Das Rapperswiler Mädcheninternat ist bald Geschichte
Etwa 3000 Schülerinnen aus der ganzen Deutschschweiz verbrachten seit 1843 einen Teil ihrer Schulzeit im Mädcheninternat des Klosters Mariazell Wurmsbach in Rapperswil-Jona, an idyllischer Lage direkt am Obersee. Im kommenden Sommer wird seine lange Geschichte ein Ende finden: Wie Äbtissin Monika Thumm und Schulleiterin Schwester Andrea Fux in einer Medienmitteilung schreiben, habe man beschlossen, das Mädcheninternat nach 178 Jahren zu schliessen. Es sei ein « sehr schmerzlicher, wenn auch unumgänglicher » Schritt, heisst es im Schreiben weiter.
Mithilfe externer Beratung und umfangreicher Marketingmassnahmen hätten die Verantwortlichen lange für das Weiterbestehen des jetzigen Bildungsangebots gekämpft. Aber in den letzten Jahren habe die Nachfrage nach Internatsschulen auf der Volksschulstufe schweizweit stark abgenommen. Auch in Rapperswil konnte die Schwesterngemeinschaft zuletzt wenig gegen die rückläufigen Schülerinnenzahlen tun: Während vor zehn Jahren noch 100 Mädchen das Internat besuchten, waren es vor vier Jahren noch um die 50. Im vergangenen August startete der Schulbetrieb mit nur gerade 33 Schülerinnen im Alter zwischen 11 und 16 Jahren.
« Noch kann ich es mir nicht vorstellen, hier nach den Sommerferien keine Mädchen mehr zu empfangen. Denn der Schulalltag läuft momentan auf Hochtouren. »
Schwester Andrea Fux, Schulleiterin
Die Mädchen absolvieren dort die 6. Primarklasse, das Vorbereitungsjahr oder die Oberstufe und reisen aus dem Zürcher Oberland, aber auch aus Graubünden, Basel oder Schaffhausen nach Rapperswil, wo sie von Sonntagabend bis Freitagnachmittag im Internat wohnen. Die kleine Schülerinnenzahl sei langfristig aber nicht ideal für die Dynamik im Internat und das Lernen in der Gemeinschaft, sagt Andrea Fux, die selbst Berufs- und Menschenkunde unterrichtet und zudem den Schulchor leitet.
Abschied und Neuanfang
Zu den Ursachen für das abnehmende Interesse der Bevölkerung gehören ihr zufolge ein wachsendes Angebot von öffentlichen und privaten Tagesschulen, aber auch « das oft negative Bild der katholischen Kirche » . « Das erfuhren wir in zahlreichen Gesprächen mit Experten verschiedener Couleur » , so Fux. Wegen der Coronapandemie und der damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheit vieler Eltern habe das Interesse an dieser Schulform weiter abgenommen.
Am stärksten trifft die Schliessung wohl die 24 Schülerinnen, die noch eine Weile im Internat verblieben wären. Man habe die Möglichkeit, ihnen ein Übergangsjahr anzubieten, intensiv geprüft, dann aber feststellen müssen, dass die Qualität nicht aufrechterhalten werden könnte. « Selbstverständlich werden die Schülerinnen und ihre Eltern bei der Suche nach einer passenden Anschlusslösung individuell begleitet und unterstützt » , sagt die 54-Jährige. Darüber hinaus müsse sich eine kleine Zahl von externen Lehrpersonen eine neue Wirkungsstätte suchen. « Wir müssen nur wenige Stellen kündigen. Einige Lehrpersonen werden pensioniert oder arbeiten zusätzlich bei anderen Schulen. »

Was nach dem Sommer mit dem Internatsgebäude passiert, ist im Moment noch nicht klar. Das Schulhaus aber wird auch in Zukunft genutzt werden: Eine Privatschule wird in den Klassenzimmern neben der Zisterzienserinnen-Abtei ein neues, privates Bildungsangebot lancieren, beginnend mit einem 10. Schuljahr. Die «SBW Haus des Lernens AG» ist in Deutschland und in der Schweiz bereits an mehreren Standorten vertreten, etwa in Winterthur, St. Gallen und Romanshorn.
« Die Ordensfrauen freuen sich, dass die Kernwerte ihrer bisherigen Jugendbildung mit den Grundhaltungen der SBW übereinstimmen, auch wenn das christliche Gedankengut nicht explizit erwähnt wird » , heisst es dazu in der Medienmitteilung. « So ist das Ende des Mädcheninternates auch ein Neubeginn. »
Seit 30 Jahren im Kloster
Darauf angesprochen, was in ihr vorgeht, wenn sie daran denkt, dass im Sommer rund ums Kloster trotzdem vieles anders sein wird als heute, bleibt die Schulleiterin gefasst. « Noch kann ich es mir nicht vorstellen, hier nach den Sommerferien keine Mädchen mehr zu empfangen. Denn der Schulalltag läuft momentan auf Hochtouren » , sagt sie. Wahrscheinlich werde sie dann aber mit Wehmut an die «Mädcheninternatszeit» zurückdenken, die sie selber schon in frühen Jahren kennen- und schätzengelernt hat: Fux, die in Rüti geboren wurde und danach in Wetzikon aufwuchs, war ebenfalls bereits als Teenagerin ins Mädcheninternat eingetreten.
Sie konnte in Rapperswil « eine grössere pubertäre Krise » überwinden (siehe auch Umfrage), fand in Wurmsbach nicht nur den Rahmen, den sie brauchte, sondern auch die Gemeinschaft, an die sie ihr weiterer Lebensweg binden sollte. Im Alter von 24 Jahren entschied sich Fux, Ordensfrau zu werden. Im Kloster Mariazell Wurmsbach wirkt sie inzwischen schon seit 30 Jahren. « In unserem Orden waren wir schon seit Jahrhunderten Pioniere. Darum schaue ich gerne vorwärts und schätze es, dass wir Schwestern unser Know-how einbringen und das neue Angebot mitgestalten können. »