Seine Bürsten findet man praktisch in jedem Schweizer Haushalt
Qualität aus Tradition
In Fehraltorf produziert die Edi Baur AG Geräte, mit denen wir vermutlich alle schon zu tun hatten – ohne dass wir das wussten.
CEO Nicholas Saladin empfängt in einem grosszügigen, lichtdurchfluteten Sitzungszimmer, das gleichzeitig als Showroom dient. Wer sich umschaut und idealerweise über einen zumindest leichten Putzfimmel verfügt, der wähnt sich hier in Fehraltorf in einem kunterbunten Paradies.
An grossen Stellwänden ausgestellt sind Handwischer und Schaufeln aus Kunststoff in allen Farben, bunte Schwämme und Eimer, Fensterreiniger, Handschuhe und Mikrofasertücher, daneben Bürsten aus heimischem Holz und Schaufeln aus Aluminium, Grillbürsten, Haarbürsten, Schuhbürsten, Kleiderbürsten, Geschirrbürsten, Klobürsten. Wussten Sie, dass es Radiatorenbürsten gibt?
Seit 2004 ist die Edi Baur AG in ihrem Neubau im Industriequartier von Fehraltorf tätig. Unmittelbar an der Kempttalstrasse zwischen Fehraltorf und Illnau zeugen eine geschwungene Metallfassade und der grosse Schriftzug «Bürstenfabrik Edi Baur AG» vom Selbstbewusstsein des Familienunternehmens.

Nicholas Saladin, Stiefsohn des vor vier Jahren verstorbenen Firmengründers und Namensgebers Edi Baur, führt das Unternehmen seit 2016. Der 45-Jährige ist quasi in der Firma aufgewachsen, hat als Jugendlicher eine Ausbildung zum Detailhandelsfachmann abgeschlossen und später die Berufsmatura erworben: «Alles andere war und ist Learning by Doing.»
Auch Mutter Eva Baur und Ehefrau Vily arbeiten im Unternehmen, dessen Produkte wohl jede und jeder von uns schon in den Händen hielt.
Handelsmarken als Kerngeschäft
Auf «mindestens drei» schätzt Nicholas Saladin die Anzahl seiner Reinigungshilfen, die in einem durchschnittlichen Schweizer Haushalt zu finden sind. Nur steht auf den wenigsten davon Edi Baur AG. Dafür sind Markennamen wie Miobrill, Twister (Migros), Flup oder Prix Garantie (Coop) auf den Fehraltorfer Bürsten aufgedruckt, aufgeklebt oder ausgestanzt.




«Private Label» oder auf Deutsch Handelsmarke nennt sich das. Die Markenrechte gehören dem Detailhändler. Produziert werden sie aber von spezialisierten Anbietern wie im Fall der Bürsten von Migros und Coop von der Edi Baur AG. «Alle fünf Sekunden geht in der Schweiz eines unserer Reinigungsprodukte über den Ladentisch», rechnet Saladin vor. Das geschieht in aller Regel über Absatzkanäle wie Supermärkte, Warenhäuser, Baumärkte, Discounter und Grossisten.
Einen Fabrikladen gibt es in Fehraltorf nicht, auch keinen Shop auf der Website. Die eigene Marke Edi Clean wird über den Fachhandel und über Onlinehändler wie Brack oder Digitec Galaxus an die Hausfrau und den Hausmann gebracht.
Marketing? Warum auch?
Auch ein eigentliches Marketing kennt man bei der Edi Baur AG nicht. «Wir investieren lieber in die Produktentwicklung, in unsere Rohstoffe und unsere Qualität», sagt Saladin. «Und wir müssen ehrlich zu uns selbst sein: Unsere Produkte haben null Prestige. Wieso unnötig Geld mit Werbung verpulvern?»
Neben Herrn und Frau Schweizer bedient die Firma auch den professionellen Markt: Dazu gehören Industrie, Gastronomie, Unterhaltsreinigung und Gesundheitswesen.
