Ein Industrie-Campus in Wetzikon – die grossen Pläne von Elma-Chef Herrmann
40-Millionen-Investition
Erst das Rekordergebnis, dann die Millionenpläne. Elma will in Wetzikon ein Kompetenzzentrum im Bereich der Elektronikindustrie aufbauen. CEO Thomas Herrmann im Gespräch.
Herr Herrmann, ich möchte zunächst auf die Geschäftszahlen zu sprechen kommen, die Elma am Donnerstag publiziert hat. 2024 war mit einem Umsatz von 177,8 Millionen Franken ein Rekordjahr. Ich nehme an, als CEO sind Sie rundum glücklich?
Thomas Herrmann, CEO Elma Electronic: Ja, mit dem Ergebnis bin ich zufrieden. Es ist ein Erfolg für die ganze Belegschaft und ein Zeichen dafür, was wir in den vergangenen Jahren geschaffen haben. Diese Profitabilität hilft uns, wieder investieren zu können. Sie haben ja sicher die Bauprofile draussen vor unserem Hauptsitz gesehen.
Was planen Sie?
Wir bringen unsere Infrastruktur auf den neusten Stand. Um Energie und CO2 zu sparen, verzichten wir auf einen kompletten Neubau. Wir werden dem Gebäude ein neues Kleid und ein neues Innenleben verpassen und es auf den neusten Stand der Technik bringen. Zudem planen wir in Rumänien, wo wir Komponenten für den europäischen Markt produzieren, eine komplett neue Fabrik.

Darf man die Investition am Hauptsitz als Bekenntnis zum Standort Wetzikon verstehen?
Auf jeden Fall. Wir haben uns in den letzten Jahren organisch und durch Zukäufe weiterentwickelt. Wir brauchen Ingenieure, Spezialisten und Techniker und wollen ein attraktiver Arbeitgeber sein. Der Umbau, der bis Ende 2027 abgeschlossen sein wird, ist ein erster Schritt in Richtung eines Industrie-Campus hier in Wetzikon.
Was muss ich mir darunter vorstellen?
Die Idee ist, dass wir verwandte Firmen an diesen Standort bringen, mit denen wir verschiedene Themen bearbeiten können. Das können durchaus auch Start-up-Unternehmen sein. Uns schweben Kollaborationen mit Ausbildungsstätten wie Fachhochschulen, Uni oder ETH vor. Entsprechende Bestrebungen laufen bereits. Die Nachwuchsförderung in den MINT-Berufen (MINT-Berufe umfassen Berufe in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, Anmerkung der Red.) steht weit oben in unserer Prioritätenliste.
Aktuell beschäftigt Elma rund 100 Mitarbeitende hier in Wetzikon. Ist es schwierig, Fachkräfte zu finden?
Es ist definitiv nicht einfach. Das ist einer der Gründe, wieso wir hier investieren. Wir haben sehr attraktive Projekte für Fachkräfte in den MINT-Berufen und wollen diesen ein attraktives, zeitgemässes Umfeld bieten. Um zwei Beispiele zu nennen: Als globales Unternehmen produzieren wir Computersysteme für Testfahrten eines der weltweit grössten Automobilherstellers, oder wir sind mit unseren Systemkomponenten im All unterwegs.
Können Sie mir das Preisschild hier in Wetzikon nennen?
Die Investitionen für den Umbau liegen in der Grössenordnung von 40 Millionen Franken.
Wird es auch mehr Stellen geben?
Das ist unser Plan.
Sie haben in Europa mit Timisoara in Rumänien einen Produktionsstandort. Wie ist die Aufgabenteilung zwischen Rumänien und dem Zürcher Oberland?
In Wetzikon finden die Entwicklung und Konstruktion, die Systemintegration und die finale Montage statt. Die Metallverarbeitung – Biegen, Stanzen, Fräsen – haben wir nach Rumänien verlagert. Timisoara ist unsere verlängerte Werkbank.
Elma Electronic
Elma Electronic mit Hauptsitz in Wetzikon ist ein weltweit tätiger Zulieferer in der Elektronikindustrie. Das Angebot reicht von Komponenten, Busplatinen, Stromversorgungen bis hin zu voll integrierten Computer-Systemen.
Weiter produziert Elma Electronic Gehäuselösungen und Highend-Drehschalter für anspruchsvolle Anwendungen.
Das Unternehmen wurde 1960 in Mönchaltorf gegründet und ist seit 1970 in Wetzikon ansässig. Elma Electronic beschäftigt weltweit 850 Mitarbeitende, 100 am Hauptsitz in Wetzikon, und erwirtschaftete 2024 einen Umsatz von knapp 180 Millionen Franken.
