Kubanischer Musiker erlebt in Rüti sein blaues Wunder
Ein unscheinbares Gebäude im Industriequartier von Rüti. Hier im Keller hat der gebürtige Kubaner Olgeriz Montelier sein Reich. Es besteht aus einem Sofa, einem riesigen Bildschirm und einer kleinen Kabine mit Mikrofon. «Bienvenido», sagt Montelier, ein kleiner kräftiger Mann und grinst.
Goldene Schallplatte
Der Musikproduzent arbeitet mit mehreren Künstlern mit lateinamerikanischen Wurzeln zusammen. «Momentan habe ich viel zu tun», sagt er. «Alle haben wegen Corona viel Zeit, um Lieder zu produzieren.»
Sein Landsmann Angel Yuri González Quintero, Künstlername Samuray Kuba, ist sein derzeit erfolgreichster Sänger. Gerade haben die beiden für 15’000 verkaufte Exemplare der Single «Ella baila sola» die goldene Schallplatte bekommen.
Auch Montelier selber macht Musik. Mit seiner Band «Los jefes cuba» arbeitet er derzeit an einem Album. Aufgewachsen ist Montelier im kubanischen Trinidad. Als er 13 war, starb seine Mutter, eine Tante adoptierte ihn.
«Als ich wegen dem Tod meiner Mutter in eine Depression fiel, ermunterte mich meine Tante, Musik zu machen», erinnert er sich. «Meine Mutter hatte es immer geliebt, wenn ich gesungen habe.» Mit 20 ging er in die Hauptstadt Havana, um Wirtschaft zu studieren und Gesangsstunden zu nehmen.
Karrierestart als Backgroundsänger
Weil die Musik immer wichtiger wurde, brach er das Wirtschaftsstudium ab und wechselte an eine Musikschule. Er war als Backgroundsänger für verschiedene bekannte kubanische Musiker tätig und gründete seine eigene Band: Los jefes cuba. Die Gruppe produzierte Lied um Lied, unter anderem den Salsa-Song «Yo te prometo.»
2011 wurde die Gruppe von einer Schweizer Plattenfirma entdeckt, die sich auf Latino-Musik spezialisiert hatte. «Als kubanischer Musiker hat man immer den Traum, Karriere im Ausland zu machen», erzählt Montelier. «Wir waren so euphorisch, dass wir den Vertrag deshalb nicht genau durchlasen, als wir unterschrieben.»
Ein grosser Fehler. Denn mit dem Vertrag trat die Band alle Rechte an ihren bereits produzierten Liedern an die Plattenfirma ab. Als die Vertreter der Firma zurück in die Schweiz flogen, hörte Montelier nichts mehr.
Im sozialistischen Staat von der Aussenwelt quasi abgeschnitten, erfuhr er deshalb nicht, dass «Yo te prometo» in Latino-Kreisen in ganz Europa zum Hit wurde.
Bekanntschaft mit Schweizer Touristin
Er verlor das Interesse an der Musik und ging zurück nach Trinidad. «Dort habe ich in einem Restaurant für Touristen gespielt», erzählt er. Auch das Lied «Yo te prometo» gehörte zu seinem Repertoire. «Eines Tages sagte eine Schweizer Touristin, das sie diesen Song kenne», sagt er. «Sie habe ihn in der Schweiz schon oft im Radio gehört.»
Dies habe ihm neuen Mut gegeben. Mit der Touristin entwickelte sich eine Freundschaft, aus der Liebe wurde. Ein Jahr lang führten sie eine Fernbeziehung, während der seine Freundin, eine Lehrerin, immer wieder nach Kuba reiste.
2015 heirateten die beiden, Montelier kam in die Schweiz. Das erste Mal überhaupt war er ausserhalb von Kuba. «Das war schon ein rechter Kulturschock», sagt er. «Und es war so kalt.» Seit vier Jahren hat Montelier nun sein eigenes Musikstudio in Rüti, wo er zusammen mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn wohnt.
Erst nach seiner Ankunft in der Schweiz erfuhr er im ganzen Ausmass, wie erfolgreich seine Musik im Ausland war. «Und ich hatte in dieser ganzen Zeit keinen einzigen Cent gesehen.» Als er die Plattenfirma anrief, bei der er seinerzeit den Vertrag unterschrieben habe, habe man ihm gesagt, wenn er mit ihnen reden wolle, nähme er sich besser einen Anwalt.
Doch dafür hatte Montelier kein Geld. «Zuerst fiel ich in ein Loch. Doch dann sagte ich mir, dass ich etwas tun muss. Von nichts kommt nichts.»
Er habe allen DJ’s, die an Latinomusik interessiert waren, seine Musik geschickt. «Tatsächlich meldete sich ein spanischer DJ, der in Deutschland wohnte und lud mich in sein Studio ein.»
Die beiden nahmen mehrere Songs auf, wobei sich herausstellte, dass sein neuer Partner über viele wertvolle Kontakte verfügte. «Wir hatten Auftritte bei ZDF und spielten als Vorband von Nicky Jam.»
Doch die beiden bekamen Probleme. Wieder ging es um unfaire Verträge, um Geld. «Unsere Wege trennten sich», sagt Montelier diplomatisch. Als Monteliers Bandkollege von «Los jefes cuba» eine Schweizerin heiratete und ebenfalls in die Schweiz kam, machten sie dort weiter, wo sie aufgehört hatten.
«Wir produzierten Songs, traten in Los Angeles auf und machten eine Tour durch ganz Japan», erzählt er. «Es war absolut verrückt. Die Japaner kannten alle unsere Songs.» Corona machte weiteren Auftritten einen Strich durch die Rechnung.
Ob er sich in Zukunft auf die eigene Musik konzentrieren oder vor allem andere Künstler produzieren will, weiss er noch nicht. «Ich widme mich dem, was als erstes richtig funktioniert.»