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«Die Ressourcen sind aufgebraucht – kräftemässig und finanziell»

Die Touristiker im Zürcher Oberland treffen sich neuerdings zu einem virtuellen Branchenaustausch. Dort entwickeln sie praktische Lösungsansätze für den Umgang mit der Pandemie, wie Initiatorin Mirjam Wüthrich von Zürioberland Tourismus im Interview schildert.

Mirjam Wüthrich von Zürioberland Tourismus will den Online-Stammtisch so lange beibehalten, wie er einen Mehrwert schafft.

PD (Montage: Eva Kamber)

«Die Ressourcen sind aufgebraucht – kräftemässig und finanziell»

Der zweite Lockdown setzt auch dem Tourismus im Zürcher Oberland deutlich zu. Damit will sich der Verein Zürioberland Tourismus (ZOT) mit Sitz in Bauma nicht abfinden. Seit Jahresbeginn veranstaltet der Standortförderer an jedem Dienstagmorgen einen virtuellen Branchenaustausch für die touristischen Akteure in der Region, darunter Gastronomen, Freizeitanbieter und Kulturschaffende. Der « Zürioberland Stamm » trifft sich über die Videokonferenz-Plattform Zoom.

Für Mirjam Wüthrich, Leiterin von ZOT, sind die regelmässigen Begegnungen der Auftakt für neue Zusammenarbeiten.

Frau Wüthrich, niemand kann abschätzen, wann der momentane Lockdown tatsächlich aufgehoben wird, die Planungsunsicherheit bleibt gross. Kann man unter diesen Bedingungen überhaupt etwas Konstruktives mit einem virtuellen Stammtisch erreichen?
Mirjam Wüthrich: Das kann man schon. In diesen Treffen befassen wir uns mit der Zeit, wo die Betriebe wieder offen sind. Auf dieses Ziel arbeiten wir hin.

Wer hatte die Idee zu diesem Branchenaustausch?
Wir von Zürioberland Tourismus. Als Mitte Dezember der zweite Lockdown verkündet worden ist, haben wir eine gewisse Hilflosigkeit verspürt. Unser Verein unterstützt den regionalen Tourismus beim Marketing, bei der Organisation von Projekten oder bei der Vernetzung. Da fällt zurzeit vieles weg, weil die Betriebe geschlossen sind. Um ihnen zu helfen, haben wir nach einer Alternative gesucht.

Wer ist Ihre Zielgruppe?
Betriebe und Personen, die touristische Leistungen anbieten. Dazu gehören die Hotellerie und Gastronomie, Museen, Freizeitanbieter oder Kulturinstitutionen. Wir decken nicht nur das ganze Zürcher Oberland bis zum Greifensee ab, sondern gehen auch über die Kantonsgrenze bis nach Eschenbach und Fischingen.

« Durch die Zufallsgruppen entstehen ganz neue Kontakte. »

Wie liefen die ersten Treffen ab?
Wir hatten vorab jeweils einen Betrieb um ein Kurzreferat gebeten. Dabei sollte es um praktische Lösungsansätze im Umgang mit der jetzigen Situation gehen. René Kaufmann vom Restaurant Rössli in lllnau berichtete etwa darüber, wie er seinen Bildungsauftrag gegenüber den Lernenden weiter erfüllen kann. Nach einer Diskussion im Plenum mit allen Teilnehmern hat unser System dann automatisch Kleingruppen gebildet, in denen konkrete Fragen besprochen werden konnten.

Kommt das Zufallsprinzip gut an?
Von den Teilnehmenden haben wir dazu nur positive Rückmeldungen erhalten. Durch die Zufallsgruppen entstehen ganz neue Kontakte. Auf einmal redet der Kulturschaffende in Wald mit dem Gastronomen in Illnau. Wenn sich einzelne Teilnehmer gezielt über ein gemeinsames Thema austauschen wollen, können sie sich selbstverständlich auch in dieser Konstellation gruppieren.

