, der das Areal einer definitiven Nutzung zuführt.

Mit diesem Areal ist viel Kapital gebunden, das keinen Ertrag abwirft. Ärgert Sie das Thema?

Nein, das tut es nicht. Natürlich sind wir interessiert, hier eine gute Lösung mit der Gemeinde und der Bevölkerung zu finden. Aber die Spielregeln sind nun einmal so, wie sie sind. Das müssen wir akzeptieren.

Ich möchte zum Schluss noch etwas persönlicher werden, fange aber bei einem wichtigen Geschäftsfeld von Huber+Suhner an, bei der Elektromobilität. Was für ein Auto fährt der Chef?

(Lacht.) Der Chef fährt schon lange elektrisch. Zuerst hybrid, seit vielen Jahren vollelektrisch. Ich tue dies aus Überzeugung und bin sehr zufrieden.

Auch auf längeren Strecken?

Ich habe keinen Chauffeur. Daher bevorzuge ich auf längeren Reisen Verkehrsmittel, die mir erlauben, meine Zeit sinnvoll zu nutzen. Für kurze und mittlere Distanzen reise ich mit dem Zug, für lange Strecken nehme ich das Flugzeug.

Sie leiten einen weltweit tätigen Konzern. Wie oft im Jahr schlafen Sie nicht zu Hause?

Über alles gesehen, verbringe ich etwa jede dritte Nacht in einem Hotelzimmer.

Sie haben an der ETH Zürich Maschinenbau studiert und verfügen über einen Masterabschluss in Betriebs- und Produktionswissenschaften. Verstehen Sie noch jedes Produkt von Huber+Suhner?

Ich würde sagen, nicht bis in jedes Detail. Aber dafür haben wir hervorragende Spezialisten. Was ich versuche: die Funktionsweise und insbesondere auch die Anwendung des Produkts zu verstehen. Diese Brücke zu schlagen, ist für mich ganz wichtig. Und ehrlich gesagt, ist das auch einer der motivierenden Faktoren für mich bei einer Firma wie Huber+Suhner.

Huber+Suhner ist in Pfäffikon und Herisau zu Hause. Wo arbeiten Sie häufiger?

Das hängt davon ab, was gerade ansteht. Ich habe vor mehr als 20 Jahren hier in Pfäffikon angefangen. Danach war ich zehn Jahre fast ausschliesslich in Herisau. Und als CEO ist es mir wichtig, dass ich zwei Büros habe und mich entsprechend aufteilen kann. Aber ich lasse mich oft in den internationalen Niederlassungen blicken, und entsprechend ist mein Büro immer dort, wo ich mich aufhalte.

Wie schalten Sie ab?

Ich bin jemand, der viel Bewegung und viel frische Luft braucht. Mit Sport lässt sich das verbinden. Aber auch mit der Familie oder im Freundeskreis kann ich gut abschalten.

Stichwort Bewegung: Sie sind im Verwaltungsrat der Bergbahnen Scuol AG. Skifahren oder Snowboard?

Jetzt wieder Ski. Ich bin 20 Jahre Snowboard gefahren. Doch als die Kinder klein waren, bin ich wieder auf die Ski umgestiegen. Erst kürzlich habe ich mein altes Nidecker-Raceboard entsorgt … Aber meine Kinder fahren Snowboard.

Über Huber+Suhner

Huber + Suhner ist ein global tätiges Technologieunternehmen mit Hauptsitz in Herisau und einem weiteren Schweizer Standort in Pfäffikon, das Lösungen für die elektrische sowie die optische Verbindungstechnik anbietet. Das Unternehmen bedient die Kernmärkte Industrie, Kommunikation und Transport mit Hochfrequenz‑, Fiberoptik‑ und Niederfrequenztechnologien. Im Jahr 2024 erzielte Huber + Suhner einen Nettoumsatz von 893,9 Millionen Franken und beschäftigte knapp 4000 Mitarbeitende an 39 Standorten in 20 Ländern.

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