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Ustermer Chefarzt greift in die Tasten

Daniel Franzen ist seit bald einem Jahr Departementsleiter Medizinische Disziplinen des Spitals Uster. Die aktuelle Entwicklung im Gesundheitswesen macht ihm zu schaffen, die Herausforderungen im Spital Uster sind gross. Ausgleich findet er unter anderem in der Musik.

Musik ist ein grosser Teil des Lebens von Daniel Franzen.

Foto: Talina Steinmetz

Ustermer Chefarzt greift in die Tasten

Auf den Schultern von Daniel Franzen lastet ein enormes Gewicht «Der Kostendruck ist immens», sagt der Departementsleiter Medizinische Disziplinen des Spitals Uster. «Unseren Patientinnen und Patienten gegenüber habe ich eine ethisch-moralische Verpflichtung. Gleichzeitig muss ich dafür sorgen, dass unsere Arbeit wirtschaftlich bleibt.»

Seit geraumer Zeit steht das Spital Uster unter der Beobachtung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich. Noch im März drohte diese, es von der Spitalliste zu streichen, sollte es nicht wirtschaftlicher werden. Uster schaffte es, der Gesundheitsdirektion zu beweisen, dass man auf gutem Weg ist.

Doch der Druck, die finanziellen Vorgaben zu erreichen, ist weiterhin gross. Von seinen 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern will Franzen diesen so gut wie möglich fernhalten.

Dynamisch und fröhlich

Umso mehr trägt er als Chef. Es ist eine Verantwortung, die dem 46-Jährigen nicht auf den ersten Blick anzusehen ist. Der Mann, der Glatze und eine markante Brille trägt, wirkt dynamisch und fröhlich. Gleichzeitig strahlt er eine enorme Ruhe aus.

«Im Spital fasziniert mich das Teamwork, die Vielfältigkeit und die Hektik in Notfallsituationen.»
Daniel Franzen

Dass er vergangene Nacht schlecht geschlafen hat, merkt man nicht. «Wir hatten gestern Abend eine vierstündige Spitalleitungssitzung», sagt Franzen. «Es ging wieder einmal ums Sparen.» Es ist eine Frage, die für hitzige Diskussionen gesorgt hat. «Sparen tut immer weh. Egal ob im privaten Haushaltsbudget oder im Spital.»

Trotz aller Herausforderungen liebt Franzen seinen Job im Spital Uster, den er seit dem 1. Januar innehat. Der Weg dahin verlief alles andere als geradlinig.

Jazzschule in Zürich

«Als Bub hatte ich die typischen Berufsträume», erzählt er. «Kranführer, Pilot.» Schliesslich entschied er sich nach dem Gymnasium für die Jazzschule. Daniel Franzen ist mit Musik aufgewachsen. Sein Vater war Opernsänger, Franzen selbst spielte schon als Kind Klavier. Mit 17 gründete er seine erste Band.

Noch heute spielt Franzen Keyboard in der Mundartrockgruppe «Xotnix», die auch schon als Vorband von Baschi und Trauffer auf der Bühne stand.

Doch im ersten Jahr der Jazzschule starb sein Vater. «Da verliess mich der Mut, in diesem Bereich weiterzumachen.» Einerseits habe ihm sein Vater schon früh gesagt, dass er zuerst «etwas Richtiges» lernen sollte, andererseits habe er gemerkt, dass er vielleicht zu unbegabt sei, um von der Musik leben zu können.

Franzen, der in Küsnacht aufgewachsen ist und heute noch dort lebt, meldete sich im Spital Zollikerberg, um ein Pflegepraktikum zu machen. Die Faszination für Medizin hat er von seinem Onkel.

Bereits in der Mittelschule hatte er eine Woche lang in dessen Hausarztpraxis ein Praktikum absolviert. «Es beeindruckte mich, wie er Hausbesuche machte, die Patienten befragte und untersuchte und ihnen helfen konnte.»

Franzen studierte Medizin, machte parallel dazu eine Ausbildung als Krankenwagenfahrer und finanzierte mit dieser Arbeit sein Studium. Im Jahr 2000 schloss er ab.

Weder Chirurg noch Anästhesist

Bis er sich für eine Fachrichtung entscheiden konnte, verging einige Zeit, in der er im Triemli und im Unispital arbeitete. «Zuerst wollte ich Chirurg werden, dann Anästhesist», erzählt er. «Ich merkte bei beidem nach einiger Zeit, dass es nicht das ist, was ich wollte.»

Doch die Arbeit im Spital habe ihm gefallen. «Mich fasziniert das Teamwork, die Vielfältigkeit und auch zwischendurch die Hektik in Notfallsituationen», erzählt er.

«Ich wollte wieder mitreden, mitentscheiden, mehr Führungskompetenzen.»
Daniel Franzen

Zurück im Spital Zollikerberg kam er auf die Innere Medizin, spezialisierte sich auf die Intensivmedizin. Er arbeitete sich vom Unterassistentsarzt bis zum Oberarzt hoch.

Weil sein damaliger Chef einen Pneumologen brauchte, ging er 2008 ins Unispital, um sich in dieser Fachrichtung zu spezialisieren. Und er blieb. «Ich hatte das Angebot, eine Abteilung für interventionelle Pneumologie aufzubauen und das hat mich extrem gereizt. Ich bin nicht der totale Intellektuelle, sondern schätze auch das manuelle Arbeiten sehr.»

