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VZO brechen in die elektrische Zukunft auf

Ab sofort ist der erste Elektrobus der VZO für Testfahrten auf den Oberländer Strassen zu sehen. Doch die Höhe und die Reichweite bereiten noch Probleme.

Der neue Elektrobus soll im kommenden Februar in den Fahrplan integriert werden.

Foto: Lennart Langer

VZO brechen in die elektrische Zukunft auf

Neue Busse ab Februar

Der erste Elektrobus ist in Grüningen eingetroffen. Auf die VZO warten allerdings noch einige Herausforderungen bis zum CO2-freien Busbetrieb.

«Als Fahrgast fährt es sich wie auf Watte», schwärmt Joe Schmid. Der neue Direktor der Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) ist begeistert vom neuen Elektrobus, der seit wenigen Tagen beim Hauptsitz in Grüningen steht. Kurz vor Weihnachten konnte er sich bei der Überführung des Busses ins Oberland einen ersten Eindruck vom Fahrgefühl machen. «Man hört einfach nichts.»

Schmid spricht von «einem Meilenstein» und «einem geschichtsträchtigen Moment». «Es kam nicht nur ein Bus, sondern es ist der Beginn einer neuen Ära.» Der neue Gelenkbus wird das erste elektrische Fahrzeug sein, das auf dem VZO-Netz zum Einsatz kommen wird. Zwei weitere rote Standardbusse sollen bis Mitte Januar aus dem Werk in Mannheim eintreffen. Sie werden künftig auf dem Stadtbusnetz in Rapperswil-Jona verkehren.

Von aussen ist der neue Gelenkbus kaum von seinem Vorgänger zu unterscheiden. Er ist im typischen Blau mit dem silbernen Seitenstreifen gehalten. Auch das Interieur ist identisch. Einzig die Front hebt sich optisch ab. Zudem hat der neue Bus keine klassischen Seitenspiegel mehr. Auch diese sind nun elektrisch. So zeigen mehrere Bildschirme den Chauffeusen und Chauffeuren an, was gerade um den Bus herum geschieht.

Sechs Jahre lang bereiteten sich die VZO auf diesen Schritt vor. Verantwortlich für die Elektrifizierung der bisherigen Dieselbusflotte ist Heinz Blatti als Projektleiter.

«Wir müssen im Prinzip den ganzen Betrieb umkrempeln», erklärt der Leiter Technik die grosse Herausforderung für das Unternehmen. Denn die neue Technologie relativiere alles. «Man beginnt wieder von Neuem», sagt Blatti. «Es gibt keinen Bereich der VZO, der nicht von der Umstellung betroffen ist», meint auch Joe Schmid. Das gelte für die Werkstatt, das Fahrpersonal sowie für die Infrastruktur in den Gebäuden.

Erste reguläre Fahrt im Februar

Bereits seit Mitte 2023 werden die Mitarbeitenden in der Werkstatt deshalb im Umgang mit den neuen Bussen geschult und sensibilisiert. Neues Mess- und Spezialwerkzeug wurde angeschafft. «Inzwischen sind wir eine zertifizierte Elektrobus-Werkstatt», sagt Blatti. Auch wenn es erst mal nur drei neue Busse seien, müsse das Team zu 100 Prozent fit sein, ergänzt Schmid.

Vier Männer stehen vor einem Elektrobus.
Die VZO sind bereit für die Zukunft: Direktor Joe Schmid, Leiter Fahrzeuge Urs Ryffel, Fahrzeug-Elektroniker René Messikommer und Heinz Blatti, Leiter Technik (von links).

Seit Anfang Jahr werden alle Chauffeusen und Chauffeure nochmals auf dem Bus geschult. Die erste reguläre Fahrt ist am 5. Februar geplant. Ab dann soll der neue Gelenkbus auf der Linie 842 zwischen Oetwil am See und Uster verkehren. In Rapperswil werden die zwei neuen Busse auf der Linie 994 zwischen dem Bahnhof Rapperswil und dem Bahnhof Jona eingesetzt.

Höhe und Reichweite machen Probleme

Eigentlich hätten die Busse schon im Oktober pünktlich zum 75-Jahr-Jubiläum der VZO und zum Abschied des langjährigen Direktors Werner Trachsel eintreffen sollen. Daraus wurde allerdings nichts. Fehlende Komponenten sorgten für Lieferverzögerungen. Schmid nimmt es rückblickend sportlich und meint: «Die richtig grossen Geschenke bekommt man eben zu Weihnachten.»

Derzeit überwiegt bei den VZO zwar die Freude über die Ankunft des ersten neuen Busses. Doch Schmid und Blatti ist bewusst, dass in den kommenden Jahren noch viele Herausforderungen warten. Denn die aktuelle E-Bus-Generation entspricht noch nicht den Ansprüchen, die das Unternehmen an seine Busse stellt. Die grössten zwei Probleme: Die Busse sind zu hoch, und sie haben eine zu geringe Reichweite.

Es ist uns ganz recht, dass wir in den nächsten Jahren nicht gleich mehrere Busse bestellen müssen.

Joe Schmid

VZO-Direktor

Konkret passt der neue Gelenkbus, der zirka 30 Zentimeter höher als sein Diesel-Pendant ist, nicht ins Depot in Grüningen. Hier gibt es eine kurzfristige Lösung. Die drei neuen Busse sollen in den Depots in Rüti und in Wetzikon unterkommen. Auch das vierte Depot in Meilen wäre genug gross.