Wie alles begann
Edi Baur kam 1932 im Rafzerfeld zur Welt. Der schulische Ehrgeiz und folglich auch die schulischen Leistungen des Bauernbuben waren überschaubar. So entschied sich die Familie, dass eine handwerkliche Lehre als Bürstenbinder wohl ein geeigneter Berufseinstieg sei.
Nach der Lehre folgte die Anstellung bei der Bürstenfabrik Walther in Oberentfelden – und einige Zeit später die Meisterprüfung. Edi Baur war kein Intellektueller, aber gesegnet mit einer sprichwörtlichen Bauernschläue, und er konnte gut mit Menschen.
Bei der Bürstenfabrik Walther arbeitete er sich bis zum Betriebsleiter hoch, doch er wollte viel lieber verkaufen. Da kein Marktgebiet verfügbar war, schlug er den Besitzern vor, ihm die Adressen aller Kunden auszuhändigen, die seit zwei und mehr Jahren nichts mehr bestellt hatten. Lohn wolle er keinen, eine Provision würde reichen.
Der Start war hart. Anfänglich reichte der Verdienst kaum, um die Fahrspesen zu decken. Doch Baur baute sich nach und nach einen treuen Kundenstamm auf und verdiente bald mehr, als er sich jemals erträumt hatte.
Mit 50 Jahren verliess er Walther, wo er mittlerweile die Position des Direktors innehatte, liess sich die Pensionskasse auszahlen und begann 1983 gemeinsam mit seiner Frau Eva nochmals von vorne. Die Mutter des heutigen CEO Nicholas Saladin ist nach wie vor Finanzchefin des Familienunternehmens. Zunächst war die Einzelfirma ein reines Verkaufsunternehmen, das Produkte verschiedener Hersteller an Drogerien, Apotheken und unabhängige Einzelhändler verkaufte.
Erster Firmensitz war das Privathaus in Winterberg, das als Büro und Lager diente. «Das Haus war von unten bis oben voll mit Bürsten und Besen», erinnert sich Nicholas Saladin an seine Kindheit.
Schon 1987 konnte ein Neubau an der Undermülistrasse in Fehraltorf bezogen werden. Mit dem Umzug wurde die Firma von der reinen Verkäuferin zur Herstellerin. Die ersten selbst entwickelten Produkte waren ein Hand- und ein Bodenwischer.
1990 wandelte Edi Baur seine Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft um. 2004 kam als grosser Entwicklungsschritt der Bau des neuen Hauptsitzes mit 5200 Quadratmetern Lager- und Produktionsfläche, 2017 wurde der Sitz auf 10’000 Quadratmeter erweitert.
«Die Firma ist in den 40 Jahren ihres Bestehens immer gesund gewachsen», sagt Nicholas Saladin. «Wir investieren nur, was wir zuvor verdient haben.» Ein einziges Mal habe die Edi Baur AG eine Hypothek aufgenommen, aber die sei längst abbezahlt. «Es ist mir bewusst, dass wir mit mehr Fremdkapital unsere Steuern optimieren könnten», sagt der Vater von drei Teenagern. «Aber ich gebe das Geld lieber der Gemeinde Fehraltorf als einer Bank.»
2021 verstarb Edi Baur nach kurzer Krankheit. Bis zu seinem Tod war er täglich in der Firma anzutreffen und kümmerte sich vor allem um die Entwicklung neuer Produkte. Die Edi Baur AG ist komplett in Familienbesitz. Der Umsatz liege «im zweistelligen Millionenbereich», sagt Saladin, ohne ins Detail zu gehen.
50 Mitarbeitende beschäftigt das Unternehmen heute. 40 davon in Fehraltorf, 10 weitere im Office in der Nähe von Schanghai. Dort arbeitet die Edi Baur AG mit einem langjährigen Partnerunternehmen zusammen und nutzt rund 80 bis 90 Prozent von dessen Fabrikkapazität. Eine eigene Produktion in Fernost aufzubauen, stand nie zur Debatte. «Das wäre zu aufwendig gewesen. Aber wir entwickeln gemeinsam neue Produkte», sagt Nicholas Saladin und schwärmt von der Einsatzfreude seiner chinesischen Partner.
