FBB in Bauma zeigt: E-Mobilität funktioniert auch bei Lkw
«Positiv überrascht»
Im Sommer 2024 hat die FBB zwei elektrische Lkw in Betrieb genommen. Das Fazit nach einem halben Jahr: von positiv überrascht bis begeistert.
Bei den Personenwagen haben Elektroautos ihren Status als Exoten mittlerweile verloren. Laut Bundesamt für Statistik waren im vergangenen Jahr 203’000 rein elektrisch betriebene PW immatrikuliert. Das sind immerhin 4,2 Prozent des gesamten Bestands oder jedes 25. Auto auf Schweizer Strassen.
Die Statistik widerspiegelt sich auch im Strassenbild: Kein Mensch dreht sich heute noch um, wenn ein BMW i2, ein Tesla 3, ein VW ID.4 oder ein Hyundai Ioniq 5 vorbeirauscht. Bei den Lkw ist das anders. «Ich war kürzlich mit meinem 42-Tönner in einem Einfamilienhausquartier in der Region unterwegs. Die Leute haben gewinkt, und ich sah immer mal wieder hochgestreckte Daumen», sagt FBB-Chauffeur Thomas und lacht.
Der erfahrene Trucker ist seit Juni 2024 in einem Scania BEV 45 R unterwegs. BEV steht für «battery electric vehicle», also batteriebetriebenes Fahrzeug, die 45 für die Leistung von 450 kW (rund 610 PS).
«So einen grossartigen Lastwagen bin ich als Berufschauffeur noch nie gefahren», meinte er im Sommer nach wenigen Wochen im Sattelschlepper aus schwedischer Produktion. Und was denkt er ein halbes Jahr und 30’000 Kilometer später? «Es wird immer besser! Ein tolles Fahrzeug.»

Thomas und seine Kollegin Laianna fahren die beiden elektrischen Sattelschlepper des Baustoffproduzenten mit Sitz in Bauma und weiteren Standorten in Bäretswil, Wald, Hinwil, Gossau und Pfäffikon. Die FBB wolle ihre Güter «entlang der ganzen Wertschöpfungskette möglichst umweltfreundlich transportieren und den CO2-Ausstoss reduzieren», erklärt Firmenchef Christian Gubler die Hintergründe der teuren Anschaffung.
In Hinwil steht die Ladeinfrastruktur für die Fahrzeuge. Diese sollen am Tag fahren und in der Nacht laden, wenn der Strom günstig ist. «Bis jetzt ist das sehr gut aufgegangen», sagt Laianna, «obwohl ich den etwas schwereren rechten Fuss habe als Thomas.» Werkstattleiter Dominik Tanner gibt zu, dass er anfänglich wenig Begeisterung für die beiden Neulinge im rund 100 Lkw umfassenden Fahrzeugpark der FBB hatte: «Ich bin gelernter Lastwagenmechaniker. Ich habe Diesel im Blut.»
Aber im täglichen Betrieb hätten ihn die Scania-Trucks überzeugt: «Es sind die ersten Kundenfahrzeuge dieser neuen Baureihe in der Schweiz. Ich hatte mit Kinderkrankheiten gerechnet und mich auf einen harzigen Start eingestellt. Aber die beiden Lastwagen haben mich positiv überrascht: Der Start in die E-Mobilität ist uns geglückt.»

Obwohl der kraftvolle Elektromotor nur die Räder einer der beiden Achsen des Zugfahrzeugs antreibe, sei der Sattelschlepper auch abseits der befestigten Strassen ein sehr brauchbares Arbeitsgerät, erzählt Tanner an einem Beispiel: «Unsere Kiesgrube in Freudwil hat eine sehr steile Rampe. Für den 42-Tönner ist diese, auch voll beladen, kein Problem.» Die ideale Gewichtsverteilung mit den Batterie-Packs zwischen den Achsen macht es möglich.
300 bis 350 Kilometer Reichweite hatte der Schweizer Scania-Importeur versprochen – abhängig von den gefahrenen Transportrouten, der Beladung und dem Fahrstil. Tanner: «Diesen Wert haben wir problemlos erreicht.» Der Verbrauch des Scania-Lkw beträgt durchschnittlich 135 Kilowattstunden auf 100 Kilometer. Zum Vergleich: Ein Tesla-Modell 3 verbraucht rund 20 Kilowattstunden.
