Wie wirtschafts(un)freundlich ist die Stadt Uster?
Unzufriedene Unternehmer
Unternehmer in Uster klagen über hohe Strompreise und Gebühren. Das steht im Widerspruch zu den Bemühungen der Stadt, Industrie und Gewerbe anzusiedeln.
Beginnen wir mit der guten Nachricht für Private und vor allem für die Gewerbetreibenden in der Stadt Uster: Die lokale Stromanbieterin Energie Uster AG senkt die Stromtarife für 2025 auf breiter Front.
Haushalte bezahlen nächstes Jahr zwischen 6 und 14 Prozent weniger, Unternehmen werden zwischen 7 und 9 Prozent weniger zur Kasse gebeten.
Das ergibt Sinn. Denn die drittgrösste Stadt im Kanton Zürich will wachsen und Arbeitsplätze schaffen. So steht es im Strategiepapier 2030.
«Uster ist im Grossraum Zürich ein wichtiger Akteur», heisst es dort weiter. Uster setzt sich zum «Ziel, die Arbeitsplätze parallel zur wachsenden Wohnbevölkerung zu entwickeln». Eine logische und naheliegende Absicht, will man doch nicht zur Schlaf- und Vorstadt von Zürich werden.
Rund 37'000 Einwohnerinnen und Einwohner zählt Uster. Die Anzahl Beschäftigte wird auf der städtischen Website mit 17'370 beziffert. Will Uster also seine Strategieziele erreichen, muss für zwei Neuzuzüger ein Arbeitsplatz geschaffen werden.

Das bedingt eine wirtschaftsfreundliche Politik bei den Gebühren und Abgaben. Ist sie das? «Nein», sagt Annette Lenzlinger, Inhaberin der Lenzlinger Gruppe, die in Uster Böden und Bodenbeläge herstellt, im Metallbau und in der Zeltvermietung tätig ist sowie in der Region drei Tankstellen betreibt.
«Die Stadt Uster betreibt Klientelpolitik. Man entlastet die Haushalte und tut dies auf Kosten des Gewerbes», sagt die Präsidentin des regionalen Arbeitgeberverbands AVZO. Ihr Ärger gründet auf zwei aktuellen Beispielen.
Ein neuer Tarif für Abwasser
Beispiel 1 ist die im März 2023 im Stadtparlament verabschiedete und im Januar 2024 in Kraft getretene Siedlungsentwässerungsverordnung (Sevo). Die Verordnung bestimmt den Preis für die Versickerung, Sammlung, Behandlung und Ableitung von Abwasser. Dieser Preis setzt sich aus einer fixen Grundgebühr und einer variablen Gebühr für die Menge an Abwasser zusammen.
Das Erstaunliche an der neuen Verordnung: Die Grundgebühr wurde deutlich erhöht, der variable Teil im gleichen Massstab gesenkt. Die Verordnung schreibt vor, dass die Grundgebühr und die Verbrauchsgebühr sich etwa die Waage halten sollten.
Da aber die Grundgebühr für Industrie- und Gewerbeland bis zu sechsmal höher ist als für Wohnland und auf 2024 verdoppelt wurde, übersteigt die Grundgebühr für die Wirtschaft die Verbrauchsgebühren deutlich. Für die Lenzlinger Gruppe, die in Niederuster und Nänikon viel Lagerflächen besitzt, bedeutet das um über 80 Prozent höhere Abwassergebühren im Vergleich zu 2023.
Vereinfacht gesagt: Auf den Flächen der Lenzlinger Gruppe fliesst kein Tropfen mehr Wasser ab als 2023. Das Unternehmen muss aber mehr als das Doppelte an die Stadt für das Abwasser abliefern. Annette Lenzlinger: «Je weniger Wasser man auf Gewerbeland verbraucht, desto höher fallen die Fixkosten und damit die Kostensteigerung ins Gewicht.» Es ist die Umkehrung des Verursacherprinzips.
Und es gibt eine weitere Pointe in dieser Verordnung: Die Gebühren werden auf 2025 deutlich erhöht. Die Mengengebühr steigt um 15,4 Prozent, die Grundgebühr um 12,5 Prozent. Begründet wird die Preiserhöhung damit, dass die Gebühren seit 2001 nie angepasst worden sind, auch nicht an die Teuerung.
Dasselbe Problem wie die Lenzlinger Gruppe hat beispielsweise auch die Büchi AG, die in Uster Reaktorsysteme und Prozessanlagen aus Glas und Metall für die chemische und pharmazeutische Industrie auf der ganzen Welt herstellt. «Die Änderung der Sevo betrifft vor allem Unternehmen mit einer grossen Fläche», stellt Jürg Krauer, COO bei der Büchi AG und FDP-Gemeinderat, fest.
Das Unternehmen hat gleich neben seiner Produktionsanlage eine brach liegende Landreserve von der Grösse eines halben Fussballfelds. Auch wenn dort kein zusätzliches Abwasser produziert wird, muss die Büchi AG seit diesem Jahr deutlich mehr an die Stadt abliefern.
Solche steigenden Gebühren ohne Mehrwert für das Gewerbe ärgern den FDP-Politiker. Aus diesem Grund hat er damals im Gemeinderat die neue Sevo abgelehnt.