Elma Electronic ist im Geschäft mit Computersystemen, Komponenten und Drehschaltern tätig. Was können Sie besonders gut?
Unsere Computersysteme sind für grosse Herausforderungen konzipiert. Der Fachbegriff dafür ist Englisch und lautet «rugged applications». «Rugged» heisst robust oder widerstandsfähig. Unsere Computersysteme sind in der Lage, in einem anspruchsvollen Umfeld grosse Datenmengen zu verarbeiten.
Was meinen Sie mit einem anspruchsvollen Umfeld?
Es geht beispielsweise um starke Vibrationen, grosse Temperaturunterschiede, Feuchtigkeit oder schockartige Erschütterungen.
Ich nehme an, bei Elma gibt es nichts ab Stange.
Auf der Ebene der Bauteile existieren gewisse Standardkomponenten, die auch unsere Mitbewerber oder unsere Kunden verwenden können. Unsere fertigen Systeme und Lösungen aber sind jeweils individuell auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt. Es sind Highend-Applikationen, die für spezifische Anforderungen entwickelt werden.

Was machen Sie besser als andere?
Wenn ich Ihre Frage auf unser grösstes Geschäft herunterbreche, dann sind wir im Bau von Computersystemen im Hochtechnologiebereich stark. Wir haben weltweit ein grosses technisches Wissen für die Integration unserer Systemlösungen in unterschiedlichen Computerarchitekturen unserer Kunden. Je leistungsfähiger die Systeme und je grösser die übertragenen Datenmengen sind, desto schwieriger wird es, die einzelnen Komponenten aufeinander abzustimmen. Wir dürfen schon sagen, dass wir zu den Spezialisten in diesem Bereich zählen. Darum arbeiten wir auch für grosse, namhafte Kunden, die mit ihren spezifischen Herausforderungen zu uns kommen.
Können Sie einige Beispiele nennen?
Namen möchte ich keine nennen. Aber zu unseren Kunden gehören Firmen wie zum Beispiel die grössten Zughersteller, die grössten Flugzeugproduzenten, grosse Mischkonzerne im Bereich von Industrieautomatisierung, Energiesystemen und Medizinaltechnik.

Knapp die Hälfte des Umsatzes von 180 Millionen Franken generiert die Elma-Gruppe in den USA. Bereiten Ihnen die protektionistische Politik von Präsident Trump und die angedrohten Zölle Sorgen?
Wir sind so aufgestellt, dass wir in unseren drei Marktgebieten Europa, Amerika und Asien sowohl eine Metallverarbeitung wie auch die Montage der Systeme haben. Diese Struktur kommt uns sehr entgegen. Wir können sehr viel lokal produzieren. Wir werden diese Zölle überleben.
Die andere Hälfte ihres Umsatzes machen Sie in Europa. Wie ist Elma von der schleppenden Konjunktur in der EU, namentlich in Deutschland, betroffen?
Am Rande. Wir sind als Industriezulieferer von zwei Megatrends beeinflusst: die künstliche Intelligenz und die Rüstungsindustrie. Im Defense-Bereich wird derzeit stark investiert, weil es in Europa einen grossen Nachholbedarf gibt. Und für die künstliche Intelligenz liefern wir leistungsfähige Hardware. Wir arbeiten beispielsweise an Systemen für die Entwicklung der nächsten Generation des autonomen Fahrens. Da sind enorme Datenmengen zu verarbeiten.
Setzen Sie KI auch selbst ein?
Ja, wir machen Teile der Qualitätskontrolle mittels künstlicher Intelligenz. Das Vier-Augen-Prinzip wird dabei durch eine KI-Applikation ersetzt: Der Mensch setzt das System zusammen, und die KI überprüft, damit er keine Fehler macht.
Ich möchte nochmals auf Ihrer Jahresrechnung 2024 herumhacken: Vor zehn Jahren hatte Elma angekündigt, innerhalb von fünf bis acht Jahren einen Umsatz von 200 Millionen Franken zu erreichen. Nun vermeldet Elma zwar ein Rekordergebnis von knapp 180 Millionen, liegt damit aber immer noch unter dieser Marke. Was sind die Gründe?
Es gibt einige Faktoren, die das erklären. Vergessen Sie nicht, dass wir in der Zwischenzeit Covid hatten. Die ganze Lieferkette von Elektronikkomponenten ist damals zusammengebrochen, Computerchips konnten nicht mehr geliefert werden. Dass wir diese Komponenten nicht mehr erhalten haben, hat sich massiv auf unsere Entwicklung ausgewirkt. Plötzlich dauerten komplexe Projekte nicht mehr 3 bis 6 Monate, sondern 18 bis 24 Monate. Wir haben die Pandemie sogar noch verhältnismässig gut überstanden. Ein zweiter Aspekt ist die Währungsentwicklung: Der Schweizer Franken ist in den letzten Jahren gegenüber dem Euro und dem Dollar massiv gestiegen. Und was ganz wichtig ist: Wir wollen profitabel wachsen. Dadurch sind wir selektiv geworden.
