«Meine Partiturblätter wechsle ich mittlerweile mit dem iPad»
Frau Koelner, Sie mussten lange auf Livekonzerte verzichten. Mit welchen Gefühlen schauen Sie auf die bevorstehenden Auftritte am Wochenende?
Ursula Koelner: Ich bin sehr glücklich. Vor allem auch, weil ich dieses Projekt schon 2017 in meinem Kopf aufgegleist habe.
Es handelt sich um eine Kooperation mit dem jungen Dirigenten Jonas Bürgin.
Genau. Ich unterrichte an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und er war ein Student von mir. Bürgin steht am Anfang seiner Karriere. Ich habe ihn gefragt, ob er das Konzert mit mir machen wolle. Wir haben abgemacht, dass er eine Hälfte des Orchesters stellt und ich die andere.
Von Ihrer Seite sind auch mehrere Musikerinnen und Musiker des Musikforums Wetzikon dabei.
Ja. Hinzu kommen Musikerinnen und Musiker aus dem Tonhalle-Orchester und der Philharmonia Zürich sowie dem Zürcher Kammerorchester und dem Musikkollegium Winterthur. Alles Profis. Jonas Bürgin hat mit dem Orchester Junge Zürcher Harmoniker ein eigenes Orchester mit jungen Musikern gegründet. Wir hatten am Montag die erste Probe.
Wie ist es gelaufen?
Es hat wunderbar geklappt, jetzt geht es noch ums Fine-Tuning. Wir haben eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Musikern. Wobei man sagen muss, dass auch die Jungen alle einen Master haben und sehr gut sind. Sie haben einfach noch keine feste Stelle in einem Orchester.
Die beiden Konzerte in Thalwil und Wetzikon sind Uraufführungen des Stückes «musica lyrica», die der Thalwiler Komponist Franz N. Rechsteiner komponierte. Sie spielen als Solistin. Spüren Sie eine andere Nervosität, weil es eine Uraufführung ist?
Nein. Ich beschäftige mich schon sehr lange und intensiv mit dem Stück. Daher fühle ich mich sicher und kenne es gut ich. Aber normalerweise spiele ich im Trio und selten als Solistin. Es ist eine schöne Aufgabe, aber auch eine Herausforderung. Rechsteiner hat sinnliche, warme Musik komponiert. Es ist wie immer bei seinen Stücken: Man spielt sie je länger, desto lieber. Meine Nervosität rührt eher daher, dass ich nicht erkranke und in Quarantäne muss. Dann müssten wir das Konzert absagen, da nur ich den Solopart geübt habe.
Wie proben Sie in Zeiten der Pandemie?
Mit Abstand und mit Maske. Das ist anders und eine Herausforderung, aber seit einem Jahr unsere neue Normalität. Verändert hat sich auch der Unterricht, den ich an der ZHdK und der Musikschule Zürich gebe. Ich bin mittlerweile richtig fit, was das Unterrichten über Zoom angeht. (lacht) Die Digitalisierung hat aber auch wirklich gute Seiten. So wechsle ich meine Partiturblätter mittlerweile mit dem iPad.
Das müssen Sie erklären.
Ich habe ein Fusspedal, das über Bluetooth mit dem iPad verbunden ist. Wenn ich es mit dem Fuss antippe, wechselt die Seite automatisch. Das ist gerade für mich, die als Violinistin keine Hand frei hat, natürlich hilfreich.
An beiden Konzerten sind nur je 50 Zuschauer erlaubt. Ein Wermutstropfen?
Nein. Wir haben schon im Oktober für 50 Leute geplant, weil ich nicht dachte, dass sich die Situation schnell ändern wird. Ich war ehrlich gesagt überrascht über die Lockerungen, die am 14. April bekannt gegeben wurden. Und natürlich erfreut. Die Pause war nun lange genug.
Geht es denn finanziell auf, wenn nur 50 Zuschauer dabei sind?
Wir haben viele Sponsoring-Gelder bekommen, um unser Budget zu decken. Die Musiker müssen anständig bezahlt werden, das ist kein Freundschaftsdienst. Zudem erhalten wir Unterstützung der Städte Thalwil und Wetzikon. Und was mich besonders freut: Ich habe lange probiert eine Radioaufnahme aufzugleisen, und es hat geklappt. Radio SRF wird das Konzert aufnehmen und ausstrahlen. Es war daher klar, dass wir das Konzert machen, auch mit 50 Leuten. Zudem wird Rechsteiner nächste Woche 80 Jahre alt. Das Konzert findet also auch ein bisschen zu seinem Geburtstag statt.
Die Uraufführung des Violinkonzertes « musica lyrica » von Franz N. Rechsteiner findet am 24. April in der Reformierten Kirche Thalwil statt. Das Konzert ist ausverkauft. Für die Zweitvorstellung am 25. April um 11 Uhr im Grossen Saal der Rudulf Steiner Schule in Wetzikon sind noch wenige Tickets erhältlich. An der Morgenkasse ab 10.30 Uhr oder über die Website der Zürcher Harmoniker.