In 50 Jahren vom Oberländer Start-up zum Umsatzmilliardär
50 Jahre Belimo in Hinwil
Im 50. Jahr ihres Bestehens wird die Belimo-Gruppe die Schallmauer von einer Milliarde Franken Umsatz durchbrechen. CEO Lars van der Haegen über Wachstum, Innovation und … Ostereier.
Herr van der Haegen, Hand aufs Herz: Wenn Sie ein Büro- oder Produktionsgebäude betreten, schauen Sie dann an die Decke, ob Sie irgendwo in der Gebäudetechnik eine orangefarbene Belimo-Box sehen?
Lars van der Haegen, CEO Belimo Automation AG: Natürlich schaue ich in solchen Situationen oft nach oben. Man sieht unsere Geräte ab und zu, aber nicht immer. Manchmal entdeckt man auch Produkte der Konkurrenz. Es hat etwas von einer Ostereiersuche …
Verstehe ich das richtig? Sie wissen nicht, wo Ihre Feldgeräte, also die Klappenantriebe, Regelventile, Sensoren und Zähler, überall verbaut sind.
Genau, unsere Kunden sind Systemintegratoren, Anlagebauer, Installateure oder auch Hersteller von Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystemen. Wir verfolgen die Projekte, aber wir wissen nicht immer, wo was verbaut ist.

Wie entwickeln Sie Ihre Produkte weiter, wenn Sie nicht direkt mit jenen in Kontakt stehen, die sie letztlich verwenden?
Wir sind schon im Kontakt mit unseren Kundengruppen. Wir haben beispielsweise Verkäufer, die gezielt Fachplaner oder auch Endkunden besuchen. So erhalten wir Feedback, was gut und was weniger gut ist, und können unsere Produkte weiterentwickeln.
Die Geschichte von Belimo begann vor 50 Jahren mit sechs Gründern. Beim 40-Jahr-Jubiläum vor zehn Jahren waren es 1400 Mitarbeitende, jetzt sind es 2400. Damals betrug der Umsatz rund 500 Millionen Franken, dieses Jahr dürften Sie die Milliarde knacken …
… ja, damit können Sie rechnen.
Welchen Einfluss hat ein solches Wachstum auf die Firmenkultur, und wie lässt sich diese steuern?
Unsere Strategie war immer auf organisches Wachstum gerichtet. Das macht die Steuerung der Unternehmenskultur einfacher als nach Übernahmen. Wir haben beispielsweise ein einziges IT-System über das ganze Unternehmen. Auch haben wir für ein Unternehmen unserer Grösse relativ wenige Standorte. Unsere Organisation und unsere Struktur sind einfach. Das macht uns schlank und vereinfacht das Wachstum.
Im Verhaltenskodex von Belimo sind Werte wie Integrität, Vertrauen oder Respekt nachzulesen. Wie stellt man sicher, dass diese Werte über die ganze Unternehmung und weltweit mitgetragen werden?
Diese Werte sind uns sehr wichtig. Wir haben sie in den letzten Jahren klarer formuliert, indem wir Verhaltensregeln für jeden dieser Werte festgehalten haben. Diese Regeln schulen wir sehr intensiv für alle Mitarbeitenden weltweit.
Das klingt plausibel, aber lassen sich diese Werte in einem global tätigen Unternehmen tatsächlich überall gleichermassen durchsetzen?
Natürlich gibt es lokale Unterschiede in der Kultur, das ist logisch: In China beispielsweise haben wir sehr viele Frauen in Ingenieurberufen, dafür ist die Gesellschaft nicht sehr divers. In den USA hat man mehr ethnische Diversität. Aber die Schulungen kamen wirklich überall gut an. Wir sind in Industrieländern tätig, wo die Standards betreffend Gleichberechtigung auf einem gewissen Level sind.
Wenn man sich die Geschäftszahlen von Belimo über die letzten Jahre und Jahrzehnte anschaut, blickt man nur auf Wachstum. Gab es in der 50-jährigen Historie nie eine Krise?
Nein, eine Krise im engeren Sinne gab es nie.
Warum nicht?