Also nicht Wachstum um des Wachstums willen.
Genau. Wir sind der Überzeugung, dass wir profitabel wachsen müssen, um wieder investieren zu können. Das ist auch im Sinne unserer langfristig orientierten Aktionäre und Investoren.
Damit geben Sie mir das Stichwort. Elma ist an der Börse kotiert. Aber lediglich 10 Prozent des Aktienkapitals sind im sogenannten Streubesitz. Wem gehören die anderen 90 Prozent?
Das ist ein beschränkter Kreis von Investoren, die sehr langfristig investiert sind.
Welchen Sinn ergibt eine Kotierung an der Börse, wenn Ihre Aktien kaum gehandelt werden?
Zuerst möchte ich erwähnen, dass wir sehr froh sind, solche nachhaltig orientierten, langfristigen Investoren zu haben. Das erlaubt uns, langfristige Projekte anzugehen und die Firma nachhaltig zu verbessern. Und es ist ein Fakt, dass durch diese Börsenkotierung eine Transparenz entsteht, die sonst nicht da wäre. Das schätzen unsere Investoren, und es hilft uns im Gespräch mit Banken, wenn wir durch Akquisitionen wachsen wollen. Und als weiterer Aspekt sind wir als börsenkotiertes Unternehmen verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. In unserer Industrie ist das als Zulieferer zunehmend ein Selektionskriterium, um an Aufträge zu kommen.
Von 2008 bis 2021 hat Elma auf die Ausschüttung einer Dividende verzichtet, um die Eigenkapitalquote auf 50 Prozent zu heben. Wieso brauchen Sie so viel Eigenkapital?
Viel Eigenkapital bietet einerseits Sicherheit und andererseits die Möglichkeit, Investitionen und selektive Akquisitionen zu tätigen. So können wir schnell und flexibel entscheiden, ohne uns zu exponieren.
Wo steht Elma in fünf Jahren?
Wir haben Ziele bis 2028 definiert. Eines der Ziele ist, dass wir jetzt definitiv die Marke von 200 Millionen Umsatz überschreiten wollen. Im Bereich Digitalisierung wollen wir eine flächendeckende IT-Landschaft einführen, aktuell sind wir hier recht heterogen unterwegs. Und wir wollen unsere Investitionen in die Standorte Wetzikon und Timisoara bis dann abgeschlossen haben. Zudem wollen wir unsere Kompetenzen im Bereich Hardware ausbauen – und allenfalls vermehrt in den Bereich Software vorstossen. In diesem Bereich arbeiten wir derzeit mit Partnerunternehmen zusammen.
Wie hat sich das Jahr 2025 angelassen?
Wir haben im zweiten Semester 2024 eine leichte Verlangsamung festgestellt. Diverse Aufträge von Kunden wurden verschoben. Mittlerweile stellen wir fest, dass diese Aufträge platziert werden. Das ist erfreulich, aber diese Entwicklung muss natürlich weiter anhalten.
Wagen Sie eine Prognose fürs Geschäftsjahr 2025?
Nein. Es gibt sehr viele Faktoren, die das Jahr noch beeinflussen können. Wir haben beispielsweise in den USA ein Element, das einigermassen «unpredictable» ist (lacht). Und das kann unsere Situation in die eine oder in die andere Richtung beeinflussen. Für Prognosen ist es daher zu früh.
Zum Abschluss eine etwas philosophische Frage: Elma ist auch in der Rüstungsindustrie tätig. Mit welchen Gefühlen machen Sie als CEO in diesem Segment Geschäfte?
Wir sind vor drei Jahren auf den Boden der Realität zurückgeholt werden. Ich war Offizier der Schweizer Armee und bin der Meinung, dass wir eine Armee brauchen und dass Europa verteidigungsfähig werden muss. Wir liefern beispielsweise Komponenten für ein amerikanisches Flugabwehrraketensystem. Ich bin stolz darauf, dass wir als Schweizer Unternehmen auch auf internationaler Ebene einen Beitrag zur Sicherheit leisten können.
Thomas Herrmann
Thomas Herrmann (53) lebt mit seiner Familie in Birmensdorf. In seiner Freizeit ist er leidenschaftlicher Imker und Sportler. Nach dem Ingenieurstudium an der ETH Zürich und über 20 Jahren Tätigkeiten in grossen Industrieunternehmen leitet Thomas Herrmann seit 2020 als CEO die Geschäftsentwicklung der Elma-Gruppe.