Hohe Energiepreise für Unternehmen in Uster
Während es beim Abwasser um rund 6,6 Millionen Franken jährlich für die Ustermer Stadtkasse geht und vor allem grosse Landbesitzer davon betroffen sind, ist das zweite Beispiel ein ungleich grösserer Posten in den Budgets der Gewerbetreibenden in Uster: Elektrizität. Die Strompreise in Uster sind seit 2022 stark angestiegen – und zwar für Privathaushalte wie für Unternehmen.
Es gibt wenige Bereiche der Wirtschaft, die so transparent sind wie die Strompreise. Auf einer Website des Bunds lassen sich sämtliche Tarife für sämtliche Stromverbraucher in sämtlichen Schweizer Gemeinden auf den Zehntelrappen pro Kilowattstunde nachschauen.
Privathaushalte und kleine Unternehmen können mit dieser Transparenz immerhin sehen, wer wo wie viel bezahlt, und sich je nach Resultat ärgern oder freuen. Wer weniger als 100'000 kWh verbraucht, der ist in der sogenannten Grundversorgung, das heisst, er muss seinen Strom beim lokalen Monopolisten beziehen. Grossbezüger, wie die Industrieunternehmung Büchi AG, haben im teils liberalisierten Elektrizitätsmarkt die Möglichkeit, ihren Anbieter frei zu wählen. «Aber die Stromkosten bestehen aus mehreren Komponenten, von denen die Energielieferung nur eine ist. Unser Spielraum ist klein», sagt Jürg Krauer.
Denn die Stromrechnung bestimmen neben der Energie auch unbeeinflussbare Komponenten wie Netznutzung, Netzzuschlag oder Bundesabgaben, die bei einem Grossverbraucher bis zu 75 Prozent der Kosten ausmachen.
«Gastronomen zahlen mehr für den Strom als für die Miete»
Der lokale Monopolist heisst Energie Uster und ist eine Aktiengesellschaft im Besitz der Stadt. Der Nettoerlös von Energie Uster belief sich im Geschäftsjahr 2022 auf knapp 64 Millionen Franken, der Reingewinn betrug 3 Millionen. Als Wirtschaftsvertreter im Ustermer Stadtparlament höre er oft Klagen aus der Wirtschaft, «dass die Energiekosten eine Herausforderung sind», sagt FDP-Gemeinderat Gianluca Di Modica. «Zuerst klagten die energieintensiven Bäckereien; mittlerweile höre ich von Gastronomen, dass sie für den Strom mehr ausgeben als für die Miete.»
Einer dieser Gastronomen ist Ueli Fritschi. «Wenn der Strom plötzlich doppelt so teuer ist, dann geht es ans Lebendige», sagt der Wirt der Zeughausbar. Es sei unmöglich, die höheren Preise an die Gäste weiterzugeben, so Fritschi. Das Resultat sind noch engere Margen in einem ohnehin schon schwierigen Umfeld.
Dasselbe gilt für die energieintensiven Bäckereien. Martin Mayer, Inhaber der Vuaillat AG, produziert in einem alten Fabrikgebäude in Niederuster für seine insgesamt fünf Filialen. Seine Energiekosten haben sich in den letzten drei Jahren mehr als verdoppelt. «Meine Strom- und Gasrechnung beträgt rund 20’000 Franken im Monat. Das ist richtig viel Geld», rechnet Mayer vor und argwöhnt, dass «viele Produzenten von der Energiekrise profitieren und noch höhere Gewinne machen».
Wie Gastronom Fritschi hat er das Problem, dass er Preisaufschläge nicht einfach auf seine Kundinnen und Kunden abwälzen kann: «Am Ende entscheiden die Kunden, was sie bereit sind, für ein Gipfeli zu bezahlen. Auch sie haben eine Schmerzgrenze.»
> > Das sagt Stadtrat Stefan Feldmann zu den Klagen der Unternehmer in Uster
Zwar senkt die Energie Uster AG, wie eingangs erwähnt, die Preise aufs neue Jahr sowohl für die Haushalte als auch für Gewerbe und Industrie. Trotzdem haben sich die Stromtarife vor allem für kleine Betriebe mit geringem Verbrauch seit 2002 fast verdoppelt.
Spannend ist ein Blick auf die einzelnen Tarife: Die Strompreise für private Haushalte (Kategorien H1 bis H8) bewegen sich in allen acht Verbrauchskategorien nahe dem Schweizer Durchschnitt. Sie oszillieren je nach Tarifstufe zwischen –4,1 und +3,8 Prozent um den Schweizer Median.
Ein anderes Bild zeigt sich bei den sieben Tarifstufen für Gewerbe- und Industriebetriebe (C1 bis C7): Sie liegen allesamt deutlich über dem Schweizer Durchschnitt: zwischen knapp 10 Prozent für Kleinbetriebe und mehr als 22 Prozent für Grossverbraucher. Auch im Vergleich mit der Stadt Zürich ist der Strom in Uster je nach Stufe 20 bis 30 Prozent teurer.
Immerhin ein (schwacher) Trost bleibt den Unternehmerinnen und Unternehmern und den Gewerbetreibenden in der Stadt Uster: Die Tarife in Winterthur oder Wetzikon sind noch höher.