Das Spital Wetzikon wird Opfer von «Geierfonds»
Spitalkrise im Kanton Zürich
Eine Gruppe von Investoren versucht, von der Sanierung zu profitieren und so Millionen zu machen. Was in Wetzikon abläuft, kann auch auf andere Schweizer Spitäler zukommen.
In Wetzikon ist ein offener Streit um das Regionalspital (GZO) ausgebrochen. Das GZO ist in Schwierigkeiten geraten, weil es eine Anleihe von 170 Millionen Franken nicht zurückzahlen kann. Eine Umschuldung scheiterte, weil Natalie Rickli (SVP), Gesundheitsdirektorin des Kantons Zürich, sich weigert, eine Staatsgarantie zu geben.
Eine Gruppe von cleveren Investoren versucht nun, den offiziellen Weg der Sanierung zu stören und einen gehörigen Reibach zu machen. Es geht um 100 Millionen Franken.
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Begonnen hat die Geschichte vor fast 20 Jahren. An der Generalversammlung der Zweckverbandsgemeinden (GZO-Kommission) wird 2006 Gossaus Gemeindepräsident Jörg Kündig (FDP) zum Präsidenten des Regionalspitals gewählt.
Seither ist das GZO stetig gewachsen. 2008 wurde der Zweckverband in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt, 2014 eine Anleihe von 170 Millionen Franken aufgenommen, um einen Neubau zu finanzieren. Ausgegeben wurde die Anleihe von der UBS, die gerne ins Geschäft kam. Ausgeblendet wurde das Klumpenrisiko aus Sicht des Spitals, das zehn Jahre später mit einem Schlag die Schuld wieder ablösen musste.
Dann entbrannte ein Streit darüber, wer bauen darf. Der Kanton verpflichtete das Spital, den Bau auszuschreiben. Die Steiner AG machte das mit Abstand beste Angebot und liess sich auf einen sehr unvorteilhaften Knebelvertrag ein. Alle wunderten sich, dass die Firma auf das Geschäft einging.
Vor einem Jahr kam es dann zu Verhandlungen mit einem Bankenkonsortium unter Führung der Raiffeisen, das aber eine Staatsgarantie und mehr Eigenkapital verlangte. Ein Investor wurde angeblich gefunden, aber der stieg wieder aus, als Natalie Rickli die Staatsgarantie verweigerte. Zudem machte das Spital, genau wie viele andere, plötzlich Verluste. Jörg Kündig stand vor einem Scherbenhaufen.
Sanierung auf Kosten der Gläubiger droht zu scheitern
Kündig holte Sanierungsspezialisten, die vorschlugen, in den Nachlass zu gehen und dann einen Schuldenschnitt durchzusetzen. Der damalige Spitaldirektor Matthias Spielmann war mit der Strategie nicht einverstanden und ging von Bord.
Steiner packte die Gelegenheit und kündete den Vertrag mit Hinweis auf unvorhersehbare Ereignisse und ging gleich selber in den Nachlass. Deren indische Besitzer wollten sowieso aus dem Geschäft aussteigen und hinterliessen eine riesige Gläubigerliste. Beim GZO blieben offene Rechnungen von Handwerkern in Höhe von rund 20 Millionen Franken hängen.
«Wenn es gelingt, die Schuldenlast massiv zu reduzieren, dann kann das Spital Wetzikon weiterexistieren», sagt die aktuelle Spitalführung. Betroffen vom Schuldenschnitt wären vor allem die Obligationäre, die den Grossteil der Schulden (170 Millionen von 240 Millionen Franken) ausmachen. Die Ratingagenturen stuften darum das Spital auf die Stufe Ramsch herunter.
Nun ist etwas eingetreten, mit dem die Sanierer nicht gerechnet hatten: Eine Gruppe von spezialisierten Investoren – man kann sie als Geier bezeichnen – hat begonnen, die Obligationen an der Börse aufzukaufen. Der bekannteste von ihnen ist Gregor Greber, dazu gehören Clearway, Atlas Global und Markus Eberle. Mitte Juli trat die sogenannte GZO Creditor Group erstmals an die Öffentlichkeit.
