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Jetzt steigt die Ruderin aus Uster endgültig aus dem Boot

«Ich habe es ausgereizt.» Jeannine Gmelin beendet ihr Comeback. Ausser einer Olympiamedaille hat sie alles gewonnen.

Jeannine Gmelin hat sich entschieden, dem Spitzensport den Rücken zu kehren.

Foto: Michele Limina

Jetzt steigt die Ruderin aus Uster endgültig aus dem Boot

Jeannine Gmelin tritt zurück

«Ich habe es ausgereizt.» Jeannine Gmelin beendet ihr Comeback. Ausser einer Olympiamedaille hat sie alles gewonnen.

Das wars. Jeannine Gmelin hat am Montagmorgen ein zweites Mal ihren Rücktritt vom Spitzensport erklärt. Dieses mal definitiv. Wobei die Ustermerin das Wort «Rücktritt» in ihrer kurzen Rede geschickt zu vermeiden wusste. «Ich ziehe weiter», sagte sie mit einem Lächeln.

Von Wehmut war denn auch keine Spur bei ihr zu sehen. Im Gegenteil. Die beste Schweizer Ruderin schliesst das Kapitel als Leistungssportlerin mit dem Fazit ab: «Ich durfte alles mindestens einmal gewinnen, ausser die ‹cheibe› Olympiamedaille. Die blieb ein Traum.»

An den Olympischen Spielen 2016 in Rio und 2021 in Tokio hatte sich die Skifferin jeweils auf Rang 5 klassiert. Etwas mehr als eine Sekunde fehlte ihr in Japan zur Olympiamedaille.

Zu Gmelins grössten Erfolgen zählen der WM-Titel 2017 sowie der Sieg im Gesamtweltcup 2018. Sie hat zudem mehr als einen kompletten EM-Medaillensatz daheim. Dabei hatte man Gmelin einst wegen ihrer für eine Ruderin geringen Körpergrösse von 1,70 m nicht einmal den internationalen Durchbruch zugetraut. Letztlich aber wurde sie zur Wegbereiterin für den Frauen-Rudersport in der Schweiz.

Dass Gmelin ihre Laufbahn, die sie zuletzt um ein kurzes Kapitel erweitert hatte, nun endgültig beendet, ist für die 34-Jährige ein logischer Schritt. Sie sagt: «Alles, was kommen würde, wäre eine Wiederholung.» Gmelin ist überzeugt: «Ich habe es ausgereizt.»

Swiss Rowing verliert mit Gmelins Abgang derweil das langjährige Aushängeschild. Verbandsdirektor Christian Stofer würdigte ihre Verdienste und richtete seine Worte direkt an die Ruderin, die er als Vorreiterin bezeichnete: «Du warst über lange Zeit der Kopf des Schweizer Rudersports.»

Gmelins eindrückliche Karriere ist aus Stofers Sicht für viele Schweizer Ruderinnen Inspiration gewesen. Und einer der Gründe dafür, «dass wir heute ein ansehnliches Frauenkader haben».

Comeback mit Bootswechsel

Nach dem Tod ihres Partners und Trainers Robin Dowell hatte Gmelin im Januar 2023 erstmals ihren Rücktritt verkündet. Schon im November überraschte die Ustermerin aber mit ihrer Rückkehr aufs Wasser. Sie sagte damals: «Ich sehe es nicht als Comeback, sondern als Weiterentwicklung mit einer neu entdeckten Tiefe und einem anderen Verständnis für meinen Sport und mich selbst.»

Ein paar Monate später war klar: Gmelin wechselt die Bootsklasse. Die dritte Olympia-Teilnahme peilte sie nicht im Skiff an, sondern im Doppelzweier zusammen mit der Zürcherin Nina Wettstein.

Es war eine Paarung von Athletinnen an ganz unterschiedlichen Punkten. Auf der einen Seite die damals 33-jährige Gmelin, die in ihrer langen Karriere im Skiff und seit Jahren fernab der Verbandsstrukturen unterwegs war, auf der anderen Seite die 25-jährige Wettstein, die es 2023 in kein Verbandsboot schaffte.

«Was wir gemeinsam erleben durften und was ich mitnehmen werde, ist eine megacoole Erfahrung, ein toller Prozess und eine Zusammenarbeit, von der ich nicht gedacht hätte, dass ich sie noch einmal so intensiv finden würde», bilanzierte Gmelin, als noch offen war, ob es für die Olympischen Spielen reichen würde oder nicht.

Mitte Mai wurden an der Qualifikationsregatta auf dem Rotsee die letzten Olympiatickets vergeben. Gmelin und Wettstein gingen leer aus – sie wurden Fünfte und verpassten die Qualifikation deutlich.

Gmelin bereut ihr Comeback gleichwohl nicht. «Ich habe in meiner zweiten Karriere sehr viele positive Feedbacks erhalten», sagt sie. Was den Leuten besonders gefallen hat? Ihre Leidenschaft.

An dieser wird es auch künftig mit Sicherheit nicht fehlen. Als Athletenvertreterin im Exekutivrat von Swiss Olympic. Und wenn sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus den vielen Jahren im Leistungssport in verschiedenen Bereichen weitergibt – beispielsweise als Mentorin für Resilienz und ganzheitliche Gesundheit oder Begleiterin in der persönlichen sowie beruflichen Entwicklung.

Gmelins grösste Erfolge

Weltmeisterin 2017, Vize-Weltmeisterin 2018

Europameisterin 2018, EM-Silber 2015 und 2019, EM-Bronze 2021

Olympiafünfte 2021 und 2016

Gesamtweltcupsiegerin 2018

Fünffache Weltcupsiegerin

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