Wie ein Ustermer Unihockey-Crack den EHC Kloten in die Spur bringt
Nach turbulentem Start
Anjo Urner führte jahrelang den UHC Uster in der NLA als Captain an. Heute ist er mit nur 33 der jüngste CEO im Profi-Eishockey – und zeigt dabei Führungsqualitäten, die weit über sein Alter hinausgehen.
Drei Sportchefs, fünf Trainer, ein Sturz in die Playouts, ein Überflug in die Playoffs, dazu ein Dopingskandal, ein Fanboykott und eine Explosion in einer Buvette: Anjo Urner hat die Schnelllebigkeit und Emotionalität des Eishockeygeschäfts in seinen etwas mehr als drei Jahren als CEO beim EHC Kloten unmittelbar kennengelernt.
Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass sich der Grüninger heute bemerkenswert unaufgeregt zeigt und Sachen sagt wie: «Es gibt im Sport nie einen einfachen Start und keine einfache Saison.» Oder: «Man muss Entscheidungen treffen. Denn gar nicht zu entscheiden, ist immer die schlechtere Option.»
Sicher ist, dass Anjo Urner im September 2022 einen herausfordernden Führungsjob angetreten hat. 30 war er da erst und der EHC Kloten frisch in die höchste Liga aufgestiegen. Das Metier ist kein gemächliches, man ist Teil der Unterhaltungsbranche und exponiert.
Sein erfahreneres Pendant bei den ZSC Lions – der in Wangen wohnhafte Peter Zahner – formuliert es so: «Jeder Geschäftsführer verantwortet den Geschäftsgang seines Unternehmens auch gegen aussen. Im Eishockey präsentieren wir aber keine Quartalszahlen, sondern stehen ständig im Fokus: Wir werden von den Resultaten auf dem Eis getrieben – und die entstehen mehrmals wöchentlich.»
300 Personen auf der Lohnliste
Der EHC Kloten ist darüber hinaus ein Traditionsverein mit einer erfolgreichen älteren und einer schwierigen jüngeren Geschichte. Es gibt um den Klub grosse Erwartungshaltungen und viele Anspruchsgruppen. Als verhältnismässig kleiner National-League-Klub, der dennoch stattliche 300 Personen auf der Lohnliste führt, ist die finanzielle Ausgangslage herausfordernd.
Es ist insofern auch Anjo Urner zu verdanken, dass der Klub ungeachtet des alltäglichen Auf und Abs auf dem Eis solide dasteht. In der letzten Saison hat er sich unter dem neuen Besitzer und Präsidenten, dem Ustermer Elektrotechnikunternehmer Jan Schibli, finanziell saniert. Sportlich ist mit der Verpflichtung des jungen Sportchefs Ricardo Schödler (37) Kontinuität eingekehrt.
Urner, der mit 33 Jahren der jüngste CEO in der Liga ist, sagt: «Wir haben in den letzten Saisons intern eine klare DNA- und Wertstruktur etabliert. Diese leben wir jetzt im Sport und in der Organisation. So tragen wir sie nach aussen.»
Es ist eine Aussage, aus der man nicht nur den Betriebswirtschaftler, sondern auch den Sportler Anjo Urner heraushört. Und tatsächlich nennt er seine lange Unihockey-Karriere als bestmögliche Lebensschule – auch hinsichtlich seines heutigen Jobs.
Vom Unihockey ins Eishockey
Praktisch sein Leben lang hat er für den UHC Uster gespielt, knapp zehn Saisons in der NLA, viele davon als Captain. Er sagt: «Man muss diszipliniert und zielgerichtet arbeiten, spielt alle zwei bis drei Jahre wieder in neuen Konstellationen, hat immer wieder mal einen neuen Chef. Vor allem aber funktioniert man nur im Team.»
Ausserdem kennt er das Garderobenleben und die Mechanismen eines Teamgefüges. «Wir verkaufen im EHC Kloten keine Schrauben, sondern ein Produkt, das lebt. Dass ich diese Sprache verstehe, ist wertvoll.»

In seiner Zeit beim UHC Uster begegnet Urner dem heutigen Kloten-Präsidenten Jan Schibli. Dieser ist mit seinen Söhnen im Klub verankert und unterstützt ihn als Sponsor. Zwischen den beiden entsteht rasch eine Freundschaft, wie Schibli sagt.