Problematischer allerdings ist die Höhe der Busse im Strasseneinsatz. Denn gewisse Unterführungen, wie etwa jene bei der Dammstrasse beim Bahnhof Uster, sind für die Durchfahrt zu tief. «Das ist unser Nadelöhr», sagt Joe Schmid, «dort fährt vorerst kein E-Bus durch.»

Allerdings seien die VZO nicht allein. In Baden würden beispielsweise keine E-Busse in den unterirdischen Bushof beim Bahnhof fahren können.

Bis 2035 CO2-neutral

Entgegen kommt den VZO, dass sie ihre bisherigen Dieselbusse erst dann ersetzen, wenn diese am Ende ihrer Lebensdauer sind. «Es ist uns ganz recht, dass wir in den nächsten Jahren nicht gleich mehrere Busse bestellen müssen», sagt Joe Schmid.

Die nächsten Gelenkbusse sind erst ab 2026 fällig. Der grosse Umbruch steht ab 2029 an. Bis 2035 wollen die VZO dann alle Busse durch neue, umweltfreundliche Nachfolgemodelle ersetzen. So sehe es die Dekarbonisierungsstrategie vor. Diese sei mit dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) abgestimmt und orientiere sich an kantonalen Vorgaben, bis spätestens 2040 ein CO2-neutrales Busnetz anzubieten.

Joe Schmid bleibt zuversichtlich, dass der Druck auf die Hersteller genug gross ist, die Busse in den kommenden Jahren zu überarbeiten und zu optimieren. Es gebe bereits positive Signale. «Die Zeit arbeitet für uns», sagt der Direktor. Die Hoffnung: Bis in einigen Jahren sollen die Akkus nicht mehr auf den Dächern der Busse platziert, sondern im Zwischenboden untergebracht werden. Die neueste Generation Elektrobusse dürfte nicht mehr höher sein als die heutigen Dieselbusse.

Nur 200 statt 400 Kilometer

Damit noch nicht gelöst ist das Problem der derzeit fehlenden Reichweite. «Ein Dieselbus fährt am Morgen aus der Garage und ist bis Mitternacht unterwegs», erklärt Schmid. Dabei lege er pro Tag eine Strecke von rund 400 bis 450 Kilometer zurück – ohne Tankstopp.

Die neuen Elektrobusse schaffen maximal 200 bis 220 Kilometer, bis sie wieder an den Ladestecker müssen. Deshalb kommen sie vorerst nur auf kürzeren Strecken als sogenannte Entlastungsbusse zu den Hauptverkehrszeiten am frühen Morgen und am Abend zum Einsatz. Tagsüber werden sie wieder aufgeladen.

Heinz Blatti sieht in diesem Bereich aber grosse Entwicklungsschritte und bleibt optimistisch. In den vergangenen Jahren habe sich die Reichweite der Busse mehr als verdoppelt. «Wir rechnen damit, dass die Entwicklung so weitergeht», sagt der Projektleiter, «aber natürlich besteht eine gewisse Unsicherheit.»

Zu geringe Stromleistung

Vorerst konzentrieren sich die VZO deshalb auf jene Herausforderungen, bei denen sie nicht nur von der Industrie abhängig sind. Dazu gehört der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den Depots. Die angeschafften mobilen Ladegeräte und die derzeit verfügbare Strommenge würden zwar für die drei Busse ausreichen. «Mehr geht aber nicht», sagt Schmid.

Für zusätzliche Busse sind leistungsstärkere Stromleitungen nötig. «Sonst hätte plötzlich halb Grüningen keinen Strom mehr.» Die entsprechenden Vorprojekte sind aufgegleist. Läuft alles nach Plan, starten die Installationsarbeiten in den Depots ab 2025.

Der schrittweise Umstieg und das langsame Herantasten an die neue Technologie bieten den VZO also in vielerlei Hinsicht Vorteile. «Es ist für uns genial, so einzusteigen und den Umgang mit den neuen Bussen zu lernen», findet Blatti. Zu dieser Lernphase gehört nicht zuletzt, Erfahrungswerte zu sammeln.

Fragezeichen bei Lebensdauer

Solche Werte fehlen beispielsweise auch bei der Lebensdauer der neuen Busse fast noch gänzlich – und dies ist nicht zuletzt finanziell relevant. In der Anschaffung seien die neuen Fahrzeuge rund 70 Prozent teurer als ihre Vorgänger. Ein 18 Meter langer Gelenkbus kostet 900’000, der mit 12 Metern etwas kürzere Standardbus 680’000 Franken. «Allerdings fallen auf die Lebensdauer gerechnet im Unterhalt weniger Kosten an», erklärt Schmid.

Derzeit gehen die VZO davon aus, dass die Busse ähnlich lange halten wie ihre Vorgänger. Die Lebensdauer von Gelenkbussen liegt bei ungefähr 12 Jahren, jene von Standardbussen bei 15 bis 16 Jahren. Dies entspricht jeweils zirka 1,1 Millionen Fahrkilometern.

Bis sämtliche 104 Dieselbusse ersetzt sind, wird es also noch einige Jahre dauern. «Doch wir haben einen klaren Plan und eine Vision», sagt Direktor Schmid. Mit dem Start ins Jahr 2024 brechen die VZO auf in ein neues Zeitalter, in dem es noch einige Hürden zu übersteigen gilt.

Joe Schmid ist vorerst gespannt auf den nächsten grossen Schritt Anfang Februar, die Integration in den Fahrplan: «Es wäre natürlich schön, wenn die Fahrgäste spüren, dass sie in einem Elektrobus sitzen.»

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