Abo

Sport

Gmelins «verrückter Traum» nach dem Trauma

Trotz des Rücktritts und dem Tod ihres Trainers ist Jeannine Gmelin beim Heim-Weltcup präsent. Aber anders, als man vermuten würde.

Mit sich im Reinen: Die Ustermerin Jeaninne Gmelin im Cafe Robs Hood im Rotsee-Ruderzentrum.

Foto: Keystone

Gmelins «verrückter Traum» nach dem Trauma

Ustermer Ex-Ruderin

Sascha Fey

Trotz ihrem Rücktritt ist Jeannine Gmelin beim Heim-Weltcup präsent. Die Schockzeit nach dem Tod ihres Trainers und Partners Robin Dowell hat sie überwunden.

Es ist eine Geschichte, die zu Robin Dowell passt. Nachdem er und Jeannine Gmelin in der Nähe des Rotsees eine Rösterei entdeckt hatten, fand der Brite, dass es doch toll wäre, wenn der dort hergestellte Kaffee während des Weltcup-Anlasses in Luzern verkauft werden würde.

Als Macher-Typ redete er mit dem Inhaber, und die beiden fingen an, für dieses Jahr zu planen – Regatta-Geschäftsführer Timon Wernas hatte das Okay gegeben.

«Dieses Projekt lag Robin sehr am Herzen», sagt Ex-Ruderin Gmelin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Deshalb entschied sie sich im Februar, eine Kaffeelounge mit dem Namen «Robs Hood» in die Tat umzusetzen.

Es ist für die Ustermerin quasi ein Test, da sie sich schon seit Jahren mit dem Gedanken herumschlägt, mal selber ein Café zu führen. Sie bezeichnet das Ganze als «verrückten Traum.»

Noch nicht weit im Findungsprozess

Ohnehin ist Gmelin aktuell in einem Findungsprozess. In diesem sei sie noch nicht sehr weit.

«Es ist für mich im Moment eine Herausforderung, mich festzulegen, und zwar nicht, weil ich unentschlossen bin, sondern weil mir vor einem halben Jahr auf die krassest mögliche Art und Weise aufgezeigt wurde, dass es sowieso anders als geplant herauskommt.»

Dowell starb im Dezember im Alter von 40 Jahren während einer Trainingseinheit auf dem Wasser, Gmelin versuchte erfolglos, ihn wiederzubeleben.

Dieser Schicksalsschlag riss der Weltmeisterin von 2017 logischerweise den Boden unter den Füssen weg. Rund einen Monat später gibt sie ihren Rücktritt. Die Frage nach dem Warum stellte sie sich dennoch selten, da es keine Antwort darauf gebe.

Struktur trotz fehlender Energie

Die Schockphase hat Gmelin mittlerweile überwunden, sie hielt allerdings lange an. So haben neuerlich andere Sachen in ihrem Kopf Platz. Zudem ist ihr Energielevel wieder normal, kann sie neben dem Alltagsprogramm wieder Sport treiben.

Beides war zuvor nicht möglich, da war die Trauer «flächendeckend», so Gmelin. Nun komme sie mehr punktuell, «aber immer noch mit der gleichen Intensität wie am Anfang».

Trotz der fehlenden Energie hatte der Alltag von Gmelin die nötige Struktur. Zunächst standen viele administrative Dinge im Zusammenhang mit dem Tod von Dowell an, im März begann sie mit einer Ausbildung zum Integral Coach, die darauf zielt, Menschen ganzheitlich zu begleiten, sie in der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.

All das gab mir Halt, ich konnte so zwischendurch die Realität vergessen.

Jeannine Gmelin

Ausserdem lief ihr Engagement bei Swiss Olympic weiter. «All das gab mir Halt, ich konnte so zwischendurch die Realität vergessen», erzählt Gmelin. «In der Anfangsphase nahm ich mir zudem viel Zeit, um Leute zu treffen, um das Ganze psychisch zu stemmen.»

Engagement beim SC Luzern

Im Ruderboot sass Gmelin seit der Tragödie praktisch nie. An Ostern ging sie allerdings mit dem SC Luzern in ein Trainingslager, im Mai und Juni trainierte sie auf Mandatsbasis die Frauen.

Künftig als Trainerin zu arbeiten, schliesst sie nicht aus, «es ist aber nicht mein Traumjob». Zwar begleite sie gerne junge Menschen auf ihrem Weg, jedoch halte sich ihre Leidenschaft für die technischen Aspekte des Ruderns in Grenzen.

Die Rückkehr in die Ruderszene war für die 33-Jährige schwierig. «Einerseits war ich an Ostern im Verarbeitungsprozess noch an einem anderen Punkt als jetzt. Andererseits vermisse ich das Rudern schon. Ich hörte ja nicht auf, weil ich keine Lust mehr auf Leistungssport hatte. Von daher war es sehr, sehr hart.»

Mal nicht von einem Ziel gesteuert zu sein, genoss sie allerdings zu Beginn. Nun drückt aber immer mehr die Leistungssportlerin in ihr durch.

Überdies werde immer wieder von aussen an sie herangetragen, dass sie doch eine Vision für ihre Zukunft haben müsse, so Gmelin.

«Dabei bin ich nicht ziellos, sondern auf das fokussiert, was im Moment für mich stimmt, und das mache ich mit Herz und Seele. Ich bin überzeugt, dass daraus Neues und Gutes entstehen kann, ohne dass ich schon jetzt definiere, was das absolute Ziel ist, das ich erreichen will.»

Bis am Sonntag gilt ihre ganz Aufmerksamkeit der Kaffeelounge.

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.