Moderieren Sie die Gespräche?
Nur im Plenum. Aber auch dort beschränke ich mich auf wenige Impulse, um nicht zu fest in die Diskussion einzugreifen.

Wie viele Personen nehmen durchschnittlich teil?
Bisher hatten wir jeweils um die zehn Teilnehmende aus ganz verschiedenen Branchen. Nur einmal waren überwiegend Vertreter von Ortsmuseen dabei. Das hing aber mit einer entsprechenden Kommunikation durch den Inputreferenten im Vorfeld zusammen.

Technisch ging alles glatt?
Die Kommunikation via Zoom funktioniert erstaunlich gut. Natürlich haben wir hin und wieder auch Teilnehmende, die die Plattform zum ersten Mal nutzen. Aber sobald man zugeschaltet ist, kann man nicht mehr viel falsch machen. Nach den Erfahrungen im letzten Jahr haben die meisten eine gewisse Routine mit Videokonferenzen.

Wie ist die Grundstimmung unter den Teilnehmern?
Wenn ich gezielt nachfrage, merke ich schon, dass der zweite Lockdown den Leuten mehr zusetzt als der erste. Die Ressourcen sind allmählich aufgebraucht – kräftemässig und finanziell. An unseren Online-Sitzungen herrscht aber grundsätzlich eine gute Stimmung. Die Diskussionen sind nach vorne gerichtet und lösungsorientiert. Viele Teilnehmende schöpfen Mut und Motivation aus dem Erfahrungsaustausch mit Leuten, die im gleichen Boot sitzen.

« Durch die Zusammenarbeit an neuen Projektideen kann ein bleibendes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Region entstehen. »

Sitzen wirklich alle im gleichen Boot?
Natürlich sind einige stärker von den Corona-Einschränkungen betroffen als andere. Die Hotellerie und Gastronomie haben zurzeit einen besonders schweren Stand. Über etwas mehr Polster verfügen Berggasthäuser, die während des Sommers gute Umsätze generieren konnten. Auch der Wintersport steht relativ gut da, weil die Schliessungen kurz vor dem grossen Schnee wieder aufgehoben wurden. Wer seine Dienstleistungen hauptsächlich im Sommer anbietet, zum Beispiel Outdoor-Aktivitäten, leidet ebenfalls weniger.

Können Sie schon erste Erfolge vermelden, die sich dem virtuellen Austausch verdanken?
Direkt im Anschluss an die erwähnte Sitzung mit vielen Museumsleitern hat eine Teilnehmerin ein Arbeitsblatt über Outdoor-Führungen verfasst und an die Berufskollegen geschickt. Zudem haben die Baumer Gastronomen bereits ein Nachfolgetreffen organisiert, um eine kulinarische Führung durch Bauma auf die Beine zu stellen. Es gab auch bereits erste bilaterale Treffen, wo sich die Leute bei der Verbesserung ihres Social-Media-Auftritts geholfen haben.

Wie lange soll es Ihren Stammtisch geben?
So lange wie nötig und wie das Interesse anhält. Hauptsache, es entsteht ein Mehrwert. Wir wollen, dass die Teilnehmenden Motivation und Mut schöpfen. Durch den Austausch und die Zusammenarbeit an neuen Projektideen kann ein bleibendes Zusammengehörigkeitsgefühl in der Region entstehen. Der Verein Muse-Um-Zürich, der an einer unserer Sitzungen teilgenommen hat, war von unserem Projekt so angetan, dass er jetzt einen virtuellen Stammtisch für alle Museen in der Region Zürich initiieren will.

Neuer Online-Stammtisch

Der virtuelle Branchenaustausch « Zürioberland Stamm » für Touristiker in der Region findet bis auf Weiteres jeweils am Dienstagmorgen um 9 Uhr statt. Interessierte erhalten den Zugangslink mit einer E-Mail an tourismus@zuerioberland.ch.

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