Die Investoren profitieren davon, dass wegen des «Downgrading» viele Fonds aussteigen mussten. Kurzzeitig war die Obligation an der Börse für 30 Prozent des Nominalwerts zu haben, im Moment liegt der Kurswert bei 40 Prozent.

So eine Ramsch-Obligation ist ein fabelhaftes Geschäft, falls es gelingen sollte, den Schuldenschnitt zu vermeiden oder mindestens deutlich kleiner zu halten als den Abschlag an der Börse. Gemäss den oppositionellen Aktionären ist dies problemlos möglich. Um dies zu beweisen, haben sie vom Immobilienbewerter Jones Lang Lasalle ein Gutachten zum Wert der Immobilien und der Landreserven erstellen lassen.
Gemäss der Rechnung der Investoren ergibt sich ein positiver Unternehmenswert. Der errechnet sich folgendermassen: Am 31. Dezember 2023 verfügte das Unternehmen über etwa 67 Millionen Schweizer Franken an Barmitteln und liquiden Vermögenswerten.
Die bestehenden Immobilien wurden ohne den Neubau auf 75 Millionen Franken geschätzt. Hinzu kommen der halbfertige Neubau im Wert von 95 Millionen Franken und der Wert des Spitalbetriebs von 128 Millionen Franken. Fazit: Die Aktiven überschreiten die Schulden bei Weitem, und ein Schuldenschnitt ist unnötig.
In ihrem offenen Brief an die Obligationäre schreibt nun die Gruppe an die anderen Aktionäre: «Wir glauben, dass der Verwaltungsrat der GZO AG den falschen Weg gewählt hat, einen Weg, der höchstwahrscheinlich zur Liquidation des Unternehmens führt.» Dies, weil der VR riskiere, dass die Gläubiger den Schuldenschnitt ablehnten.
Dann drohen sie offen damit, das Unternehmen notfalls in Konkurs gehen zu lassen: «Bei einer Liquidation erhalten Gläubiger wahrscheinlich 100 Prozent ihres Geldes zurück, selbst wenn das Krankenhaus möglicherweise für andere öffentliche Dienstleistungen umgenutzt werden müsste, wie es die aktuellen Zonenbestimmungen vorschreiben.»
Dies sei natürlich «ein schreckliches Ergebnis für das Krankenhaus, für die jährlich 65’000 behandelten Patienten, für die mehr als 900 Mitarbeiter, für die Aktionäre und für die lokalen Gemeinschaften», schreiben sie weiter. Sie hoffen, an der Gläubigerversammlung Ende Oktober die Mehrheit davon zu überzeugen, dass man keinen Schuldenschnitt macht, sondern die Anleihe drei Jahre lang stundet und während dieser Zeit ein Sanierungskonzept aushandelt.
Der Widerspruch von Jörg Kündig
Jörg Kündig, der ewige Verwaltungsratspräsident der GZO, hält nicht viel von den Berechnungen der Gläubiger. Bei der Bewertung der Immobilien sei verschiedenes zu berücksichtigen: So stehe das Hochhaus unter Denkmalschutz.

Die relevanten Grundstücke seien in der sogenannten Zone für öffentliche Bauten. Das heisst, dass diese Grundstücke ohne Umzonung nicht für eine Wohnnutzung verwendet werden können. «Zudem unterliegen die Grundstücke einem kantonalen Richtplan, wonach das betreffende Gebiet für Spital-/Reha-Liegenschaften verwendet werden muss», sagt Kündig.
Offenbar hat das Unternehmen die Grundstücke vom Immobilienberater Wüest Partner schätzen lassen und kommt auf etwa die Hälfte des Werts. Laut Kündig würde ein Schuldenschnitt als Teil des nachhaltigen Sanierungskonzepts «die Fortsetzung eines erfolgreichen operativen Spitalbetriebs ermöglichen».
Gedient würde damit «den Menschen, die eine Gesundheitsversorgung benötigen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Spitals und auch der regionalen Wirtschaft», aber wohl nicht den Spekulanten, die das Recht auf ihrer Seite wähnen. Im Oktober will Kündig einen Plan vorlegen, wie die Sanierung gelingen könnte.
Man darf gespannt sein, wie der Kampf ausgeht. Auch, weil beim Kinderspital in Horgen und bald auch am Zürcher Unispital Finanzierungen in Milliardenhöhe anstehen.