Unter der Interventionellen Pneumologie versteht man alle invasiven Eingriffe an der Lunge und am Rippenfell (Pleura). Hierzu gehören die flexible und die starre Bronchoskopie («Lungenspiegelung») sowie die Pleurapunktion und Pleuradrainageanlage. Neben diagnostischen Interventionen werden auch therapeutische Eingriffe an der Lunge vorgenommen, um den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.

Auch hier arbeitete sich Franzen die Karriereleiter hoch, bis er schlussendlich stellvertretender Klinikdirektor am Unispital wurde.

Warum kam er nach Uster? «Ich habe erwartet, dass diese Frage kommt», sagt er und lacht. «Das können nicht alle nachvollziehen, denn ich hatte eine gute Position.»

Master in Betriebswirtschaft

Aber Franzen wollte wieder mehr breite Innere Medizin machen. Ausserdem habe er im Unispital nur einen kleinen Kompetenzbereich gehabt. «Ich wollte wieder mitreden, mitentscheiden, mehr Führungskompetenzen.»

Franzen absolvierte einen Master in Betriebswirtschaft und begann sich auf Chefarzt-Positionen zu bewerben – bis er den Job in Uster bekam.

Er habe diese Entscheidung auch schon hinterfragt, sagt er, der kein Blatt vor den Mund nimmt.

«Aber ich bin zum Schluss gekommen, dass es die richtige war. Ich lerne jeden Tag viel dazu. Gleichzeitigkann hier viel Gutes tun, mein Wissen weitergeben und den Assistenzärzten ein Vorbild sein.»

Ein Vorbild, wenn es darum geht, dem Ärztenachwuchs beizubringen, dass Spitäler Wirtschaftunternehmen sind, bei denen der Patient im Vordergrund steht. Darüber lerne man im Studium nämlich nichts – ein Fehler, wie Franzen findet.

Familie, Musik, Sport

Seine Arbeit bestehe aus 50 Prozent Medizin und 50 Prozent Administration. Als Departementsleiter müsse er die «eierlegende Wollmilchsau» sein. «Ich muss ein ausgezeichneter Arzt sein, ein guter Betriebswirt, ein solider Stratege und sozialkompetent.» Eine Aufgabe, die er offenbar gut erfüllt. Wen man im Spital Uster auch auf Franzen anspricht – das Feedback ist positiv.

In seinem Büro stehen Pflanzen, Bilder seiner Frau und seiner drei Kinder, an der Wand hängt ein sehr buntes, abstrakt gemaltes Bild eines Löwen. Dass Musik in seinem Leben eine grosse Rolle spielt, sieht man auch hier. Auf dem Regal sind eine Miniaturgitarre und ein Marshall-Verstärker in Kleinformat ausgestellt. Neben dem Computer steht eine Tasse mit der Aufschrift «Hardrock Café».

Ein Mann im weissen Kittel sitzt in seinem Büro und lacht in die Kamera.

Die Familie, die Musik und Sport – sie sind das Fundament in Franzens Leben und sorgen für den dringend nötigen Ausgleich. Seine Frau hat er 2002 an der Chilbi Küsnacht kennengelernt. «Das Wochenende ist meist für die Familie reserviert», sagt er. «Ausserdem schaue ich, dass ich an mindestens einem Wochentag abends etwas früher zu Hause bin.»

«Primär will ich, dass das Spital Uster überlebt und nicht von der Landkarte verschwindet.»
Daniel Franzen

Im Normalfall betritt Franzen das Spital gegen 7.30 Uhr und verlässt es gegen 19 Uhr – oft, ohne eine Pause gemacht zu haben. Vor Arbeitsbeginn war er schon schwimmen, joggen oder mit dem Velo unterwegs. «Es ist alles eine Frage, der Organisation und des Willens», sagt er. «Eine gewisse Selbstdisziplin ist dafür nötig.»

Gestiegene Ansprüche

Seit 20 Jahren ist er in der Medizin tätig. «Die Ansprüche der Patienten sind in dieser Zeit immens gestiegen», sagt er. «Man will immer sofort behandelt und geheilt werden und zwar am Liebsten vom Chef.»

Ausserdem hätten die Menschen vielfach die Erwartungshaltung, dass die Medizin zaubern kann und die Möglichkeiten schier unbegrenzt sind.» Auch bei über 90-jährigen Patienten würden manchmal noch Wunder erwartet. «Viele haben Mühe damit, dass das Leben endlich ist.»

Auf die Frage, wo er mit dem Spital Uster hin will, überlegt Franzen lange. «Primär will ich, dass es überlebt und nicht von der Landkarte verschwindet», sagt er dann.

Ausserdem finde er die gesundheitspolitischen Bestrebungen gut, die ambulante Medizin zu stärken. «Aber ich setze mich dafür ein, dass der stationäre Bereich aufrechterhalten wird. Er ist wichtig für die Wirtschaftlichkeit des Spitals, für die Patienten, für die Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden.»

Fachkräftemangel macht Sorgen

Fachkräfte, an denen es momentan an allen Ecken und Enden mangelt. Etwas, das ihm Sorgen bereitet.

« Zu Beginn von Corona haben wir besorgt auf das Gesundheitswesen in Italien geblickt», sagt er. « Würde eine Pandemie heute erneut einen solchen Verlauf nehmen, wie vor zwei Jahren, müssten wir heute wohl mit vergleichbaren Problemen wie in Italien kämpfen. »

Die Verantwortung, dass es nicht so weit kommt, lastet auch auf seinen Schultern. Daniel Franzen stellt sich ihr.

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