Es gibt schon Gründe: Wir legen ein grosses Augenmerk auf die Megatrends, also die grundlegenden Entwicklungen auf der Welt. Sie sind die wichtigsten Faktoren für den Erfolg. In unserem Markt denke ich an Themen wie Energieeffizienz, Sicherheit, Qualität der Innenluft. Das wird im Zusammenhang mit der fortschreitenden Urbanisierung immer wichtiger. Unsere Produkte sind eine Antwort auf diese Megatrends.
Belimo feiert 50-jähriges Bestehen
Zum 50-Jahr-Jubiläum öffnet Belimo die Türen am Hauptsitz in Hinwil für die interessierte Öffentlichkeit. Am 14., 21. und 28. Juni werden geführte Rundgänge durch die Produktionshallen und damit vertiefte Einblicke in das Unternehmen angeboten.
Anhand von verschiedenen Ausstellungsstücken beleuchtet die Jubiläumsausstellung den Weg der Belimo Automation AG von den Anfängen im Jahr 1975 in die Gegenwart 2025 und zeigt die Vision für die Zukunft auf.
Zur Anmeldung geht es hier.
Viele Unternehmen klagen über den Fachkräftemangel. Wie stemmt Belimo dieses Wachstum personell?
Uns als Unternehmen betrifft der Fachkräftemangel weniger. Wir haben eine sehr gute Reputation als Arbeitgeber. Zudem wollen gerade Ingenieure gerne in mittelgrossen Unternehmen arbeiten, wo sie etwas bewirken können. Der Fachkräftemangel ist vielmehr eine Herausforderung für unsere Branche als Ganzes. Insbesondere auf den Baustellen fehlen die Fachkräfte, und zwar weltweit. Unabhängig, ob wir in den USA, in China oder Indien sind.
Was bedeutet der Standort Zürcher Oberland für Belimo?
Es ist ein sehr guter Standort. Die Region ist als Wohnort attraktiv, wir haben als Arbeitgeber ein Einzugsgebiet von der Stadt Zürich über das Tösstal bis zum Linthgebiet. Und wir finden hier den Platz vor, um zu expandieren. (Lars van der Haegen zeigt zum Fenster hinaus.) Wir investieren gerade 80 Millionen Franken in unser neues Produktions- und Logistikzentrum auf der anderen Strassenseite. Dazu kommen die Nähe zu ETH und Fachhochschulen und die allgemein bekannten Vorteile der Schweiz.
Die da wären?
Gute internationale Beziehungen, Freihandelsabkommen, tiefe Inflation, ein flexibles Arbeitsrecht.
Stichwort Freihandel: Wie tangiert Sie die Handels- und Zollpolitik der USA?
Wir arbeiten weltweit mit externen Partnern zusammen. Unser globales Netzwerk macht uns sehr agil. So können wir uns relativ schnell anpassen und den Impact der Zölle abschwächen. Zudem produzieren wir mit 650 Mitarbeitenden in den USA. Dort sind wir der grösste Hersteller in unserem Markt und besser aufgestellt als unsere Mitbewerber. Natürlich exportieren wir auch Teile von Hinwil in die USA, wodurch Zölle anfallen. Ein weniger unmittelbares, aber deswegen nicht kleineres Problem ist, dass diese Zollthematik Entscheidungen verzögert und die Wirtschaft schwächt. Dazu werden sich Lieferketten verschieben, was zu langen Lieferfristen führen wird. Das spürt man jetzt noch nicht, aber es ist absehbar.

Wenn ich Ihr Geschäftsmodell richtig verstanden habe, giessen Sie bei Belimo keine Gehäuse und bauen auch keine Antriebe, sondern kaufen die Komponenten für Ihre Produkte bei Partnerfirmen ein und fügen Sie hier in Hinwil zusammen.
Das ist korrekt. Man spricht hier von der Fertigungstiefe oder Wertschöpfungstiefe. Diese beträgt bei Belimo lediglich rund 13 Prozent, das heisst 87 Prozent der Komponenten stammen von externen Unternehmen, mit denen wir teilweise seit Jahrzehnten zusammenarbeiten. Für Kunststoffspritzguss, Leiterplatten oder Ventile betreiben wir Forschung und Entwicklung. Wir besitzen die Patente, aber wir lassen diese Einzelteile extern fertigen. Die Komponenten werden anschliessend in Hinwil oder in unserem Werk in Connecticut in den USA zusammengebaut. Dazu kommen weltweit neun sogenannte Customizing-Standorte, wo wir diese Produkte schliesslich zu Kundenprodukten machen – indem wir Details anpassen oder konfigurieren.
