Ihr Aufstieg ist so rasant, dass sie selber darüber staunt
Die Esslinger Orientierungsläuferin Anna Gasser startet seit dieser Saison in der Elite. Sie hat sich schnell etabliert, sagt aber auch: «Ich habe noch eine Rechnung offen mit mir.»
Ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten ist Anna Gasser letzte Woche. Als 21-Jährige und Teamjüngste vertrat auch sie die Schweiz an den Sprint-Europameisterschaften in Belgien. Doch schon vorher hatte die ETH-Studentin (Gesundheitswissenschaften und Technologie) in dieser Saison Erstaunliches realisiert. Resultate waren es, die sie noch kurz zuvor selbst als unrealistisch eingestuft hatte.
Vor der Saison hatte sich Anna Gasser vorgenommen, «all das Neue im ersten Elite-Jahr aufzusaugen und im neuen Umfeld Fuss zu fassen». Ihr Ziel für 2025: so nahe wie möglich an die Plätze für die Weltcup-Rennen herankommen.
Erreicht hat sie sogleich bedeutend mehr. Wie erklärt sie sich das? Anna Gasser strahlt. «Es ist alles viel besser gekommen und schneller gegangen.» Und sie staunt: «Hätte mir vor neun Monaten jemand diese Entwicklung vorausgesagt, ich hätte nur den Kopf geschüttelt.»
Ihre Geduld zahlt sich nun aus
Im Gegensatz zu den meisten Grosstalenten im OL entstammt Anna Gasser keiner Familie mit OL-Hintergrund. Über ihre jüngere Schwester und einen Flyer fand sie mit etwa zehn Jahren zur Sportart. Sie war begeistert, blieb hängen, machte Fortschritte. Aber sie verstand es lange nicht, ihr Potenzial abzurufen. Ein deutliches Indiz dafür: Die Qualifikation für die Junioren-Weltmeisterschaften schaffte sie erst im dritten und letzten Junioren-Jahr. Das war vor 14 Monaten.
Anna Gasser ist keine Überfliegerin gewesen. Sie selber haderte immer wieder. Die Erkenntnis verfolgte sie: «Ich könnte mehr, verpasse es aber regelmässig, dies zu zeigen.» Die Nervosität bremste. Als frustrierend empfand sie dies.
Mittlerweile sieht sie in ihrer Entwicklung aber auch Vorteile: «Trotz den Rückschlägen verlor ich die Begeisterung für den OL nie. Das Feuer brannte immer weiter.» Die Sportart übt auf sie eine grosse Faszination aus. Sie beschreibt: «Jeder Wettkampf, jedes Training ist eine neue Herausforderung – physisch und für den Kopf.»
Nach langem Warten beginnt sich jetzt die Geduld auszuzahlen. In den letzten zehn Monaten glückten Anna Gasser erstaunliche Fortschritte. «Mir ist ein grosser Schritt gelungen», sagt sie. Nicht primär auf die Resultate verweist sie dabei, sondern auf das Gefühl und die Konstanz.
Im läuferischen Bereich wie technisch entwickelte sie sich. Und – was sich vorher bei ihr nicht immer gezeigt hatte – wenn es drauf ankommt, liefert sie. Die Nerven und den Druck, den sie sich selber auferlegte, hat sie immer besser in den Griff bekommen.
Der nächste Höhepunkt steht vor der Tür
Anna Gasser ist vom Charakter her eher zurückhaltend. Gleichzeitig arbeitet sie sehr fokussiert. Und die Vergangenheit hat sie analysiert. Die jüngste Entwicklung sorgt für zusätzliche Motivation. Ihr Umfeld mit dem persönlichen Coach Marco Rancan und seinem Lauftraining im LC Uster, mit Frauen-Nationaltrainer Baptiste Rollier mit seinen technischen Inputs, mit den neuen Kaderkolleginnen und dem Rückhalt der Familie passt.
Und wie sieht Anna Gasser ihren weiteren Weg? «Ich bin noch jung und sehe viel Entwicklungspotenzial», sagt sie. Ihren Fokus bildet das langfristige Denken mit einer konstanten Weiterentwicklung. Kurzfristig reizt aber ein bis vor Kurzem unrealistischer Höhepunkt: der Weltcup-Final vom letzten September-Wochenende in Uster.
Mit ihren jüngsten Resultaten hat sich Anna Gasser eine vielversprechende Ausgangslage geschaffen zur Qualifikation. Am 11. September will sie sich in den teaminternen Testläufen das «Uster-Ticket» endgültig sichern.
Und wenn es dann so weit ist, wünscht sie sich keine ähnlichen Sekundenentscheide gegen sich wie an der EM. Bei einer Laufzeit von knapp einer Viertelstunde fehlten ihr 3 Sekunden für den Finaleinzug im Sprint und 18 Sekunden im K.-o.-Sprint. «Ich habe noch eine Rechnung offen mit mir», sagt sie. Uster motiviert sie zusätzlich, es besser zu machen.
Unser neuer Newsletter «Oise Regionalsport»
Abonnieren Sie hier unseren Regionalsport-Newsletter – jeden Montag in Ihrem Postfach.