Die «Kreuzstrasse» hat einst viel zum Dorfleben beigetragen
Als im Jahr 1908 ein junger Lehrer an der « Kreuzstrasse» vorbeiging, um die Stelle im Schulhaus Neubrunn anzutreten, schlug die Kirchenuhr die elfte Stunde. So schreibt es Hermann Riedweg in seinen « Erinnerungen an meine ersten zwei Schuljahre im Tösstal » . Das bestätigt, dass die Wirtschaft schon damals so hiess. Denn auf einer alten Ansichtskarte von 1902 stand bei der Einkehrmöglichkeit noch « Stahel » an der Hauswand.
Der Namen « Kreuzstrasse » konnte sich bis in die Gegenwart halten, wurde aber vor ein paar Jahren abgelöst durch ein wenig romantisches « Take Away » – womit auch die gemütliche Wirtsstube verschwand. Diese hatte viel zum Dorfleben beigetragen, war ein beliebter Treffpunkt.
Werner Steiner, Sohn der einstigen Besitzerin und langjähriger Wirt, warb gemäss einem alten Zeitungsbericht vor dem Jahrmarkt mit den Zeilen: « De Köbi sait zu sinere Trudi, mir gönd an Jahrmärt, lupf dis Fudi. I dä Chrüzstrass z’Turbethal isch Metzgete. »
Die Stimme der Denkmalpflege
Im Oktober 1980 hatte die Kantonale Denkmalpflege eine Bestandsaufnahme des Gebäudes gemacht und wenig zimperlich festgehalten: « Das Gasthaus steht als Eckbau an der Strassenkreuzung Tösstalstrasse – St. Gallerstrasse. Durch den Abbruch des ehemals gegenüberliegenden Sigristenhauses (Scheuermeier-Haus) wurde der zentrale Kreuzungspunkt entscheidend gestört. »
Und: « Das Restaurant steht heute vor einer überdimensioniert ausgebauten Strassenanlage gegenüber der Kirche. » Was wird die Organisation wohl später einmal schreiben, wenn sich hier ein Kreisel befindet?
Die erwähnte Strassenanlage vermochte im Jahr 1969 Wellen zu werfen. Lydia Steiner, die selbst 24 Jahre lang wirtete, hatte 1959 den Hausteil mit der Wirtschaft gekauft. Zehn Jahre später haben sie und der Flarzhausbesitzer Robert Stucki (1909-1988) zusammen mit zwei weiteren Nachbarn einen Anwalt genommen.
Das verrät sein Schreiben an das Verwaltungsgericht, das heute im Besitz seines Sohnes Ruedi Stucki ist. Dabei ging es um den Beitrag an die Neuerstellung des Trottoirs auf der gegenüberliegenden Strassenseite: Das Kantonale Tiefbauamt verlangte dafür deutlich mehr, als zuvor die Schätzungskommission genannt hatte.
Ein Flarz weiss zu erzählen
Der Bericht der Denkmalpflege hält zudem fest, dass es sich beim Gasthaus um ein ehemaliges Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert mit auffallendem Giebeldreieck handelt. Als nördliche Fortsetzung gab es eine Scheune, die 1928 umfunktioniert wurde.
Der heute 78-jährige Ruedi Stucki bewahrt die Kauf-Urkunde auf, die belegt, dass sein Vater im Jahr 1953 den Flarz gekauft hat. Und zwar vom Landwirtschaftlichen Verein Turbenthal. Es ging damals um ein Wohnhaus mit Laden, eine Laube mit Abtritten (WCs im Laubengang) und einer Velogarage. Ein Haus umgeben von nachbarschaftlichen Hofräumen und Gärten.
Die erwähnte Urkunde hält zudem mehrere Dienstbarkeiten fest, teils zurückzuführen auf den Umstand, dass ein Johann Jakob Jucker als früherer Eigentümer der Gebäulichkeiten im April 1890 vor diesem Haus eine Brückenwaage erstellt hatte. Sie diente Landwirten dazu, ihre Fuhren mit Mostobst und anderem zu wägen.
Wann die Waage verschwand, ist nicht ganz klar, Ruedi Stucki erinnert sich jedoch, dass sie jeweils durch Lydia Steiner bedient wurde. Der Landwirtschaftliche Verein, der im Gebäude schon ein Depot geführt hatte, konnte übrigens die Liegenschaft 1948 von Peter Feuz kaufen. Dieser wirtete bis in die 1940er Jahre, später auch seine Tochter Margrith Gibel.
Haustrakt mit Geschichten
Direkt neben der Gaststätte war lange Platz für die Werkstatt des Schuhmachers Rohrer. Der ganze Haustrakt hat also seine Geschichten, es wohnten Eigenheers, Juckers und Ghelfis darin. Im Zuge seiner Recherchen zur 150-jährigen Geschichte der Landi Wila-Turbenthal stiess der Historiker Wolfgang Wahl aus Wila gar auf ein spezielles Vorkommnis.
In einem Bericht der Revisoren des Volg Winterthur steht, dass sich in den 1940er Jahren der Turbenthaler Verwalter kurz vor der Prüfung der Rechnungsführung erschoss. Die Untersuchung ergab, dass er durch diverse Unregelmässigkeiten eine hohe Geldsumme hatte unterschlagen können. (Renate Gutknecht)