13 Prozent Fertigungstiefe ist sehr wenig.
Das ist richtig. Dafür ist unser Umsatz pro Mitarbeiter mit rund 400'000 Franken sehr hoch, etwa doppelt so hoch wie in anderen Industrieunternehmen.
Gab es nie Pläne, diese Fertigungstiefe zu erhöhen, indem Sie mehr inhouse produzieren?
Nein, das ist Teil unserer Philosophie und einer der Erfolgsfaktoren von Belimo. Alles, was andere Hersteller gleich gut oder besser machen, lassen wir von Partnern produzieren. Der hohe Umsatz pro Mitarbeiter hat auch zur Folge, dass wir mit relativ wenigen Mitarbeitenden auskommen. Und das macht es wieder einfacher, die Unternehmenskultur zu managen. Um das Beispiel Kunststoffspritzguss zu nehmen: Hier haben wir fünf Partner und Lieferanten aus der Region, also aus unmittelbarer Nähe. SKS Laupen in Wald oder Wild & Küpfer in Schmerikon, um zwei Firmen zu nennen. Würden diese Firmen uns gehören, hätten wir mehr Mitarbeitende, mehr Umsatz und theoretisch auch etwas mehr Gewinn. Aber auf der anderen Seite würde sich die Komplexität erhöhen. Mit Wild & Küpfer arbeiten wir notabene schon seit unserer Gründung vor 50 Jahren sehr gut zusammen.
Wer sind eigentlich Ihre weltweiten Mitbewerber?
Das sind grosse Unternehmen in der Gebäudeautomation: Siemens, Honeywell oder Johnson Controls, um ein paar Beispiele zu nennen. Nur sind wir Marktführer.
Um das einzuordnen: In welchem Bereich sind Sie Marktführer?
Wir haben drei Business Lines. Angefangen hat es 1975 mit den Klappenantrieben. Dort sind wir seit etwa 1995 weltweit Marktführer, bei den Regelventilen ist uns das vor zwei, drei Jahren gelungen. Die jüngste Business Line sind Sensoren und Zähler. Diese Geräte haben wir 2018 in den Markt eingeführt und wachsen seither stark. Hier rechne ich damit, dass wir vielleicht 2030 Marktführer sein werden. Ein neues Business aufzubauen, ist eine langfristige Angelegenheit.
Bleibt es bei diesen drei Geschäftsbereichen, oder sind weitere angedacht?
Im Moment sind es diese drei. Aber natürlich beobachten wir, in welchen Feldern sich neue Möglichkeiten ergeben können.
Kommen wir zum Hier und Jetzt: Sie haben im Frühjahr eine Gewinnwarnung herausgegeben. Eine positive Gewinnwarnung. Was ist schiefgelaufen?
(Lacht.) Wir hatten im Februar an der Medien- und Analystenkonferenz angekündigt, dass unser Wachstum leicht über dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre liegen werde. In der Zwischenzeit haben wir festgestellt, dass wir 2025 in Lokalwährungen zwischen 15 und 20 Prozent wachsen werden.
Was sind die Gründe?
Wir haben global eine günstige Entwicklung. Es werden weltweit gerade viele Datencenter gebaut. Diese müssen gekühlt werden, und dazu liefern wir die Regelventile.
Woher nehmen Sie die personellen Kapazitäten, die Produktion in einem solchen Fall zu erhöhen?
Es ist eine Herausforderung. Aber wir haben gerade vor wenigen Tagen die Genehmigung erhalten, dass wir hier in Hinwil neu an sieben Tagen in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten können.
Letzte Frage: Der Kurs der Belimo-Aktie ist in den letzten drei Jahren um 100 Prozent gestiegen. Soll ich als Kleinanleger jetzt noch Belimo-Aktien kaufen?
(Lacht.) Das muss jede und jeder für sich entscheiden. Ich persönlich plane, weiter zu investieren.