Beruflich entwickelt sich der gelernte Wirtschaftsfachmann Urner in der Eventbranche bei der Tit-Pit GmbH aus Fehraltorf, die Klotens späterem Präsidenten Mike Schälchli gehört. Hier betreut er diverse Projekte, nebenbei gewinnt er einen Einblick in die Sales-Welt des EHC Kloten, dessen Marketing die Firma seit 2013 übernimmt.
Im Sommer 2021 wird er schliesslich auch im Rahmen des Vermarktungsmandats für die Swiss League mithelfen, das die Tit-Pit GmbH nach der Loslösung von der National League erhält. Ein Schritt, der misslingt. In der Folge rutscht die zweithöchste Liga in eine Identitätskrise, die bis heute anhält.
«Dazu stehe ich», sagt Anjo Urner. «Aber das war damals eine schwierige Angelegenheit. Das zeigt schon der Umstand, dass das Problem bis heute nicht gelöst werden konnte.»
Schiblis Warnung
Der EHC Kloten kann sich dieser Misere entziehen, als er im Frühling 2022 aufsteigt. Ein paar Monate später wird Urner für den CEO-Posten angefragt – und nimmt an. Vorgeschlagen vom damaligen Präsidenten und Tit-Pit-Chef Schälchli, geniesst er überdies die Fürsprache von Jan Schibli. Dieser hat damals als Beirat zwar kein Stimmrecht im Verwaltungsrat, doch sein Wort hat als langjähriger Grosssponsor Gewicht.
«Ich habe Anjo damals gewarnt, dass das ein harter Job ist, den man schnell nicht mehr hat, wenn es nicht läuft, und ich ihn in dieser Konstellation nicht schützen konnte. Aber ich war natürlich überzeugt, dass er das kann», sagt Schibli.
Als Schibli im Frühling 2023 das Präsidium und die Aktienmehrheit übernimmt, ändert sich die Konstellation: Zum ersten Mal arbeiten die beiden jetzt direkt zusammen, die Hierarchien sind allerdings klar gesetzt.

Anjo Urner spricht von Schibli von einem «Mentor», mit dem er in «ständigem Austausch» steht. Dieser sagt über seinen CEO, dass er noch nie in seiner Geschäftskarriere eine Führungskraft erlebt habe, die sich so schnell entwickelt hat.
«Er hat diesen Klub auf der sportlichen Seite und marketingtechnisch gut aufgestellt und setzt meine Anweisungen um. Man muss sich bei einem Hockeyclub so einiges von aussen anhören, vielleicht hatte er anfänglich noch das Gefühl, Härte zeigen zu müssen. Doch inzwischen ist er gelassener geworden.»
Am Horizont wartet die Meisterprüfung
In einem nächsten Schritt wird es nun darum gehen, das wohl wichtigste Projekt für Klotens Zukunft aufzugleisen: die Vision und Realisierung eines neuen Stadions. Gespräche mit der Stadt laufen, diese hat bereits einen Projektierungskredit gesprochen.
Es ist so etwas wie die Meisterprüfung eines Hockey-CEOs. Eine Herkulesaufgabe, die politisches Geschick, unternehmerische Weitsicht und Zeit verlangt – ohne dass dabei die vielen Herausforderungen des Alltags vernachlässigt werden.
In Zürich, bei den grossen Kantonsrivalen von den ZSC Lions, hat Peter Zahner dieses Kunststück geschafft. Aus der Swiss Life Arena beobachtet er die Entwicklung in Kloten mit Interesse. Er sagt: «Es ist wichtig, dass ein Traditionsklub wie Kloten wieder in der National League ist und dort gute Arbeit verrichtet wird. Heute ist er ein verlässlicher Partner – das war nicht immer so.»
Zudem freut sich Zahner, dass in Kloten auch auf Führungsebene in den Personen von Ricardo Schödler und Anjo Urner jungen Akteuren Vertrauen geschenkt wird. Er selbst hatte seine Karriere Ende der 1980er Jahre als erst 27-jähriger Trainer bei den Elite-Junioren am Schluefweg lanciert.
Es gebe immer wieder arriviertere Entscheidungsträger, die dazu tendieren, die Jüngeren bei der Vergabe wichtiger Posten zu übergehen. «Doch damit kann man sich viel vergeben», sagt der ZSC-Manager. «Hätten wir als Junge keine Chance bekommen, wären wir ja heute auch nicht dort, wo wir sind.»