«Ich habe geschrieben, wie mir der Schnabel gewachsen ist»
«Ich bin weder ein Künstler noch ein grosser Literat», betont Peter Andrist mehrmals. «Ich habe nur ein paar Kurzgeschichten hingebröselt.»
Konkret hat er 69 Anekdoten aus seinem Leben geschrieben und im Buch «Heiter bis wolkig» zusammengefasst. Die Zahl ist kein Zufall: 69-jährig ist der Rentner, der in Turbenthal aufgewachsen und sein ganzes Leben da gewohnt hat. «Ich bin ein Eingeborener», bemerkt er dazu schelmisch.
Betrunkener Pfarrer
Kein Wunder, handeln viele seiner Geschichten von Begebenheiten aus der näheren Umgebung. Zum Beispiel von einem katholischen Pfarrer, der in den 1990er Jahren nach Turbenthal kam, aber nicht lange blieb.
«Ein Restrisiko gibt es natürlich immer, dass sich jemand vor den Kopf gestossen fühlt.»
Peter Andrist
Dieser sei an der Älplerchilbi in der Alpwirtschaft Schnurrberg dermassen betrunken gewesen, dass er fast von der Tanzfläche stürzte. Andrist war an diesem Abend mit Freunden mit dabei und hat die Episode in seinem Buch wiedergegeben. «Endlich einmal ein volksnaher Gottesdiener», schreibt er scherzhaft.
Die Anekdote zeigt: Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. «Ich habe geschrieben, wie mir der Schnabel gewachsen ist», betont er. Er hoffe, dass die Kirche über die Geschichte nicht allzu sehr düpiert sei. «Ein Restrisiko gibt es natürlich immer, dass sich jemand vor den Kopf gestossen fühlt.»
Manchmal ein Pseudonym
Andrists Geschichten sind weder fiktiv, noch mit Erfundenem angedichtet. Leute werden also wiedererkannt oder es kommen Dorforiginale vor. «Es kann aber sein, dass ich mich einmal in einem Detail irre.»
Die entsprechenden Personen fragte Andrist an, ob er sie in seinen Geschichten wiedergeben darf. Bei Verstorbenen holte er bei Nachfahren eine Einwilligung ein. Manchmal lässt er den Nachnamen weg, in anderen Fällen verwendet er ein Pseudonym.
Angespannte Stimmung am Maitanz
Mehrere Geschichten handeln von Andrists Jugendzeit. In einer Anekdote schreibt er von einem Maitanz im Gasthaus Kreuz in Allenwinden. Er fuhr mit einem Kameraden im Cabriolet dorthin. Es war für die beiden eine gute Gelegenheit, um Frauen kennenzulernen.
Bald merkten sie, dass die jungen, einheimischen Männer – meist Bauernsöhne – keine Freude daran hatten, als sie mit deren Favoritinnen tanzten.
«Den Denkzettel haben wir kapiert: Fortan sind wir nur noch in Gruppenstärke zum Maitanz aufgefahren.»
Aus der Geschichte «Tanz im fremden Territorium (1973)»
Die Stimmung war angespannt. Im Wissen, dass die Einheimischen nicht zimperlich sind, verliessen Andrist und sein Kamerad die Szenerie bereits früher wieder.
Doch das Cabriolet war gefüllt mit Gras. «Den Denkzettel haben wir kapiert: Fortan sind wir nur noch in Gruppenstärke zum Maitanz aufgefahren», heisst es im Buch.
Andrist fügt mit einem Lächeln an: «Früher ging es zu und her wie im hölzigen Himmel.»
Idee kam aus Umfeld
Die Idee, Episoden niederzuschreiben, kam aus seinem Umfeld. «Meine Freunde sagten mir, ich sei ein guter Geschichtenerzähler und ich solle diese doch festhalten.»
Er setzte sich deshalb eines Abends hin und stellte sich eine Bedingung. Er musste es schaffen, in anderthalb Stunden 50 Titel für Geschichten aufzuschreiben. Gesagt, getan. Und kurze Zeit später war die Liste auch schon vollständig. «Mir wären noch zig weitere Titel in den Sinn gekommen», erinnert sich Andrist.
Der letzte Bär des Tösstals
Die Anekdoten sind abwechslungsreich, manche sehr persönlich. Andere sind Bekanntheiten gewidmet, wie dem letzten Bären des Tösstals. Diesen Namen hatte einst die Presse Ruedi Meier verliehen, einem Boxer aus Neschwil. Er war Schwergewicht und nahm an den Olympischen Spielen teil.
Andrist begegnete dem «Bären» an einem Tanzabend 1976 in Weisslingen, wo dieser drei Radaubrüder aus dem Festzelt bugsierte. «Raue Schale mit weichem Kern», wird er im Buch beschrieben.
Hochzeitsschuhe angemalt
Einige Geschichten bringen einen zum Schmunzeln. Zum Beispiel, wenn Andrist beschreibt, wie er es vor seiner Hochzeit wochenlang hinausgezögert hatte, eierschalenfarbene Schuhe passend zu seinem Anzug einzukaufen. So, wie es seine Angetraute wünschte.
Am Tag vor seiner Hochzeit war es schliesslich zu spät. Andrist fand keine Schuhe mehr in der entsprechenden Farbe. Da übermalte er am Abend kurzerhand schwarze Schuhe. Am nächsten Morgen dann die Überraschung: Die Farbe hatte bereits Risse. «Das passt zu Dir», meinte seine Zukünftige mürrisch.
«Jemand sagte mir, dass ich das Bandwurm-Syndrom habe.»
Peter Andrist
Das Schreiben habe ihm keine Mühe bereitet, sagt Andrist. «Manchmal setzte ich mich abends hin und merkte plötzlich, dass es morgens um halb vier Uhr ist. Es sprudelte nur so aus mir heraus.»
Beim ganzen Prozess von der ersten Anekdote bis zum fertigen Buch waren viele Leute involviert. Ein ganzes Team an Profis, wie Andrist betont. «Jemand sagte mir, dass ich das Bandwurm-Syndrom habe. Meine Sätze waren viel zu lang.»
Der Titel «Heiter bis wolkig» war der Vorschlag der Lektorin. «Er gefiel mir auf Anhieb», sagt Andrist. «Er weckt Interesse.»
Die beiden Vorschläge «Fadegrad» und «Unverblümt» schafften es ebenfalls in die engere Auswahl, wurden aber verworfen. «Fadegrad ist zu brutal.»
Interesse schwer abzuschätzen
Der 69-Jährige hätte nie gedacht, dass er irgendwann ein Buch schreiben würde. Das Ganze habe aber grossen Spass gemacht. «Es handelt sich um eine Selbstbefriedigungs-Übung», meint er.
Peter Andrist hat 1000 Exemplare seines Buchs gedruckt und gibt es im Selbstverlag heraus. «Ich rechne nicht damit, dass ich alle verkaufen kann.» Wie gross das Interesse an seinen Anekdoten ist, kann er nicht abschätzen.
Und welche der 69 ist seine Lieblingsgeschichte? «Jeden Tag eine andere.»
Das Buch «Heiter bis wolkig» kann für 25 Franken inklusive Porto und Verpackung bei Peter Andrist bestellt werden (peter.andrist@bluewin.ch oder 052 394 22 25). Am 14. Juni um 19 Uhr findet im Schulhaus Hohmatt in Turbenthal eine Buchvorstellung mit Apéro statt. Eine Anmeldung ist erforderlich.