Weitere Halbfabrikate, beispielsweise Holz- und Kunststofferzeugnisse, werden mehrheitlich in den Partnerwerken der Edi Baur AG in Süddeutschland gefertigt. In Fehraltorf finden die eigentliche Bürstenproduktion, die Endmontage und die Qualitätskontrolle statt. Hier werden aus Bürstenkörpern und Borsten fertige, handelsübliche Bürsten. «Es ist für uns wichtig, in der Schweiz zu produzieren», sagt Saladin. «Wir definieren uns durch unsere Qualität, und es gibt Dinge, die wir nur hier in Fehraltorf in der gewünschten Qualität hinbekommen.»


Neben Kunststoff wird für die Bürstenkörper oft Buchenholz verwendet. Das Holz der Buche ist hart und widerstandsfähig. Und es hat durch seine feine Maserung ein gutes Erscheinungsbild. Für die Borsten kommen neben Kunststoff auch Pflanzenfasern (Kokosnuss, Agave, Hirse) oder Rosshaar und Schweineborsten zum Einsatz.
Eine Rosshaarbürste könne wegen der Struktur ihrer Haare sehr viel und vor allem sehr feinen Staub aufnehmen, erklärt Nicholas Saladin. «Deshalb ist ein einfacher Besen für gewisse Anwendungen nach wie vor die beste, sauberste und vor allem ökologischste Lösung zu den geringsten Anschaffungskosten.» Elektrisch betriebene Geräte sucht man bei der Edi Baur AG vergebens: «Das hat sich aus unserer Firmengeschichte ergeben. Wir machen nur das, was wir auch wirklich können.»
«Egal, ob wir in China, Polen oder der Schweiz produzieren»
Der Maschinenpark in Fehraltorf ist modern. Roboter übernehmen die repetitiven Arbeiten: Sie bohren die Löcher in die Bürstenkörper und stanzen die Borsten mit einer Drahtschlaufe in diese. Aufgabe der Mitarbeitenden ist vor allem das Befüllen und Überwachen der Maschinen sowie die Endkontrolle. Ein Mitarbeitender kann dabei gleichzeitig zwei Maschinen bedienen.
«Das A und O ist unsere Qualität. Aber auf diese Weise sind wir auch preislich sehr konkurrenzfähig», sagt Nicholas Saladin. «Mit unseren Anlagen ist es unerheblich, ob wir in China, Polen oder in der Schweiz produzieren.»
Es sei sogar möglich, noch stärker zu automatisieren: «Aber es würde unsere Umrüstzeiten erhöhen. Das lohnt sich nicht. Dank unseren langjährigen Mitarbeitern, die ihre Maschinen und Roboter in- und auswendig kennen, sind wir sehr flexibel und schnell.»

Rezykliertes PET für einen Grossverteiler
Beim Besuch dieser Redaktion in Fehraltorf löst gerade ein Mitarbeiter ein Problem bei der Fertigung von Ersatzköpfen für Abwaschbürsten aus Holz. Bei der Sortieranlage, die dafür sorgt, dass die Bürstenköpfe korrekt in die Stanzmaschine geführt werden, klemmt es.
Ein paar Meter weiter spuckt eine Maschine blaue Kunststoffbürsten mit schwarz-blauen Borsten aus. Sie bestehen aus rezyklierten PET-Flaschen. «Eine Aktion eines Grossverteilers», sagt Saladin. Im November sollen die Bürsten in die Regale kommen.
Nachhaltigkeit ist Nicholas Saladin wichtig. Das genutzte Buchenholz ist FSC-zertifiziert und stammt aus der Region oder aus Süddeutschland. Das Unternehmen hat den BSCI-Verhaltenskodex unterschrieben. Der Kodex definiert Standards hinsichtlich sozialverträglicher Produktionsbedingungen oder auch verantwortlicher Ressourcennutzung in den Lieferketten.
«Und was ist nachhaltiger, als etwas Schmutz mit einer hochwertigen Bürste oder einem guten Besen zusammenzukehren?», fragt Saladin. In Zeiten von Akku-Staubsaugern und elektrisch vor sich hin wischenden Robotern nicht nur eine rhetorische, sondern eine sehr berechtigte Frage.