Mehr Reichweite als «Weihnachtsgeschenk»
Mittlerweile hat sich die Reichweite sogar auf über 400 Kilometer erhöht, einem Software-Update des Herstellers sei Dank. Die nutzbare Akku-Kapazität beträgt seit Dezember 83 Prozent, zuvor waren es 75 Prozent. «Ein Weihnachtsgeschenk», sagt Dominik Tanner. «Das gibt uns einen Mehrwert, weil wir die Fahrzeuge jetzt flexibler einsetzen können.»
Zur Erklärung, wieso die Kapazität des Akkus nicht zu 100 Prozent genutzt wird: Die Batterie ist der wertvollste Teil im E-Nutzfahrzeug. Vollständiges Laden und Entladen verringert dessen Lebensdauer. Um das zu verhindern, sollte sie nie zu 100 Prozent geladen oder bis 0 Prozent leer gefahren werden.
Neben der Ladung an der Steckdose in Hinwil rekuperieren die Scania-Sattelschlepper auch Energie beim Bremsen oder Bergabfahren. Chauffeur Thomas erzählt von einer Leerfahrt von Weesen hinauf nach Amden, wo er Material lud und voll beladen wieder in die Linthebene fuhr: «Zurück in Weesen war die Akku-Kapazität 10 Prozent höher als bei der Abfahrt.»
Die beiden Chauffeure liefern sich einen internen Wettkampf darum, wer mit einer Batterieladung die grössere Strecke zurücklegt. «Man muss viel vorausschauender fahren als mit einem Diesel», sagt Thomas, «ich habe praktisch nochmals lernen müssen, Lkw zu fahren.» Und wie steht es im Wettstreit? «Ich würde sagen, unentschieden. Es gibt Tage, da ist Thomas besser, und es gibt Tage, da habe ich am Abend noch mehr Akku», sagt Laianna.
Der Chauffeur als entscheidender Faktor
Der Erfolg der E-Mobilität stehe und falle mit dem Chauffeur, sagt Dominik Tanner. «Wir haben bei uns auch Fahrer, die mit dieser Technologie überhaupt nichts anfangen können.» Und wenn man wirklich wolle, könne man den Akku auch bis zur Mittagspause leer fahren, ergänzt Chauffeurin Laianna.
Dass die E-Mobilität bei Nutzfahrzeugen noch in den Kinderschuhen steckt, belegt die Statistik. Während bei den PW mittlerweile rund 28 Prozent der verkauften Neuwagen sogenannte Steckerfahrzeuge sind, also Elektrofahrzeuge oder Plug-in-Hybride, beträgt der Marktanteil bei den Nutzfahrzeugen erst knapp 10 Prozent.
Ein Problem sind die hohen Anschaffungskosten. Der elektrische Scania kostet aktuell mehr als eine halbe Million – rund das Dreifache seines Cousins mit herkömmlichem Dieselmotor. Da E-Lkw aktuell keine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) bezahlen müssen, können sie diesen Nachteil im Lauf der Jahre aufholen. «Wenn unsere beiden Fahrzeuge pro Jahr 60’000 Kilometer zurücklegen, dann geht es gerade auf», rechnet FBB-Chef Gubler.
Ein Problem namens LSVA
Doch es gibt da ein Problem: Die LSVA-Befreiung ist beschränkt, ab 2031 müssen auch elektrisch angetriebene Lastwagen die Abgabe bezahlen. Das heisst, dass immer weniger Zeit bleibt, um die hohen Anschaffungskosten im Betrieb wettzumachen. «Die Fahrzeuge müssen günstiger werden», sagt Gubler. «Die Fahrzeuge sollten günstiger werden, vor allem, wenn das Absatzvolumen weiter steigt», verspricht Manuel Manser, Leiter Marketing und Kommunikation bei Scania Schweiz.
Denn auch beim Importeur weiss man, dass Transportunternehmer mit spitzem Bleistift rechnen. Manser: «Die erste Generation von E-Lkw wurde aufgrund von Pioniergeist angeschafft. Heute sind wirtschaftliche Überlegungen jedoch entscheidend. Gleichzeitig hat sich die Technik bewährt, und viele wissen inzwischen, dass sie zuverlässig funktioniert.»
Und wie sehen diese Überlegungen bei FBB aus? Wird Firmenchef Christian Gubler seine Flotte von 100 Fahrzeugen nach und nach von Diesel auf Strom umstellen? «Ein Budget dafür gibt es nicht, aber ich entscheide solche Dinge spontan. Also eher ja.»